Die
Seeler Grotte, Joseph Anton Nagel, 1749, Sektionschef R. Benedikter, 1930 Der Gottscheer Kalender für das Jahr 1926 brachte eine kurze Beschreibung der Seeler Grotte aus dem Jahre 1864, entnommen den "Malerischen Skizzen aus Gottschee" von Postl, und lenkte dadurch in dankenswerter Weise neuerlich die Aufmerksamkeiten auf eine der interessantesten Naturdenkwürdigkeiten unseres Heimatländchens, die durch ihre großartigen Hallen und Gänge sowie durch ihre mannigfaltigen Tropfsteinkonfigurationen sicherlich einer regeren Beachtung würdig wäre. In der wissenschaftlichen Welt namentlich als erster Fundort des im Jahre 1846 hier vom Naturforscher Dominik Bilimek entdeckten und nach ihm Anophthalmus Bilimekii Schmidi. benannten, augenlosen Käfers bekannt, wäre die Grotte ohne sonderliche Schwierigkeiten zu einem dankbaren Schauobjekt für viele Besucher Gottschees zu gestalten, die nicht immer in der Lage sind, die allerdings vielleicht interessanteren, aber viel ungünstiger am Kamm des Friedrichsteiner Höhenzuges gelegenen Grotten, "Dreibrüdergrotte" und "Eleonorengrotte", aufzusuchen und die doch mit Freude die Gelegenheit benutzen würden, einen Blick in die Wunder der Unterwelt des Karstes werfen zu können. Das touristische Interesse an den kleineren Grotten des Karstes ist im Laufe des 19. Jahrhunderts durch die Erschließung der einzigartigen und leicht erreichbaren Höhlengebiete von Adelsberg und St. Kantian in den Hintergrund gedrängt worden; jedoch, zum mindesten soweit unsere Gottscheer Höhlen in Betracht kommen, sehr mit Unrecht! Denn daß unsere Grotten, namentlich die Seeler Grotte bereits vor zweihundert Jahren einer wissenschaftlichen Erforschung und eingehenden Beschreibung würdig gehalten wurde. Seeler Grotte, H. Grothe, 1931 Auf Befehl des Kaisers Franz I. des Gemahls der Kaiserin Maria Theresia, untersuchte nämlich der Naturforscher J. N. Nagel im Jahre 1749 die "natürlichen Merkwürdigkeiten" des Landes Krain und verfaßte von ihnen eine ausführliche, mit Abbildungen versehene Beschreibung. Dieses Werk erschien nicht im Druck, doch befindet sich das prachtvoll ausgestattete Manuskript desselben noch heute in Verwahrung der österreichischen Nationalbibliothek (ehemals k. k. Hofbibliothek) in Wien. Der Titel des Manuskriptes lautet: "Beschreibung deren auf Allerhöchsten Befehl Ihrs. Röm. Kayl. und Königl. Maytt. Francisci I. untersuchten, in dem Herzogthum Crain befindlichen Seltenheiten der Natur", 97 Blatt sol. mit 22 Tafeln Tuschzeichnungen. Der Name des Verfassers befindet sich unter der Widmung, in welcher er erwähnt, daß seine "Beschreibung des Ötscher-Berges und einiger anderer in dem Herzogthum Steiermark befindlichen Wunderdinge der Natur" sich einer huldvollen Aufnahme von Seite des Monarchen zu erfreuen hatte und daß ihm selbst wohl in Anerkennung seiner Forschungen die Ernennung zum "kaiserlichen Mathematikum" zu Teil wurde. Die Vorrede ist im wesentlichen eine Polemik gegen einige Fabeln Valvasors, der in seinem berühmten Werk "Die Ehre des Herzogtums Krain" mannigfache phantastische und naive Erzählungen und Behauptungen der Landbevölkerung kritiklos wiedergegeben hatte. Nagel bemüht sich, diese Fabeln zu widerlegen und erklärt hiezu: "Es ist demnach eine höchst ruhmwürdige Sache, da Ihrs Kaiserl. und Königl. Maytt. die Untersuchung deren Natur-Wunder des Herzogthums Crain Allergnädigst entschlossen haben; In denen man unter die Zahl derselben so viele fabelhafft und aberglaubische Erdichtungen, womit Bücher und Gemüther vieler Inwohner dieses Landes und deren reifenden Fremdlingen überhäuffet sind und werden, mitrechnen wollte. Auf daß also einmahl durch eine genaue Beschreibung und Abbildung deren Merkwürdigkeiten das Wahre