Industrielle Betätigungen, von Hugo Grothe, 1931


Fast ein Jahrhundert alt sind die Bemühungen, im Gottscheer Lande eine Industrie aufzubauen. Bestand hatten nur solche Schöpfungen, die aus den Naturschätzen des Landes ihr zu verarbeitendes Material nehmen konnten, nämlich Holz, Erde und Kohle. Und doch ist die Begründung einer Industrie, die dem dort wohnenden Menschen eine sichere Erwerbsmöglichkeit bietet, eine der Hauptgrundlagen für die Erstarkung der Wirtschaftskraft der Gottscheer Bevölkerung.

Auf das Jahr 1835 geht die Einrichtung einer Glashütte zurück, die in Karlshütten auf einer Hochfläche in gleicher Entfernung von den Talungen von Suchen und von Göttenitz-Rieg durch Wiener Unternehmer (Gebrüder Ranzinger) ihre Entstehung fand. Nach kaum 20 Jahren erfolgte ihre Auflassung, da die Betriebsunkosten die erzielten Einnahmen bedeutend überschritten. Das zur Glas Verhüttung notwendige Rohmaterial, der Kies, mußte von weit her herangebracht und die erzeugte Ware auf große Entfernungen mit Tragtieren über schlechte Wege bis nach Triest verfrachtet werden. Man ging 1856 an eine Verpflanzung in die Nähe von Gottschee, doch hier kam die Glashütte auch zu keinem längeren Gedeihen, obwohl man eine Anzahl fachkundiger Glasarbeiter aus Steiermark herangezogen hatte. 1888 war auch die Gottscheer Glasfabrik zur Einstellung des Betriebes verurteilt.




Glashütte Gebr. Ranzinger


Weit bessere Entwicklung nahmen die Unternehmungen holzindustrieller Art, deren Entstehung und Absatzmöglichkeiten, wie sie im Gefolge der Bahnbauten Laibach-Triest (1857 eröffnet) und der Unterkrainer Bahnen sich entfalten konnten.

Töpferei, Ziegel- und Zementfabrikation fußt auf Ausnutzung der verschiedenartigen Erden des Gottscheer Landes. Die Töpferei hat auffallenderweise in der Sprachinsel selbst nicht Fuß gefaßt, obwohl das Material dafür nahe der Stadt Gottschee vorhanden ist. Bei Seele und Schalkendorf lagert, meist oberhalb der Kohlenflöze, ein grauer und rötlicher Lehm, der von dort in das Reifnitzer Becken befördert wird. Die Ortschaften Niederdorf und Rakitnitz widmen sich dort unter Benutzung dieser Lehmerde einer ziemlich regen hausindustriellen Töpferei, deren kunstlose, aber brauchbare und billige Erzeugnisse im Gottscheer Land und nordwärts von Reifnitz bis nach Laibach hin gesucht sind.



Genossenschaftsziegelei


Die mit großen Hoffnungen 1910 in Gottschee eröffnete Ziegelei kam zu keinem rentablen Arbeiten. Wahrscheinlich war ein mangelndes Absatzgebiet für Bauziegel die Ursache des Mißlingens eines größeren Ziegeleibetriebes. Große Teile des Gottscheer Landes halten noch am Holzbau fest, für den ihr Waldbesitz billiges Material liefert. Dagegen arbeiten einige Fabriken für Zementdachziegel bei Mösel, Lienfeld und Rieg mit Erfolg.

Der bedeutendste Industriezweig im Lande ist seit 1892 die Gewinnung von Braunkohle durch die Trifailer Kohlenbergwerkgesellschaft. Der Natur dieses Gottscheer Braunkohlenbeckens wie der Entstehung der Lignite ist schon gedacht. Die Flöze ruhen in sechs gleichmäßig gelagerten Schichten verschiedener Dichte und zeigen eine durchschnittliche Stärke von 10 Metern, eine höchste Mächtigkeit von 36 Metern. Die Ausnutzung der oberen drei Flöze geschieht auf dem Wege des T a g b a u s, während die unteren, bis zu 90 Meter Tiefe reichenden grubenmäßig gefördert werden. Die Mächtigkeit der Braunkohlenlager von Gottschee (165 Millionen Meterzentner) sichert bei einer Jahresförderung von 2 Millionen Meterzentnern für 90 Jahre eine befriedigende Ausbeute.




Kohlenbergwerke Gottschee, 1902


Für die Wirtschaft Gottschees hat das Trifailer Braunkohlenbergwerk nicht unerhebliche Bedeutung, und zwar als Konsumentin aller Art von Holzerzeugnissen der Gottscheer Landschaft, wie als Brotgeberin von 400-500 Arbeitern. Diese kommen teils aus den umliegenden Dorfschaften, teils haben sie Werkswohnung in einer Anzahl von der Gesellschaft errichteten Arbeiterhäusern inne.

Unter den Bergleuten dieses Kohlenbergbaus sind nicht sehr viele Gottscheer zu finden. Sie haben zu dieser Beschäftigung - ebenso wie zur Holzfällerei als Arbeiter der Auerspergschen Forstverwaltung - keine sonderliche Neigung. Sie ziehen den Hausiererwerb vor. So hat sich in den Dörfern östlich der Stadt mancher slowenische und kroatische Arbeiter angesiedelt.

Größeres Gefallen und mehr Geschick scheint der Gottscheer der Hausindustrie entgegenzubringen. So war in den Ortschaften Lichtenbach, Kummerdorf und Altfriesach um 1850 die Loden-Erzeugung entstanden, die durch mehrere Jahrzehnte guten Verdienst brachte. Die erste kleine Lodenfabrik wurde von einem jungen Gottscheer im Jahre 1843 eingerichtet, der auf seinen Hausierfahrten in Böhmen die dortige Lodenerzeugung geschickt beobachtet hatte. Das maschinell hergestellte weiße, schwarze und gemusterte Lodentuch fand in Kroatien und Dalmatien bald Liebhaber.



Lodenindustrie Michael Lackner, gegr. 1843


Die steigenden Preise der Schafwolle und der zunehmende Wettbewerb legte leider diese neben der Holzwarenanfertigung einzige nennenswerte Hausindustrie lahm. Zu Beginn des Weltkrieges fristeten nur einige kleine Lodenwerkstätten noch kümmerlich ihr Dasein. Heute sind sie völlig verschwunden.

Der jüngste Industriezweig, der sich in Gottschee festsetzte, ist die Textilindustrie. Einer um 1910 begründeten älteren Fabrik hat sich 1928 eine "Kocevje, tekstilna industrijska druzba" zugesellt, die von tschechischem Kapital begründet wurde.



Tekstilana Kocevje


Es sind von ihr nahe dem Bahnhof mehrere stattliche Gebäude aufgeführt worden. Ob der Gottscheer und die Gottscheerin sich entschließen, als Weber und Weberinnen in größerer Zahl ihr Brot zu suchen, läßt sich noch nicht übersehen. Zu wünschen wäre dies jedenfalls. Gottscheer Kreise glauben, daß die Bewohnerinnen der Dörfer zu dieser Beschäftigung Veranlagung und Geschmack zeigen würden, und denken fürsorgebereit an die
Errichtung eines Heims, in dem die Gottscheer ländlichen Arbeiterinnen während des Stadtaufenthaltes wohlfeile Unterkunft, finden könnten. Werden für die Bevölkerung des Gottscheer Landes neue Nährquellen ausfindig gemacht, entfällt ein wichtiges Moment, das zahlreiche Gottscheer in die Ferne treibt.

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