Gewässer in der Gottschee, von Dr. Hugo Grothe, 1931


Das Gottscheer Land zeigt die typischen hydrographischen Erscheinungen des Karstes, vor allem die durch die Zerklüftung des Kalkgesteins begünstigte Verrinnselung in unterirdische Wasserbehälter, so daß selbst bei oberirdischem Quellenreichtum sich die am Boden sammelnden Wasser bald verlaufen. Nach anhaltenden Regengüssen sprudeln diese aber in Fülle aus den Spalten und von den Berglehnen und überschwem
men die Äcker und Wiesen der Talstriche, ihre tiefsten Stellen in Seen verwandelnd, namentlich wenn sich die Sauglöcher für den unterirdischen Abfluß durch mitgeführte Schlammassen verstopfen.



Die Rinse umfliest die Stadt Gottschee


Die Ursache des Wasserlaufschwundes wie der Verkarstung der Talbecken überhaupt liegt, wenn wir der Krebsschen Hypothese folgen, in der Erhebung der schildförmig hoch aufgewölbten Gottscheer Karstlandschaft, eine Bodenbewegung, die jünger ist als die oligozäne Faltung selbst. Mit der Senkung des Grundwasserspiegels, die sich durch die Schollenhebung ereignete setzte auch die Verkarstung ein.

Die wasserreichste der Karstrinnen Gottschees ist die Rinnsche (12-14 km). Ihren Ursprung nimmt sie von mehreren
Quellen, die am Ostfuße des Windischdorfer und Loschiner Nocks hervortreten (Reberbrunn, Ubrich, Rosenbrunn). Es sind dies Quellen, die nach menschlichem Gedächtnis nie zur Versiegung gekommen sind, so daß ihr Vorrat sich in dürren Jahren als große Wohltat erweist. Von Mooswald an ist die Rinnsche mit Ausnahme des Hochsommers ein ganz stattliches Flüßchen. Kurz vor der Stadt wendet sie sich vom Gebirgsfuße nordostwärts zur Ebene und durchzieht diese in einer großen Schleife. Zwei Brücken führen innerhalb des Stadtfeldes über ihr breites Bett. Das Gefälle der Rinnsche ist ein geringes und wird der Zug ihrer Wasser nur bei stärkerer Anschwellung wahrnehmbar. Außerhalb der Stadt zieht sie in der Richtung der Gottscheer Polje nach den Fluren der Dörfer Krapfenfeld und Lienfeld, wo sie von mehreren Spalten und Sauglöchern verschluckt wird. Bei hohem Wasserstande gelangt sie bis zu der Geländeschwelle, die sich vor Mösel quer durch das Gottscheer Talbecken in 20-30 Meter Höhe legt. Bei geringer Wasserführung bilden sich schon oberhalb Krapfenfeld längliche Tümpel, die gegen den Sommer hin völliger Austrocknung verfallen.

Von der Natur der Rinnsche hat schon Valvasor eine getreue und phantasievolle Schilderung gegeben, wenn er II, 237 sagt:

"Deß Gottscheer Bachs Entspringung geschicht / gleich oberhalb der Stadt Gotschee; und zwar nicht / an einer einigen Stäte; sondern auch / um die Stadt herum / hin und wieder. Er wird aber seines Lauffens über der Erden bald müde; sintemal er nur / eine Meile weit / hinunter rinnt / und als
dann / bey der Pfaar Mössel / durch ein Loch in die Erde fällt. Bey einer so mittelmäßigen / oder vielmehr kurtzen / Länge / so ihm die Natur hat zugemessen / erweist er gleichwol eine große Mildigkeit / an Fischen; immaßen er derselben / über die Maße / voll ist / und auch von den köstlichsten Krebsen durchkrochen wird. Rutten / Brat-Fische / Schleyen / Hechte / Allten und eine unglaublich große Menge besagter Krebse / haben ihn gantz angefüllt: also / daß dieses Wasser allein den Einwohnern gemeldter Stadt mehr Nahrung verschafft / weder Aecker und Bau-Feld. Es mag aber dasselbige wol / mit einem unsteten Menschen / der nicht lange / an einer Stelle / bleiben kann / verglichen werden: denn es liebt die Abwechslung des Ober- und Unterirdischen Lauffs gar sehr; geht an überaus vielen Orten / wiederum aus der Erden herfür / und wieder hinein; wie ein unbeständiger Büßer / der mit seinem Herzen / bald über das Irdische herrschet und triumphirt / bald dem Irdischen unterworffen ist. Wanns regnet / hauffet sich diß Wasser so gewaltiglich / daß Alles damit überdeckt / und gleichsam ein breiter weiter See draus wird. Wann es aber wieder fällt / vergeht / und in die Löcher geht / hinterläßt es anstat deß Zinses / für den kurtzen Bestand seines genossenen Quartiers / eine unglaubliche Fülle von Fischen / auf dem Platze / samt vielen Krebsen: so den Leuten gar wol bekommen: die alsdenn wol Ursach hetten / zu sprechen / der Herr hette ihnen Fische und Krebse regnen lassen."

