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     20.
            Jahrhundert / II.,
            Jahrhundertbuch der Gottscheer, Dr. Erich Petschauer, 1980.   
       
       
           
        Der
            Tragödie
          letzter Akt 
         
        Was nun kam, trieb die Gottscheer in ein Dickicht kaum verhüllter 
        Gewalt und unverschleierten Terrors. Ein Jahrhundertbericht kann über 
        ihre letzten Jahre auf dem Boden des alten ortenburgischen Urwaldlehens 
        nicht hinweggehen, etwa weil man irgendwo nur ungern an die Anschläge 
        auf die Freiheit, die Menschenwürde und -rechte im Gottscheerland 
        erinnert wird oder weil sie mit dem Nationalsozialismus zusammenhängen. 
        Sie spielten sich auf drei Ebenen ab. Ebensowenig steht der gewissenhafte 
        Historiker vor der Frage, ob er das, was die Slowenen den Gottscheern 
        antaten, was den Slowenen von Seiten des Deutschen Reiches geschah und 
        was schließlich die Gottscheer selbst unternahmen, um zu überleben, 
        verschweigen, beschönigen oder manipulieren wolle. Ihm ist vielmehr 
        aufgegeben, den Untergang der Sprachinsel Gottschee nach Möglichkeit 
        leidenschaftslos, wenn auch nicht kritiklos, darzustellen. 
         
        Wie man die Entwicklungen, Ereignisse und Entscheidungen der beteiligten 
        Persönlichkeiten und Institutionen auch dreht und wendet, das Gottscheerland 
        gerät unaufhaltsam in die tragische Verstrickung, aus der kein Weg 
        herausführt. Alles, was die Gottscheer fortan tun, ist falsch. 
         
        Die Banschaftsverwaltung in Laibach zog die Zügel bald straffer an. 
        Der "Schwäbisch-deutsche Kulturbund", die kulturelle Organisation 
        der Deutschen in Jugoslawien, hatte auch in Gottschee mehrere Ortsgruppen 
        gegründet. Er wurde verboten. Damit war auch der Gottscheer Jugend 
        die legale Grundlage für ihre Kulturarbeit entzogen. Das Verbot war 
        auf die Beobachtung der Sicherheitsbehörden zurückzuführen, 
        daß junge Gottscheer mit jungen Reichsdeutschen Verbindung aufnahmen 
        und hielten. Unter diesen befand sich im Sommer 1933 ein Philologie-Student 
        namens Volker Dick, ein Pfarrerssohn aus Freiburg im Breisgau. Er widmete 
        sich zunächst der Mundart und durchwanderte das "Ländchen" 
        zu Studienzwecken. Er unterhielt sich vielfach mit Bäuerinnen und 
        Bauern, auch mit jungen Leuten, und sammelte Material für seine Arbeit. 
        Dabei fiel ihm auf, daß hier weniger die sprachwissenschaftliche 
        Diskussion, als vielmehr ein neues, wirtschaftliches Denken not tat. Ohne 
        dazu von einer Dienststelle oder Organisation in Deutschland aufgefordert 
        oder beauftragt worden zu sein, machte er es sich zu seiner persönlichen 
        Aufgabe, in der Jugendbewegung das Interesse dafür zu wecken. 
         
         
          
        Schwäbisch-Deutsche
Kulturbund, Gottschee, 1940         
         
         
        Bereits bei seinem nächsten Besuch stellte er einen "Aufbauplan" 
        zur Diskussion. Er sollte den weiteren wirtschaftlichen und kulturellen 
        Verfall als Folge der Auswanderung, Unterdrückung und Entmutigung 
        der Bevölkerung aufhalten. Dick fand damit bei der ländlichen 
        Jugend viel, bei der Volksgruppenführung in der Stadt einiges Verständnis. 
         
        Die Volksgruppenführung war keine öffentliche Einrichtung, die 
        durch Wahlen oder Berufung zustandegekommen war, sondern sie bestand in 
        der Spitze aus zwei Männern, 
        auf die man kraft ihrer Persönlichkeit allgemein hörte und die 
        vorübergehend auch amtliche Funktionen ausübten; Rechtsanwalt 
        Dr. Hans Arko aus der Stadt Gottschee und Geistlicher Rat Josef Eppich, 
        Pfarrer in Mitterdorf. Pfarrer Eppich gehörte durch Wahl seit 1927 
        dem "Gebietsausschuß" - entsprach etwa einem Landtag in 
        Österreich - als Vertreter der Gottscheer Wähler an. Die realen 
        Möglichkeiten, für seinen "Wahlkreis" etwas zu tun, 
        waren gleich Null. Dr. Arko war vorübergehend stellvertretender Bezirksvorsitzender 
        der 1929 von König Alexander I. verordneten "Staatspartei". 
        Auf das Parteigefüge in der Bundesrepublik Deutschland bzw. in der 
        Republik Österreich übertragen, wäre sie heute den Christlich-Sozialen, 
        der Österreichischen Volkspartei bzw. einer liberal-demokratischen 
        Richtung zuzuordnen. 
         