vom falschen unterschieden werden möchte. Dieser Allerhöchsten Absicht zufolge, habe ich mir in gegenwärtigen fürnehmlich angelegen seyn lassen, all- und jedes solchergestalt vorzustellen, daß dadurch dem Leser kein anderer Begriff beigebracht werden möchte, als er erlangen würde, wan er es selbst in Augenschein nehmen solte. Ich habe mich hierzu der Deutlichkeit, doch auch dabey der Kürtze möglichst befleissen müssen; und zwar Letzteres, weilen es hauptsächlich vor einem Monarchen geschrieben ist, dem höhere Geschäfte zu Lesung derley Sachen nicht viel Zeit übrig lassen wollen. Ich suche niemahl darin etwas verwunderlich zu machen, außer worüber ich mich selbst habe verwundern müssen. Und mag jenen nicht nachahmen, welche, da sie aus fremden Ländern zurückkommen, und vorsehen, daß man sie keines wirdrigen überweisen könne, sich durch Großmachung der gesehenen Dinge groß zu machen, und also die Gewogenheit der Zuhörer zu gewinnen trachten". Das Manuskript Nagels behandelt das Ergebnis seiner Untersuchungen in 15 Abschnitten, die folgende Überschriften aufweisen: Von dem Cirknitzer See, Von der Hölen bey St. Canzian, Von der Gottscheer Hölen, Von dreyen Wetter-Hölen bey Ober-Gurk, Von einer wunderlichen Quelle bey Ober-Laibach, Von der Hölen bey Planina, Von der Adelsperger Hölen, Von der Magdalenen-Höle ohnweit Adelsperg, Von der Lueger Höle in Inner-Crain, Von der Höle bei St. Servolo, Von der verwunderlichen, bishero unbekannten Höle bei Cornial, Von einem besonders gearteten Nuß-baum bei Cornial, Von den Muscheln, so man Dattibi del Mare nennet. Die letzten zwei Abschnitte handeln von Mähren: Von der bei dem Dorff Schloug in Mähren gelegenen Höle und von einem in Mähren befindlichen Abgrunde, die Mazocha genannt. Den Schluß bildet ein "Catalogus" deren aus Crain und Mähren mitgebrachten Naturalien, und einiger anderen zur Beschreibung dienenden Sachen. Wir lassen nun den Wortlaut des dritten Abschnittes (sieh hiezu die Kopie der Tab. II) folgen: Von den Gottscheer Hölen. Eine halbe Stund von Gottschee, einer dem Fürsten v. Auersperg gehörigen Stadt, findet man auch zwey weitläufige, nur 1/4 Stund von einander entfernte unterirdische Gänge. Einen derselben, so der Stadt am nächsten liegt, durchströmt ein Wasser-Bach, welcher einen Büchsen-Schuß weit vom Eingang entspringet, alda eine Mühle treibt, und sich sodann wieder in der Höle verbirgt. Neben dieser Öffnung, wo gedachter Wasser-Bach hinein fließet, trifft man linker Hand noch einen anderen großen Felsen-Rachen an, welcher bey hohen Wasser zum Eingang dienen muß. Grundriß der Seeler Grotte, J. A. Nagel, 1749 Gleich bey dem Eingang entdeckt man drey Gänge: Einen zur linken und zwey zur rechten Hand. Durch jenen fließent erst bewußter Bach; längs welchen, als ich zugegen war, auf einer Seithen nur ein schmaler, zum Theil lettigt, und zum Theil felsichter Weg zu finden war. Und an vielen Orten war keines von beyden; sondern ich mußte selben knie-tief im Wasser suchen. Nachdem ich hierin einen Weg von 78 Klaster zurückgelegt hatte, konte ich, weilen die Höle immer enger, folglich das Wasser höher wurde, nicht weiter darin fortgehen. Wie weit sich aber dieser aus festen Kalch-Stein bestehende Wasser-Canal noch erstrecke, wird man in folgenden wahrnehmen. Man findet zwar in diesen Gang so wohl, als in den Ersten zur Rechten verschiedene Figuren von Tropf-Stein, doch seind sie nicht so verwunderlich als jene, die man in dem dritten Gang wahrnimmt: dan, als ich darin einige Klaster fortgegeangen war, erblickte ich im Gewölbe eine 2. bis 3. Schuch weite Öffnung. Ich stieg zur selben mit einem Windlicht, umb zu sehen, ob sie vielleicht zu einem Wasser-Canal der Natur dienen möchte, mußte mich aber