Von der Überfülle der Wasserfluten der Rinnsche gewann ich ein lebendiges Bild in den Spätherbsttagen von 1925. Infolge der fünf Tage währenden Regengüsse begann die Rinnsche über ihr Bett zu steigen und den unteren Teil der Stadt zu überschwemmen. Auch oberhalb Gottschee von Mitterdorf an war die Tiefenlinie des oberen Beckens ein einziger See, so daß die Fahrstraße unbenutzbar war und nur der Bahndamm über die Wasserfläche ragte. Aber es sind noch weit umfassendere Überschwemmungen verbürgt. In den neunziger Jahren stand fast die ganze Stadt Gottschee unter Wasser und mußte der Verkehr von Haus zu Haus mit Kähnen bewerkstelligt werden.

Über solche Regengüsse und ihre Folgen heißt es in den "Gottscheer Mitteilungen" Jahrgang IV (1898) Heft 20 "Von 14. bis 20. Oktober trat wolkenbruchartiger Regen auf. Die Rinnsche führte ähnlich wie im Oktober 1895 ungeheure Wassermengen, die schon am 19. Oktober alle tiefer gelegenen Teile der Stadt überschwemmten. Von der Brücke aus sah man weite Wasserflächen, aus denen Bäume und Baulichkeiten hie und da hervorlugten."



Überschwemmung bei Mitterdorf


Es ist durchaus möglich, daß die
Gottscheer Mulde im Oligozän in ähnlicher Weise durch einen See mit periodischem Zu- und Abfluß erfüllt wurde, wie dies noch heute beim Zirknitzer See der Fall ist.

Es sprechen verschiedene Tatsachen dafür, daß die Rinnsche ursprünglich auch den Talboden durchfloß, der südlich Mösel (510 m) über Reintal, Verderb (516 m) und Verdreng (523 m) einschneidet, und sich dann oberirdisch in die Kulpa ergoß Mit der Hebung der Gottscheer Scholle verfiel jedoch dies südliche Talstück einer Aufbiegung, so daß die Verbindung mit der Gottscheer Hauptmulde unterbrochen wurde. Der Vermutung eines unterirdischen Zusammenhangs zwischen Rinnsche und Kulpa hat schon Valvasor vor 250 Jahren Raum gegeben. Auch neuerdings wurde diese Hypothese von der Forschung vertreten.

So sprach sich E. Kraus in seiner "Höhlenkunde" (Wien 1894) für dieselbe aus. In der Tat, da, wo man den Einfluß der unterirdischen Kulpa vermuten kann, brechen zwischen Kostel und Wilpen linksseitig mehrere ansehnliche Wasseradern in die Kulpa ein. Gestützt wird die Annahme einer unterirdischen Einmündung heute auch durch die jüngst von A. G. Forster gemachten Feststellungen (Hydrographische Forschungen in Inner- und Unterkrain, Mitt. d. Wiener Geogr. Ges. 1922), daß die Wasseransammlungen im Reifnitzer Becken ihren Abfluß zur Krainer Gurk nehmen. Genauere Untersuchungen werden jedoch diese Frage der Verbindung von Rinnsche und Kulpa noch zu klären haben.