         
          
        Geistlicher
        Rat Josef Eppich, Pfarrer
        August Schauer,
        1930 
         
         
        Die beiden Männer befürchteten angesichts der Versteifung des 
        slowenischen Kurses gegenüber der Sprachinsel, daß die Jugend 
        in ihrer Kulturarbeit Äußerlichkeiten der Hitlerjugend nachahme. 
        Die ersten Zeichen deuteten sich 1934 bereits an. Arko und Eppich hielten, 
        trotz der schlechten Erfahrungen seit 1918, immer noch an dem Grundsatz 
        der Staats- und Volkstreue fest. Die erwartete Aktivität der Jugend 
        kam und war anscheinend nicht aufzuhalten. Allerdings blieb sie ihrem 
        Wesen nach und hinsichtlich der Inhalte der Kulturarbeit gottscheerisch. 
        Die Heimabende, die Gesprächs- und Diskussionsstoffe, selbst das 
        Singen waren auf die Traditionen der Heimat gerichtet. Bei Zeltlagern 
        und Wanderungen wurden zwar bekannte, deutsche Wanderlieder, auch zackige 
        Lieder der deutschen Staatsjugend gesungen, es wurden aber auch mehr und 
        mehr Mundartlieder ausgegraben, ja, einige neue Mundartlieder breiteten 
        sich rasch über das ganze Siedlungsgebiet aus, weil sie den echten 
        gottscheerischen Volksliedcharakter besitzen und nicht der Hektik der 
        dreißiger Jahre entsprangen. Der junge Bauernsohn Peter Wittine
        aus Rieg war der Verfasser. 
         
        1935 geschah etwas scheinbar Bedeutungsloses. Ein Gymnasiast namens Willi
        Lampeter aus Mitterdorf wurde vom Gymnasium in Gottschee verwiesen. Sein
        Direktor war der Ansicht, er habe sich als Schüler eines slowenischen 
        Gymnasiums doch etwas zu sehr für nationale deutsche Belange eingesetzt, 
        auch wenn er seiner Abstammung nach Gottscheer sei. Für Lampeter 
        war die Relegierung eine Aufforderung, sich nun erst recht national-politisch 
        hervorzutun. Innerhalb weniger Monate galt er als der Exponent der Gottscheer 
        Jugend, die allmählich zu erkennen gab, daß sie sich allein 
        für die Zukunft des Gottscheerlandes verantwortlich fühlte und 
        die Ablösung der alten Führung zum gegebenen Zeitpunkt anstrebte. 
        Gerechterweise muß hervorgehoben werden, daß der Ruf nach 
        einer geistigen und wirtschaftlichen Neuorientierung im Rahmen der Traditionen 
        des Gottscheerlandes nicht erst von der Jugend, die auf die mächtigen 
        Anstöße von außen reagierte, gefordert wurde. 1931 schrieb 
        der "Gottscheer Kalender", den Pfarrer August Schauer in Nesseltal 
        herausgab und inhaltlich gestaltete: "Der Gottscheer Bauer muß 
        seinen Blick wieder der Heimat zuwenden. Er muß wieder Vertrauen 
        zu seiner Scholle bekommen und aus seiner Lethargie gerissen werden, indem 
        die Gottscheer Landwirtschaft aus ihrer bisherigen Isolierung herausgeführt 
        und Produktion wie Absatz auf genossenschaftlicher Basis organisiert werden." 
        Klare Vorstellungen, wie dies vonstatten gehen sollte, brachte allerdings 
        erst der "Aufbauplan". 
         
        Das Projekt, das Volker Dick mit der Jugend diskutierte, ging folgerichtig
        davon aus, daß aus den uns bekannten Gründen zu wenig Arbeitskräfte 
        zurückgeblieben waren, 
        um bei gleichbleibenden landwirtschaftlichen Produktionsmethoden den stark 
        abgesunkenen Lebensstandard den gestiegenen Ansprüchen anzupassen. 
        Darüber hinaus sollte der "Aufbauplan" - und dieses Ziel 
        wurde immer wieder stark betont - einen auch materiell begründeten 
        Anreiz zum Bleiben in der Heimat bewirken. 
         
        Führen wir uns noch einmal den verhängnisvollen Kreislauf, der 
        zu der katastrophalen, durch die Weltwirtschaftskrise verstärkten 
        Notlage geführt hatte, vor Augen: Der Gottscheer Bauer hatte wegen 
        des Arbeitskräftemangels das fortwährende Roden vernachlässigt 
        und vor allem auf den Hutweiden und höher gelegenen Hügeln dem 
        Wald den Vortritt gelassen. Das Futterangebot sank, als weitere Folge 
        ging der Viehbestand entscheidend zurück. Weniger Milch und Dünger 
        waren das Ergebnis. Weniger Dünger bedeutet weniger Feldertrag und 
        Verminderung der Anbaufläche. Schlußfolgerung: Die Abwanderung 
        stieg weiter. 
         