nicht wenig verwundern, als ich sahe, daß das Gewölb, worin sich dieses Loch befande, und welches ich vorhin von dem festesten Stein zu seyn geglaubt hatte, nicht über 2 Finger dick aus puren Tropf-Stein von der Natur verfertigt war. Über diesen Gwölbe befande sich eine andere, einige Klaster lange und bis 4. Klaster hohe Höle, welche in der Höhe mit allerhand Zapfen, und vielen ungewöhnlichen krausen Figuren auf das Wunderlichste ausgezieret war. Obschon dieses Gewölb sehr dünn ist, so ist es doch stärker, als daß es von der Schwere eines Mannes, den ich hinauf steigen ließ, zerbrechen solte. Die andere 1/4 Stunde von jetzt beschriebener entlegene (Tab. II) Höle ist auch würdig, daß sie von jedem neugierigen Erforscher der Natur bewundert werde. Dan man muß bey ihr einen solchen Bau wahrnehmen, der wenig anderen, oder keiner gemein ist. Man gehet anfangs (Lit.A) durch einen sehr hoch und breiten Schwibbogen von Felsen, welcher durch eine große, in der Höhe befindliche Öffnung (Lit. B) von der Höle völlig abgesondert ist. Und nachdem man in dem Haubt-Gang, welcher durchgehends sehr geräumig ist, noch einige Schritte zurückgelegt hat, so siehet man linker Hand im Gewölbe eine andere Öffnung (Lit. C), wodurch das Tageslicht hinein fällt. Nach einen zurückgelegten Weg von 53. Klaster stellet sich zur linken ein anderer, mit verschiedenen Figuren aus Tropf-Stein bekleideter Gang dar (Lit. DE), darin man aber nicht über 46. Klaster fortgehen kann. Wan man aus diesem zurückgekommen, und sich bei Lit. A linker Hand wendet, so kommt einem nicht wenig verwunderlich vor, man die vorhin Stock-finstere, in eine durch das Sonnen-Licht beleuchtete, und mit vielen grünenden Bäumen bepflanzte Höle verwandelt wird (Lit. F). Die Länge derselben erstrecket sich auf 36. Klaster und ist zwey, ohngefer 4. Klaster breit und hohen, Schwibbögen (Lit. G) gleichsam in drey Hölen eingetheilet. Zu Ende dieses offenen Platzes, welcher ringsherum mit hohen Felsen-Mauern umgeben ist, siehet man abermahl ein sehr weites Loch (Lit. H), wodurch man sich wiederum unter den finsteren Felsen begeben kann. Vor diesen Eingang stehet noch eine aufgemauerte mit Schieß-Scharten versehene Brust-Wehr; welche ehemals denen benachbarten Inwohner zur Sicherheit dienen mußte, wan sie sich von denen einfallenden Türken in diese finsteren Felsen-Klüfte verbargen. Sobald man die Brust-Wehr hinter sich zurückgelassen, tritt man in einen wegen seiner Weite und Höhe erstaunungswürdig - und entsetzlichen Platz (Lit. J). Dieser ist 36 Klaster lang, 20 Klaster breit, und fast ebenso hoch. Das diese große Aushölung bedeckende ungeheure Felsen-Gewölb ist in der Höhe mit dreyen Öffnungen (Lit. K), wodurch die Sonnen-Strahlen diesen, fast finsteren, unterirdischen Ort beleuchten, versehen. Auf der Seithen zur rechten erblicket man in der Felßen-Wand eine Aushölung, welche sich wie ein Brunnen, einige Klaster tief hinunter ziehet (Lit. L). Als ich mich zur selben nahete, sah ich, daß einige deren Bauern, so bei mir waren, mit meinem Berg-Knappen in einer recht eifrigen Beredung begriffen waren, und sich mit dem Kreutz-Zeichen bezeichneten. Da ich mich nach dem, was sie mit so ernsthaften Geberden erzehlten, erkundigte, antwortete der Berg-Knapp, daß nach ihrer Meinung in diesem Loch der Teufel wohne. Ich ließ sie ferner durch meinen Dolmetsch fragen, woher sie dieses wüßten? Da antworteten sie: daß, so oft als ein Stein in dieses Loch hinunter geworfen werde, der Teufel sich sehr verzürne, wan er solchergestalt in seiner Wohnung beunruhiget wird: welches er nach jedem Wurf durch ein langanhaltendes Getöß und Brummen genugsam zu erkennen gebe. Aus dieser so wohl ausgesonnenen Ursach hörte ich schon, wie viel