Der Karstwasserläufe gibt es noch an mehreren Punkten des Gottscheer Hochlandes. Weniger wasserreich, aber von längerem Laufe (18 km) als die Rinnsche, ist der Wildbach. Die Talwanne der Moschnitze durchrinnt er teils ober-, teils unterirdisch. Der "Wildbach" ist in der warmen Jahreszeit ein harmloses sanft dahinplätscherndes Bächlein, das jedoch bei der Schneeschmelze im März und nach länger andauernden Regenfluten des Spätherbstes, seinem Namen getreu, ein "wild" dahinschießender Geselle werden kann. Der Wildbach nimmt seinen Ursprung aus zwei Quellen bei der nördlich Tschermoschnitz gelegenen Dorfschaft Mitterdorf. Schon nach kurzem Laufe versinkt der Bach taucht aber östlich von Tschermoschnitz wieder auf, um nach Aufnahme des Rehbachs in der Richtung des Längstals weiter zu rinnen.

Aber nochmals versickert der Wildbach. Durch ein Saugloch verschwindet er unterhalb Altsag in die Erde. Erst kurz hinter Pöllandl taucht das Moschnitzer Flüßchen wieder hervor und ergießt sich gegenüber dem Schlößchen Ainöd als Radesica in die Gurk.



Versickerung


Ein paar nur kurze und bescheidene Wasseradern finden wir im Süden des Gottscheer Hochlandes. Auch diese verfallen nach einem kleinen Stücke oberirdischen Laufes der Versiegung. Es ist der ein paar Getreidemühlen treibende Rieger Bach, der aus dem Grundwasserhorizont durch mehrere Quellen gespeist wird und einen gewundenen Lauf von 3-5 Kilometern hat. Ähnlich verhält es sich mit dem Tiefenbacher Bach. Er zieht sich am Fuße des Moritsch durch den oberen Teil des Talbodens (620 m Meereshöhe bei Untertiefenbach), der sich gegen Banjaloka hin ins Kroatische senkt. Wohl fließen hier und da noch kleine Wasseräderchen im Gottscheer Hochlande, die aber im Sommer sämtlich austrocknen. Im wesentlichen haben wir sonst überall die Talformen völlig verkarsteter Täler, die ihre Bewässerung verloren.

Der Mensch hat wenig getan und tun können, um den Mangel an Wasseradern zu ersetzen. Für Bewässerung der Felder sind die vorhandenen natürlichen Wasserrinnen im Laufe zu kurz und in ihrer Stärke zu unbeständig. Nur im oberen Hauptbecken von Gottschee ist die Möglichkeit gegeben, Kleinkanäle von der Rinnsche über bebautes Land zu führen. Wo irgend möglich, wird die Wasserkraft zur Erzeugung von Elektrizität (Gottschee, Tschermoschnitz) und zum Antrieb von Getreidemahlmühlen herangezogen. Dies gilt namentlich für den Wildbach in der Moschnitze. der heute 16 Mühlen in Bewegung setzt, nach dem Urbar von 1574 als er an seinen Ufern nicht weniger als 23 Besitzer von Mühlenhäusern zählte, die der Herrschaft abgabepflichtig waren.

Die Anlage einer großen Wasserleitung, die alle größeren Ortschaften des Hauptbeckens von Loschin regelmäßig mit Wasser speisen sollte, war vor dem Kriege mehrfach geplant, unterblieb aber, weil nicht alle Gemeinden die vom Staate geforderten finanziellen Zubußen zu leisten gewillt waren. In trockenen Jahren ist die Wasserkalamität eine bedeutende. Mehrere Stunden müssen die Bewohner der Ortschaften, in deren Nähe keine Quellen sich befinden, so z. B. in der Altlager Gegend, in Fässern auf Leiterwagen von weit her - die Altlager vom Rosen- und vom Reber
brunn - das unentbehrliche Wasser für Menschen und Vieh herbeiholen. Der Bau von Zisternen, wie sie sich in anderen Karstgebieten finden, ist noch wenig verbreitet.

Dr. Hugo Grothe, Die Deutsche Sprachinsel Gottschee in Slowenien, 1931

www.gottschee.de