        Der "Aufbauplan" kehrte diese rückläufige Entwicklung 
        einfach um: Neurodung der Hutweiden und Wiesen = mehr Vieh = mehr Milch 
        und Kälber = mehr Dünger = mehr Anbaufläche = insgesamt 
        Steigerung des Umsatzes auf dem Bauernhof. Der Plan sah ferner die Hereinnahme 
        ertragreicherer Obstsorten und die konsequentere Pflege der Obstbäume, 
        wie die Verwertung der Obsternten durch Süßmosterei vor. Fachleute 
        zum Ausbau dieses Wirtschaftszweiges wurden aus Deutschland geholt. Systematisch 
        sollte außerdem der Fremdenverkehr ausgebaut werden. Zu diesem Zweck 
        wurden aussichtsreiche Verhandlungen mit einem deutschen Reisebüro 
        aufgenommen. Als ersten bemerkenswerten Anziehungspunkt für die Fremden 
        baute die Jugend in dem idyllisch gelegenen Walddorf Pogorelz einen befestigten 
        Weg. Als weitere Leistung im freiwilligen Arbeitsdienst befestigte sie 
        den Wanderweg von Morobitz auf die Krempe, den schönsten Aussichtspunkt 
        des Gottscheerlandes in das schluchtartig eingeschnittene Kulpatal und 
        die Berglandschaft Kroatiens, dann in der Nähe von Altfriesach eine 
        Skihütte, und als Krönung baute die Jugend des Oberlandes ein 
        Kulturheim in Mitterdorf. Da gab es eine herbe Enttäuschung. Am Vorabend 
        der Einweihung dieses Heimes wurde ein bei der Behörde angemeldeter 
        Fackelzug durch Mitterdorf veranstaltet. Dieser wurde von auswärts 
        herbeigeholten slowenischen Jugendlichen brutal beendet. Mit Schlagstöcken, 
        Zaunlatten, Prügeln und anderen "Geräten" bewaffnet, 
        brachen sie aus der Finsternis und schlugen Frauen und Kinder nieder. 
        Die anwesenden Gendarmen schritten nicht ein. Die Gottscheer, auf eine 
        solche Tat nicht gefaßt, konnten sich gar nicht verteidigen, denn 
        bevor die männlichen Teilnehmer auch nur ihre Fäuste gebrauchen 
        konnten, waren die Spukgestalten wieder im Dunkeln verschwunden. - 
         
        Ein ständig fließendes und sicheres Einkommen sollten zwei 
        genossenschaftliche Einrichtungen, die für das "Ländchen" 
        neu waren, den Bauern bringen: Koppelweiden und eine moderne Molkerei. 
        Die Musteranlage einer Koppelweide wurde, wiederum als freiwillige Gemeinschaftsleistung 
        der Jugend, im Ortsbereich von Hohenegg/Katzendorf angelegt. Eine auf 
        die Maße des Gottscheers zugeschnittene Molkerei ging in die Planung. 
        - Um auch den Mädchen und Frauen einen dauernden Nebenverdienst zu 
        verschaffen, griff man auf alte Formen der Heimarbeit zurück. Das 
        farbenfrohe Besticken von Taschen- und Trachtenkopftüchern wie das 
        Weben von Gürteln wurde organisiert. Selbstverständlich wurde 
        auch die Holzschnitzerei, die älteste Form der Gottscheer Heimarbeit, 
        neu belebt. Auch für diese Wirtschaftszweige stand ein Fachmann aus 
        Deutschland zur Verfügung. Um einen Markt für diese Erzeugnisse 
        zu öffnen, wurde 1936 in Gottschee-Stadt eine Genossenschaft gegründet, 
        die den Vertrieb in Deutschland übernahm. In der Sprachinsel selbst 
        kümmerten sich um das Heimwerken besonders die Geschwister Hilde 
        und Herbert Erker aus Mitterdorf, Sophie Kren aus Ort sowie die Geschwister 
        Olga und Hans Spreitzer aus Pöllandl. Außerdem haben Herbert 
        und Hilde Erker in unzähligen Heimabenden alte deutsche und gottscheerische 
        Lieder wieder zum Klingen gebracht. 
         
         
        
        
          
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            | Neue
                Tracht  | 
            Trachtenkopftücher | 
            Stickereien | 
           
         
         
         
        Die Voraussetzung für das Gedeihen der teilweise völlig neuen 
        Wirtschaftslage war jedoch das Funktionieren der Landwirtschaft. Hier 
        war es mit Diskussionen und guten Ratschlägen allein nicht getan. 
        Man benötigte praktische Beispiele, das betriebswirtschaftliche Vormachen 
        und - Geld! Woher nehmen? Nur eines war sicher: vom jugoslawischen Staat 
        war kaum eine finanzielle Unterstützung zu erwarten. 
         
        Da hatte Dr. Hans Arko eine rettende, wiederum traditionsgebundene Idee:
        Er schlug vor, die Reichsregierung zu bitten, das Hausierpatent Kaiser
        Friedrichs III. aus dem Jahre 1492 zu erneuern und den überlieferten 
        Wanderhandel der Gottscheer in zeitgemäßer Form und Zahl wieder 
        aufleben zu lassen. Auf Dicks Betreiben erklärte sich das Reichswirtschaftsministerium 
        dazu bereit, und veranlaßte bei der inneren Verwaltung das Nötige. 
        Probeweise wurden in den Wintermonaten 1934/35 einige Dutzend ausgesuchte 
        Bauern nach Deutschland entsandt, um das Hausieren erst einmal einzuführen. 
        Der Versuch glückte im großen und ganzen. Das Hausieren lief 
        in der Form ab, wie es in diesem Buch bei der Behandlung des 19. Jahrhunderts 
        ausführlich beschrieben ist. In den drei Wintern von 1935/36 bis 
        1937/38 wurden dann jeweils rund 300 Männer zugelassen. Sie wurden 
        einzeln und in unterschiedlich großen Gruppen auf die für das 
        außergewöhnliche Unternehmen geeignet erscheinenden Städte 
        verteilt. In München arbeiteten beispielsweise 15 Mann, in Dessau/Anhalt 
        waren es zwei, oder in Schwäbisch-Gmünd einer. Die Männer 
        übten ihr Geschäft in der überlieferten Tracht aus (siehe 
        Abbildung im Buch). Sie wurden zuerst von Studenten und, von der Saison 
        1935/36 an, von Mitgliedern des VDA (Volksbund für das Deutschtum
        im Ausland) beraten und betreut. 
         