die Uhr geschlagen hatte. Und als ich, solches zu erfahren, einige große Steine hinuntergeworfen hatte, vernahm ich eigentlich, daß selbe in das unten befindliche Waser fielen; und gleich darauf ein ungewöhnliches Glachtzen und Getöß verursacht wurde, welches beinahe 1. Minute lang dauerte. Es entstehet aber dieses Getöß von dem bewegten Wasser, welches unter die ausgehölten Felsen, so gantz nahe über der Oberfläche des Wasser hervorragen, schlägt, un so lang vernohmen wird, als der Fluß und Zurückfluß des Wassers währet. Nicht weit von hier erblicket man noch eine andere grosse Öffnung (Lit. M), wodurch man in einen abgesonderten 54 Klaster langen Gang kommen kann. Dieser ist mit mehreren Figuren von Tropf-Stein, als vorbeschriebener Theil der Hölen, ausgezieret, welches das Auge zwar ohngemein belustigte, man nicht im Gegentheil ein großer Theil des Vergnügens durch die ohnzahlbare darin sich aufhaltende Flatter-Mäuse dem Begierigen Zuschauer benohmen würde. Der Gang (Lit. NO) ist 17 Klaster lang; und man wird dadurch bey (Lit. O) wiederum aus dem Berg auf das freye Feld geführet. Doch erblickt man noch zur Linken (Lit. P) eine Öffnung, welche sich 24 Klaster in feste Felsen erstrecket; aber so enge ist, daß ich, auf dem Bauch liegend, mich durchzuwinden gezwungen wurde. Dieses ist um so mühsamer, als sich gedachter Canal immerhin in die Höhe ziehet. Die Arbeit jedoch wird reichlich versüsset, wan man endlich in einen schön - und grossen Saal (Lit. Q) gelanget. Derselbe ist zwar nicht über 3 Klaster hoch, aber mit dem allerweißesten Tropf-Stein solchergestalt von der Natur ausgezieret, daß ich es nicht ohne besonderen Vergnügen bewundern mußte: Bäume, Zapfen, Thiere, Säulen, Orgel ec., ja, was nur einer gedenken kann, findet sich unter diesen gekrauseten Figuren. Auf der Seithen (Lit. R) siehet es nicht anders aus, als wie man in Schlafzimmer die sogenannte Alcoven aufzubauen pfleget. Die vordere Wand, welche diesen Erker absondert, bestehet aus dem allerweißest-durchbrochenen Tropf-Stein und ist mit untermischten Säulen ausgezieret. Die hintere Wand endlich (Lit. R) ist mit so vielen wunderbahren Figuren behängt, daß ich in derenselben Betrachtung eine lange Zeit zugebracht haben würde, man mich nicht der sich häufende Rauch deren Windlichter aus diesen so sehenswürdigen Gebäu wider Willen fortgetrieben hätte. In der Seeler Grotte, R. Benedikter, 1930 Fast diesem Gang gegenüber strömet der Bach, den wir in vorbeschriebener Hölen verlassen haben, wiederum aus dem Felßen hervor: aber gleich wie die Nacht-Eulen, also kann auch dieser das Sonnen-Licht nicht erdulden, sondern nachdem er 2. Büchsen-Schuß weit ausser der Hölen fortgeflossen, stürtzet er sich abermahl in eine finstere Gruft (Lit. S) und rinnet also, wer weiß wohin, unter der Erden fort. So die Darstellung Nagels über seine Fahrt durch die Seeler Grotte im Jahre 1748. Seine Schilderung zeigt nicht nur den Begeisterten, doch auch kritischen Naturfreund und Naturforscher; die Tatsache, daß Nagler in seine, über unmittelbaren Auftrag des Kaisers Franz I. unternommene Untersuchung der "natürlichen Merkwürdigkeiten" des Landes Krain auch die Seeler Grotte einbezog, zeigt uns vielmehr auch, daß die Grotte bereits vor zweihundert Jahren als ein "Naturwunder" galt, würdig genug, in einer, vor allem für den Monarchen bestimmten Beschreibung der hervorragendsten Naturmerkwürdigkeiten Österreichs bereits an dritter Stelle berücksichtigt zu werden. Eine an Hand des dem Manuskript als Tab. II. beigegeben " Grund-Risses der Gottscheer Hölen" im Mai 1929 unternommene Fahrt durch die Grotte bewies im allgemeinen die Genauigkeit der Schilderung Nagels. Doch konnte festgestellt werden, daß die von Nagel