         
        
        
          
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            | Gottscheer
            Hausierer | 
            Spendenabzeichen
                - VDA, Kameradschaftsopfer
            Gottschee, 1934/1939. | 
           
       
       
       
        Organisatorisch erfaßt waren die Männer aus der Sprachinsel 
        im "Gottschee-Hilfswerk", das in Gottschee-Stadt und in Dessau/Anhalt 
        je eine Geschäftsstelle unterhielt. Die letztere wurde 1938 nach 
        Berlin verlegt. In der Heimat richtete Dr. Arko in seiner Anwaltskanzlei 
        ein Büro ein und besetzte es mit einer Fachkraft für Korrespondenz 
        und Buchhaltung. Seltsam genug für Gottschee, daß in einer 
        rein den Männern vorbehaltenen Einrichtung eine Frau die Geschäfte 
        führte, Frau Paula Suchadobnik aus der Stadt. 
         
      Die Wanderhändler aus Gottschee hatten von ihrem Reingewinn einen 
        bestimmten Prozentsatz für die Organisation des Hausierwerkes und 
        für einen Härtefond, aus dem Fehlschläge finanziell ausgeglichen 
        werden sollten, abzuliefern. Der Antragsteller mußte sich bereits 
        daheim verpflichten, seine Überschüsse gezielt in der eigenen 
        Landwirtschaft einzusetzen. Außerdem mußte er schriftlich 
        versprechen, nach Ablauf der Saison heimzukehren und nicht in Deutschland 
        zu bleiben. Der Reingewinn bewegte sich in der Regel zwischen wenigen 
        hundert und mehreren tausend Mark. Wegen der Devisenbewirtschaftung durften 
        die Hausierer ihren Verdienst nicht unmittelbar über Post oder Bank 
      überweisen, sondern die Auszahlung erfolgte über die Spar-
        und Darlehenskasse in Gottschee.
        Die Überschüsse 
        des "Härtefonds", der kaum einmal in Anspruch genommen 
        werden mußte, waren als Grundstock für den Bau der Molkerei 
        bestimmt. Die Pläne für den Bau und das Netz von 22 Abrahmstationen 
        waren 1938 fertig. Mit ihrer Ausführung sollte 1943 begonnen werden. 
         
        Wie aber stand es mit den praktischen Beispielen? Dick schlug vor, Jungbauern 
        bzw. Bauernsöhne zur landwirtschaftlichen Ausbildung nach Deutschland 
        zu schicken. Willie Lampeter aus Mitterdorf und Martin Sturm aus Loschin 
        setzten diesen Gedanken in die Tat um. Die beiden jungen Männer hatten 
        sich bis 1937 als unumstrittene Führer der bäuerlichen Jugend 
        durchgesetzt. Wer genauer hinsah, konnte beobachten, daß sich Lampeter 
        eine disziplinierte Gefolgschaft herangezogen hatte. Die jungen Männer, 
        die er nun zur landwirtschaftlichen Ausbildung nach Deutschland schickte, 
        gehörten diesem Kreis an. Volker Dick bereitete auch ihnen die Wege. 
        Die Ausbildung in den modernen landwirtschaftlichen Betriebsmethoden geschah 
        auf der Rauhen Alb, wo sie ähnliche klimatische und bodenqualitative 
        Voraussetzungen wie in der Heimat antrafen. Sie arbeiteten im Sommer 1937 
        auf hierfür ausgewählten Höfen. Danach faßte Willi 
        Lampeter die rund 60 Mann zu einer "Winterschule" zusammen. 
        Sie hatte den Zweck, den künftigen Musterbauern das theoretische 
        Rüstzeug für ihre wirtschaftlichen Führungsaufgaben zu 
        vermitteln. 
         
        Dr. Arko und Pfarrer Eppich befanden sich angesichts dieser Aktivitäten 
        - auf das Gottscheerland bezogen - in einer innenpolitisch schwierigen 
        Lage. Auf der einen Seite sahen sie mit Genugtuung den Bemühungen 
        der Jugend um die Sicherung der Zukunft des Gottscheerlandes zu, zum anderen 
        sahen sie aber auf Grund ihrer Erfahrungen voraus, daß die jugoslawischen 
        Behörden sie keinesfalls gewähren lassen würden. Da sich, 
        zum Dritten, die Jugend nichts mehr dreinreden ließ, versuchten 
        die beiden "Alten" wenigstens auf dem kulturellen Sektor gegenzusteuern 
        und - vielleicht! - noch etwas zu retten. Am 13. August 1935 überreichte 
        Dr. Arko dem neuen jugoslawischen Ministerpräsidenten Dr. Milan Stojadinavic 
        eine Denkschrift mit der Bitte, wenigstens die restlichen deutschen Schulabteilungen 
        bestehen zu lassen und dafür die erforderlichen deutschen Lehrkräfte 
        zu genehmigen. Die gleiche Denkschrift übermittelte er im Oktober 
        1935 der Banschaftsverwaltung in Laibach. Diese gab erst im Herbst 1936 
        eine Antwort dahingehend, sie könne so lange für Gottschee nichts 
        tun, wie in Kärnten Slowenen entnationalisiert würden. Pfarrer 
        Eppich unternahm darauf in Wien und Klagenfurt Vorstöße mit 
        dem Ziel, die paritätische Behandlung der slowenischen Minderheit 
        in Kärnten und in der Gottschee zu erreichen. Den Kärntner Slowenen 
        wurde volle Kulturautonomie angeboten, der Chef der Banschaftsverwaltung 
        in Laibach aber war nicht einmal bereit, eine Vertretung der Gottscheer 
        anzuhören. Er begründete seine ablehnende Haltung mit der Bemerkung, 
        die Banschaftsverwaltung sei hierfür nicht zuständig. Hier trat 
        das slowenische Gesamtkonzept in Sachen Gottschee abermals zutage. Der 
        Banus erklärte sich für die Minderheitenrechte der Gottscheer 
        für nicht zuständig, wohl aber für jene der Slowenen in 
        Kärnten. 
         
         
          
Jugoslawischer Ministerpräsident Stojadinovic 
         
         
        Von Seiten des Ministerpräsidenten Stojadinovic erging überhaupt 
        keine Antwort an Dr. Arko. In der großen Politik galt er jedoch 
        als deutschfreundlich. Möglicherweise war daher seine Hand im Spiel, 
        als im Sommer 1935 die Zügel, die man dem "Schwäbisch-deutschen 
        Kulturbund" angelegt hatte, gelockert wurden.  
         
        Daß man in Laibach das Gesamtkonzept zur Beseitigung der Sprachinsel 
        Gottschee schließlich auch auf den wirtschaftlichen Sektor ausdehnte, 
        bewies im Juni 1936 der Erlaß eines "Grundverkehrsgesetzes". 
        Es bestimmte, daß jeder Besitzwechsel innerhalb einer 50-km-Zone 
        entlang der Staatsgrenze vom Kriegs- bzw. Innenministerium genehmigt sein 
        müsse. Dieses Gesetz bedeutete, obwohl Gottschee innerhalb der 50-km-Sperrzone 
        lag, noch keinen lebensbedrohenden Eingriff. Dieser wurde allerdings bereits 
        im Dezember im Rahmen der Durchführungsbestimmungen nachgeholt. Darin 
        wurde eine Kommission eingesetzt, die von Fall zu Fall zu prüfen 
        hatte, ob der jeweilige Besitzwechsel im Interesse des Staates lag oder 
        nicht. Mit anderen Worten: Ein Besitzwechsel der Gottscheer untereinander 
        war nunmehr ausgeschlossen. Was beabsichtigt war, zeigte die Praxis sehr 
        bald. Frei gewordene Besitze von Gottscheern konnten von Slowenen für 
        ein Spottgeld erworben werden. Die slowenischen Jugendorganisationen "Sokol" 
        und "Orjuna" unterstrichen die Maßnahmen der Behörden 
        mit verbalen Drohungen, deren geschmackloseste lautete: "Wir werden 
        den Hauptplatz in Gottschee mit euren Köpfen pflastern." 
         
        Die rechtliche Unsicherheit erreichte immer neue Höhepunkte. Dr. 
        Michitsch umreißt sie in der Kulturbeilage Nr. 58 der "Gottscheer 
        Zeitung" wie folgt: 
         
        "Rechtsunsicherheit, mangelnder Rechtsschutz gegen Ermessensmißbrauch, 
        Fehlen einer innerstaatlichen Instanz, die bei einer Verletzung des Minderheitenschutzes 
        hätte befaßt werden können, die Völker- und staatsrechtlich 
        völlig unzulässige Diskriminierung der nationalen Minderheit 
        durch Verordnungen und Dekrete behördlicher Willkür." 
        Die Praxis dieser "Rechtslage", der Widerstand gegen dieses 
        System der Unterdrückung, wuchs namentlich bei der Jugend. Sie hatte 
        einen Weg gesucht und gefunden, den weiteren wirtschaftlichen Verfall 
        aufzuhalten, weil sie es als ihr legitimes Menschenrecht ansah, nicht 
        tatenlos zuzusehen, wie die Heimat von politischen Mächten zugrundegerichtet 
        wurde. Sie fand auch einen Weg, um wenigstens notdürftig einen kulturellen 
        Ausgleich zu schaffen. Ein unsichtbares Ringen um die Mundart und die 
        Schriftsprache hatte eingesetzt. Wo dies möglich war, erteilten die 
        wenigen Geistlichen jungen und älteren Menschen deutschen Sprachunterricht. 
        Hunderte von Fibeln tauchten auf und gingen von Hand zu Hand. 
         