erwähnte Brustwehr bei Lit. H vor dem Eingang zum größten Höhlenraum (Lit. J) nicht mehr besteht. Es findet sich dort nur ein unregelmäßiger Haufen von größeren und kleineren Gesteinstrümmern. Dafür bot die Besichtigung des prächtigen Seiteneingangs bei M der Tabelle insoferne eine angenehme Überraschung, als von den "ohnzahlbaren Flattermäusen", die Nagel seinerzeit den Aufenthalt in diesem Gange verleideten, keine Spur zu entdecken war. Der Kanal endlich, der von Lit P zu der von Nagel so begeistert geschilderten Höhle Q führt und den Nagel "auf dem Bauche liegend" passieren konnte, ist mittlerweile erweitert worden, doch noch immer so niedrig, daß man streckenweise nur kriechend weiter kommen kann. Die leichtere Erreichbarkeit der Höhle Q hatte leider eine stärkere Devastation dieses Raumes zur Folge; zahlreiche Säulenstümpfe zeugen von Plünderungszügen gewissenloser Tropfsteinmarder, die sich nicht scheuten, die eigenartigsten Tropfsteingebilde abzusprengen und zu verschleppen und damit eines der herrlichsten Naturdenkmäler unseres Ländchens schwer zu schädigen. Dennoch dürfte ein Besuch der Höhle Q bei genügender Beleuchtung - bei unserer Grottenfahrt im Mai 1929 hatten wir hier nur noch zwei oder drei Kerzenstümpfe zur Verfügung, so daß wir gezwungen waren, möglichst rasch den unbequemen Rückzug durch den Kanal P anzutreten - auch heute noch die Mühe der unbequemen Passage reichlich lohnen. Wenn nun auch die Seeler Grotte die Großartigkeit und Pracht der Grotten von Adelsberg und St. Kanzian nicht erreicht, so kann sie doch zum mindesten der sogenannten "alte Grotte" von Adelsberg, die bis zum Ende des achzehnten Jahrhunderts allein bekannt war (die Grotte hinter dem großen Dome mit Tanzsaal, Vorhang, Kalvarienberg, Tartarus usw. wurde erst im April 1818 entdeckt) schon damals Weltruf genoß und einen seinerzeit gefeierten vaterländischen Dichter, den Steirer Johann Georg Fellinger zu einem längeren Gedicht "Die Grotte von Adelsberg" begeisterte, gleichgestellt werden. Fellinger, heute nahezu vergessen, war am 3.Jänner 1781 zu Peggau in Obersteiermark geboren, war aktiver Offizier, verlor in einem Kampfe an der Piave durch einen Kolbenschlag das rechte Auge und kam 1815 als Oberleutnant und Konskriptions-Revisor nach Adelsberg, wo er am 27. November 1816 starb. Eine seiner letzten poetischen Arbeiten war das Gedicht "Die Grotte bei Adelsberg" in 26 achtzeiligen Strophen, das die Wunder der "alten Grotte" verherrlicht und dessen letzte Strophe, die wegen ihres allgemeinen Charakters ebenso der Seeler Grotte gewidmet sein könnte, als Ausdruck der Begeisterung eines gläubigen, dichterischen Gemütes über die eigenartigen Wunder der Grottenwelt auch hier Platz finden möge: Du Berg mit deinen Wundern wirst versinken, Mein Ich wird schweben über dem Ruin, Und aus dem Born des Lichts Vollendung trinken, Und jubelnd fassen, was ihm Wunder schien; Dann, wenn die Tiefen aufgehellt mir winken, Wenn ich begreife, was ich war und bin, Dann soll mein Sang dem Schöpfer jedes Schönen Den Preis in himmlischen Akkorden tönen! Die Seeler Grotte ist die am leichtesten erreichbare unter den drei größeren Gottscheer Tropfsteingrotten. Die "Dreibrüder Grotte" und die "Eleonoren Grotte", die der Seeler Grotte an Pracht der Tropfstein- und Sintergebilde sowie in der Mächtigkeit ihrer Dome mindestens ebenbürtig sind, kommen wegen ihrer ungünstigen Lage für einen regeren Touristenbesuch weniger in Betracht, während sich alle anderen Höhlen in der Umgebung von Gottschee mit den drei genannten Grotten wohl überhaupt nicht messen können. Dagegen kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Berge Gottschees, namentlich der Friedrichsteiner Höhenzug, in ihrem Inneren