         
          
Oberschulrat Hermann Petschauer, Bürgermeister Franz Lusser, Dr. Viktor
Michitsch 
 
        Immer lauter erhob sich in den Jahren 1936 und 1937 der Vorwurf gegen 
        die alte Führung, sie tue zu wenig zur Durchsetzung der Lebensrechte 
        und der kulturellen Forderungen der Gottscheer. Die Jugend meinte, sie 
        selbst könne durch energischeres Auftreten eine Änderung der 
        staatlichen jugoslawischen Minderheitenpolitik in Gottschee erzwingen. 
        1938 hielt Lampeter dann die Zeit für gekommen, die Volksgruppenführung 
        zu übernehmen. Er ging allerdings von einem entscheidenden Trugschluß 
        aus: Ohne daß es ausgesprochen wurde, erwartete er, das Deutsche 
        Reich werde das betont zielstrebige Auftreten einer jungen Volksgruppenführung 
        gegenüber dem jugoslawischen Staat offiziell abdecken. In einem Punkt 
        schien es freilich so zu sein. Im November 1938 erhielt Dr. Hans Arko 
        von der "Arbeitsstelle" Gottschee im VDA, Berlin, die Mitteilung, 
        er sei als Volksgruppenführer abgesetzt. Woher die Initiative zu 
        diesem Brief kam, war leicht zu erraten. Daheim warf man dem Abgesetzten 
        unter anderem noch Vetternwirtschaft bei der Auswahl der Hausierer vor. 
        Verbittert resignierte der Rechtsanwalt. Er hatte nicht einmal die Möglichkeit 
        erhalten, in angemessener Form freiwillig abzutreten. Der geistliche Rat 
        in Mitterdorf aber wartete 
        nicht erst ab, bis die Reihe an ihm war. Er übergab zum 1. Jänner 
        1939 die Schriftleitung der "Gottscheer Zeitung" an einen jungen 
        Mann, den Berufsjournalisten Herbert Erker. Seine journalistische Ausbildung 
        hatte er beim "Deutschen Volksblatt", der Tageszeitung der Deutschen 
        in Jugoslawien, in Neusatz (Novi sad) erhalten, deren Hauptschriftleiter 
        war ja der Gottscheer Dr. Franz Perz aus Mitterdorf. 
         
        Ein dreiköpfiges Gremium, bestehend aus Kaufmann Josef Schober (Stadt 
        Gottschee), Willi Lampeter und Martin Sturm, wurde geschaffen. Schober 
        übernahm den Vorsitz und wurde künftig als "Volksgruppenführer" 
        bezeichnet. Er war bis dahin im öffentlichen Leben kaum hervorgetreten. 
        Die Tatsachen sollten auch bald beweisen, daß der noch jugendliche 
        Lampeter (Geburtsjahr 1919) den wesentlich Älteren lediglich als 
        Aushängeschild benutzte. Die zahlreiche Anhängerschaft Lampeters 
        aber fühlte sich durch die neue Entwicklung in ihren Ansichten, Absichten 
        und Leistungen bestätigt. 
         
        Eine der ersten Maßnahmen des neuen Führungsgremiums war die 
        Überreichung einer Ergebenheitsadresse an den deutschen Konsul in 
        Laibach. Darin hieß es unter anderem, die Gottscheer seien bereit, 
        Weisungen aus dem Reich entgegenzunehmen. In die politische Wirklichkeit 
        übertragen sollte das jedoch nicht bedeuten, daß sie auf ihre 
        gewachsene Traditionen verzichten wollten. Sie sympathisierten zwar mit 
        den "Erneuerern" im donau-schwäbischen Raum, ohne jedoch 
        auf ihr politisches Konzept bedingungslos einzugehen. "Die Gottscheer 
        Führung hatte ganz klare, politische Vorstellungen", erläuterte 
        der damals 19jährige Jugendführer in Gottschee, Richard Lackner, 
        Erich Petschauer 1973 in einem Gespräch über die dreißiger 
        Jahre und fuhr fort: "Wir wußten, daß wir auf keinen 
        Fall Einfluß auf allgemein politische und staatspolitische Veränderungen 
        nehmen konnten, und unsere ganze Konzeption war auf der Tatsache aufgebaut, 
        daß wir uns als Sprachinsel im jugoslawischen Königreich befinden, 
        daß wir aus dieser Situation heraus tätig sein müssen, 
        um den Untergang, die Vernichtung von Gottschee zu verhindern." 
        Trotz der Ergebenheitsadresse und der vordergründigen programmatischen 
        Einordnung in die Zwänge des großen politischen Kraftfeldes 
        bewahrte sich die neue Führung innerlich einen gewissen Vorbehalt 
        hinsichtlich der Handlungsfreiheit der Gottscheer. Er klingt auch bei 
        Richard Lackner 1973 noch nach: "... weil wir aus einem sehr eigenständigen 
        Denken und eigenständiger Sicht unsere Sache selbst machen wollten. 
        Wir wollten den Typ des Gottscheers schaffen, der bereit war, die Erneuerung 
        seiner Heimat mitzumachen." 
         
        Berlin, 1. September 1939. Hitler greift Polen an. Drei Wochen später:
         Die Republik Polen existiert nicht mehr. 
          
          
        
        
          
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            Linienschiff "Schleswig-Holstein"  
      beschießt die
      Westerplatte  
      bei Danzig  | 
            Deutsche
                Soldaten 
      an 
      der
      polnischen  
      Grenze | 
            Hitler
                verkündet  
            den Überfall auf Polen, 1.09.1939 | 
           
               
                          
                  Berlin, 6. Oktober 1939. Hitler gibt in einer Reichstagsrede bekannt,
          er halte es für notwendig, die Nationalitäten in Europa umzusiedeln, 
          damit die Grenzen zwischen den Völkern genauer gezogen werden könnten. 
          Das deutsche Volk werde seine Vorposten zurückziehen. Daß ihm 
          damit ernst zu sein schien, wurde tags darauf deutlich. Er ernannte den 
          Reichsführer SS, Heinrich Himmler, zum "Reichskommissar für 
          die Festigung deutschen Volkstums". Die neue Aufgabenstellung Himmlers 
          war so neu nicht mehr, wie sich an der von langer Hand vorbereiteten Südtiroler 
          Umsiedlung erwies. Der mit den Italienern ausgehandelte Umsiedlungsvertrag 
          war im Juni 1939 in Kraft getreten, die Verhandlungen mußten
          also bereits Monate vorher begonnen
          haben. Im August und September 1939 richteten sich die italienischen
          und
          deutschen Umsiedlungsdienststellen in Südtirol ein.              Die deutschen Volksgruppen in Ost- und Südosteuropa gerieten in Panik. 
          Sie nahm auch in Jugoslawien Ausmaße an, daß sich der deutsche 
          Gesandte in Belgrad genötigt sah, im "Deutschen Volksblatt" 
          die wenig glücklich formulierte Erklärung abzugeben, die Umsiedlung 
          der Deutschen aus Jugoslawien sei "nicht aktuell". 
           
           
                      
          Heinrich
      Himmler (1900-1945),       einer der Hauptverantwortlichen für den millionenfachen Mord an
      den europäischen Juden 
           
           
          Heinrich Himmler hatte durch die Ernennung zum "Reichskommissar für 
          die Festigung deutschen Volkstums" erheblichen Machtzuwachs erfahren. 
          Zur Steuerung des neuen Arbeitsgebiets errichtete er in Berlin das "Stabshauptamt" 
          und unterstellte es dem damaligen Brigadeführer Ulrich Greifelt. 
          Dem Reichskommissar wurden auch die volkspolitisch tätigen Organisationen 
          im deutschen Reich unterstellt, vor allem die "Volksdeutsche Mittelstelle" 
          (VOMI), die dem "Stab des Stellvertreters des Führers" 
          angehört hatte, und der "Volksbund für das Deutschtum im 
          Ausland (VDA)", der sich trotz Unterstellung unter die VOMI noch 
          eine gewisse Selbständigkeit als kultureller Betreuer deutscher Menschen 
          mit fremder Staatsangehörigkeit bewahrt hatte. Die Festigung dieses
          Volkstums war nun nicht mehr gefragt. 
           
          Begreiflicherweise waren auch die Gottscheer von der Ankündigung 
          Hitlers tief betroffen. Gerüchte liefen von Dorf zu Dorf, niemand 
          wußte etwas Genaues. Die Führung der Sprachinsel schwieg. Sie 
          handelte nach außen so, als ob es keine Umsiedlung geben würde. 
          Die überraschend vorgenommene und uneingeschränkte Zulassung 
          des Kulturbundes schien ihr recht zu geben. Die jugoslawische Regierung 
          sprach die Genehmigung mit dem Hinweis aus, man sei in Kärnten den 
          Slowenen entgegengekommen. Innerhalb weniger Wochen entstanden 25 Ortsgruppen 
          des Kulturbundes, auch in Dörfern, in denen noch keine bestanden
          hatte. 
           
          Die Neuzulassung der Kulturbundorganisation gestattete es Willi Lampeter,
          einen schon länger gehegten Plan zu verwirklichen: Im Herbst 1939 
          stellte er die "Gottscheer Mannschaft" auf. Die Kulturbundsatzung 
          wurde zu diesem Zweck dergestalt umgebaut, daß jedes Bundesmitglied 
          zwischen 18 und 50 Jahren der "Mannschaft" automatisch angehörte. 
          Lampeter trat als "Mannschaftsführer" an ihre Spitze. In 
          den Ortsgruppen hießen die Leiter der Mannschaftsabteilung "Sturmführer". 
          Eine lebhafte kulturelle Tätigkeit kam rasch in Gang. Sie war verbunden 
          mit disziplinären Pflichtübungen nach dem Muster reichsdeutscher
          Organisationen. 
           
          Die zur Schau getragene, fast hektische Geschäftigkeit - bei gleichzeitigem 
          Schweigen über die Umsiedlung - bedeutete jedoch nicht, daß 
          der innere Führungskreis der Volksgruppe intern der Diskussion über 
          die Frage, umsiedeln oder nicht, auswich. Er war sich durchaus bewußt, 
          daß die Gottscheer nun nicht nur zwischen zwei, sondern zwischen 
          drei Feuern standen. Einmal waren sie immer noch mit dem Vernichtungsfeldzug 
          der Slowenen konfrontiert, zum anderen glaubten sie, einen Weg gefunden 
          zu haben, um den Lebens- und Volkstumskampf auf dem eigenen Boden so lange 
          bestehen zu können, bis, auf die Dauer gesehen, eine gütliche 
          Lösung des Gottschee-Problems erfolgte. Jedoch drittens, just jene 
          politische Macht, die allein imstande gewesen wäre, eine solche
          zu erzielen, wollte sie irgendwohin verpflanzen. Was konnten die Gottscheer
          tun, was durften sie tun? 
           