noch zahlreiche, vielleicht viel wunderbarere Räume bergen, die, bisher von keinem menschlichen Fuß betreten, der Erschließung harren. Die zahllosen Schächte und senkrecht in den Kalkfels führenden Kamine deuten auf unterirdische Höhlen und Gänge und rufen nach mutigen Naturfreunden und Grottenforschern ! Könnte nun nicht gerade das Gottscheer Jubeljahr, das die Aufmerksamkeit weitester Kreise auf die Besonderheiten und Merkwürdigkeiten unseres Heimatländchens lenken soll, den Anlaß zur Schaffung einer Organisation bilden, die sich die planmäßige Erforschung der Gottscheer Höhlenwelt zur Aufgabe zu stellen hätte? Hier ist noch heimatkundliches Neuland. Pioniere heraus ! Der Erfolg sachgemäßer, zielbewußter Arbeit kann nicht ausbleiben, zu Ehr´und Nutzen unserer Heimat ! Zum Schlusse dürfte es unsere Leser auch interessieren, etwas Näheres über die Persönlichkeit des ersten Durchforschers und Bewunderers der Seeler Grotte zu erfahren. Es mögen daher hier noch einige kurze biographische Daten über Nagel (nach Dr. Constant von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich (Wien 1869) Aufnahme finden: Joseph Anton Nagel war zu Rittberg in Westfalen am 3. Februar 1717 geboren. Er besuchte die Humanitäts- und philosophischen Kollegien der hohen Schule zu Paderborn, kam 1740 nach Wien, setzte vorerst hier seine Studien fort und erhielt nach einem kurzen Aufenthalte in Brünn die Stelle eines Rechnungsrevisors bei dem oberungarischen Salzbergwerke in Soowar. In Würdigung seiner hervorragenden mathematischen und naturwissenschaftlichen Kentnisse wurde er im Jahre 1748 von Kaiser Franz I. nach Steiermark und Krain berufen, um über die dortigen Naturprodukte sich Kenntnis zu verschaffen und sodann über die Ergebnisse seiner Studien zu berichten. Nagel löste die ihm gestellte Aufgabe mit großem Geschick und wurde daraufhin zum Hofmathematikus ernannt. Worin seine Obliegenheiten in diesem Amt bestanden, ist nicht bekannt. Zum Behufe naturwissenschaftlicher Studien machte Nagel in der Folge auf kaiserliche Kosten große Reisen durch Frankreich, England und Holland, dann durch Ungarn und Tirol und wurde nach dem Erdbeben von 1768 von Kaiserin Maria Theresia in das Schneeberggebiet entsendet, um dort die Wirkungen des Bebens zu studieren. 1772 erhielt er die Aufsicht über das physikalische Hofkabinett, die Direktion des physikalischen und mathematischen Studiums an der Wiener Hochschule und unter einem das Präsidium der philosophischen Fakultät. Nagel war vielfach wissenschaftlich tätig, wenngleich auch nur ein geringer Teil seiner gelehrten Arbeiten in Druck erschienen ist. Er erweist sich als ein umsichtiger Beobachter rätselhafter, durch den Volksaberglauben entstellter Naturerscheinungen, welche er genau untersucht, wobei er die Grundlosigkeit der über sie im Volksmunde lebenden Gerüchte zu widerlegen bemüht ist, so daß seine Arbeiten schätzbare Materialien zur Topographie und Kulturgeschichte Österreichs im 18, Jahrhunderte bilden. Er steht mit seinen Arbeiten in der Reihe der Vorkämpfer des 18. Jahrhunderts für die Naturwissenschaft, deren Österreich einige aufzuweisen hatte, und stellt sich selbst als einen mutigen Forscher und Prüfer unheimlicher Naturerscheinungen schon zu einer Zeit dar, in welcher das Studium der Naturwissenschaften noch in der Wiege lag. Nagel scheint um das Jahr 1800 in Wien gestorben zu sein. Daß die Seeler Grotte die Aufmerksamkeit dieses gelehrten, weitgereisten Mannes auf sich lenkte, ist das beste Zeugnis für die Berechtigung des Anspruches der Grotte auf einen besonderen Rang unter den Naturmerkwürdigkeite Krains. (Sektionschef R. Benedikter, Jubiläums - Festbuch der Gottscheer 600 - Jahrfeier, 1930) www.gottschee.de |