          Die jungen Männer an der Spitze, die ja noch keine politische
      Erfahrung besitzen konnten, waren ratlos.Alle
          Diskussionen endeten in derselben Sackgasse: Es gab keinen Ausweg,
          als umzusiedeln. Der Kreis um Lampeter glaubte, wenn die Umsiedlung
          schon nicht zu umgehen war, daß er dann wenigstens auf deren
          Zielsetzung würde Einfluß nehmen können. Er beschloß,
          die diesbezüglichen Wünsche und Vorstellungen der nächsten,
          erreichbaren deutschen Instanz, dem deutschen Konsul in Laibach, vorzutragen.
          Dies geschah am 6. November 1939, vier Wochen nach der Hitlerrede.
          Frensing berichtet über das Gespräch und kommentiert es auf
          Seite 25 seines Buches über die Umsiedlung der Gottscheer wie
          folgt: 
         
        "Im ersten Punkt machten sie schon die entscheidende Konzession. 
        Auch in der Frage der Umsiedlung habe das Interesse der Volksgruppe hinter 
        dem Interesse des gesamten Volkes zu stehen. Von dieser Basis aus waren 
        die folgenden Überlegungen der Gottscheer entscheidend relativiert 
        und, zugespitzt formuliert, fast bis zur Belanglosigkeit degradiert. Die 
        Gottscheer gaben sich einer gefährlichen Illusion hin, wenn sie meinten, 
        man müsse sie erst einmal zu dem Problem hören und sie könnten 
        dann in einer konkreten, geschichtlichen Situation an den Grundsätzen 
        Hitlerscher Außen-und Umsiedlungspolitik nach ihren Vorstellungen 
        Korrekturen anbringen. Aus dem Blickwinkel nationalsozialistischen Denkens 
        mußte es daher als geradezu ketzerhaft empfunden werden, daß 
        die Gottscheer eine vom "Führer" unumstößlich 
        festgelegte Entscheidung als nicht ausreichend für eine eventuelle 
        Umsiedlung betrachteten. Die Tatsache, daß die Gottschee in die 
        italienische Interessenssphäre fällt, ist für die Volksgruppenführung 
        kein Argument, das die Absiedlung in genügendem Maße begründen 
        kann. Der Gottscheer Hinweis auf den deutsch-russischen Pakt als Beweis 
        dafür, daß sehr plötzlich ein völliger Umschwung 
        im Verhältnis verschiedener Mächte eintreten kann, entbehrte 
        gewiß nicht der peinlichen Pikanterie." 
         
        Frensing fährt weiter unten fort: "Es war der Wille der Gottscheer 
        Führung, bei einem Zerfall des südslawischen Staates, ans Reich 
        "angeschlossen" zu werden. Das hatte sich bereits 1939 während 
        der Märzunruhen unter den Volksdeutschen Sloweniens gezeigt, als 
        diese nach der Okkupation der "Resttschechoslowakei" offen den 
        Anschluß forderten. 
         
        Ein Mitglied der Gottscheer Führung hatte 
        sogar am 13. April 1939 von Graz aus ein Telegramm an Hitler mit der Bitte 
        um "Anschluß" geschickt, in
        dem die Sorge vor einer Einverleibung der Gottschee durch Italien, das
        gerade Albanien
        angegriffen hatte, anklang." 
         
        Die Gottscheer Bauern und Bürger erfuhren auch über diese Laibacher 
        Besprechung nichts. Der politische Innendruck in der Sprachinsel stieg 
        unaufhaltsam. Jedes andere Thema als die möglicherweise unausweichliche 
        Umsiedlung war in den Hintergrund getreten. Indessen wuchs aber auch die 
        Zahl der Umsiedlungsgegner. 
         
        Die "Stürme" wurden ausgebaut. Die Gendarmerie und slowenische 
        Nationalisten nahmen bei Veranstaltungen der Gottscheer wiederholt eine 
        drohende Haltung ein. In dieser spannungsgeladenen Atmosphäre erschien 
        1940 ein schmales Bändchen unter dem Titel "Die Wirtschaftsfragen 
        des Gottscheer Bauern" aus der Feder von Willi Lampeter und Martin 
        Sturm. Es wirkte wie ein kleines, tröstliches Versprechen auf die 
        Zukunft, denn es enthielt manchen guten Ratschlag für den Gottscheer 
        Bauernhof. 
         
        Nichts erfuhren die Gottscheer, diesmal einschließlich der Führung, 
        über das Spiel hinter den Kulissen in der Reichshauptstadt. Der Chef 
        der Volksdeutschen Mittelstelle, SS-Obergruppenführer Werner Lorenz, 
        hielt beispielsweise in einem Vermerk vom 27. Juni 1940 fest, daß 
        "im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Deutschland 
        und Jugoslawien zwar die Annexion von Teilen der Südsteiermark und 
        Oberkrains an das "Deutsche Reich" vorgesehen war, nicht aber 
        die der Gottschee". Auch Lorenz betrachtete selbstverständlich 
        das Gottscheerland als zur italienischen Interessenssphäre gehörig 
        und forderte konsequenterweise die Umsiedlung seiner Bewohner (Frensing, 
        S. 26). Er gab damit sicher nicht seinen eigenen Gedankengang wieder. 
        Und noch eines ist in dem Vermerk beachtenswert: Der Obergruppenführer 
        wußte bereits im Juni 1940 von einer militärischen Auseinandersetzung 
        mit Jugoslawien. 
         
         
          
        SS-Obergruppenführer Werner Lorenz 
         
         
                      Inzwischen war die "Heim-ins-Reich-Bewegung" proklamiert worden 
          und angelaufen. Über die eigentlichen Hintergründe erfuhren 
          die betroffenen Volksgruppen ebensowenig wie das deutsche Gesamtvolk. 
          Nicht um die europäischen Grenzen neu ordnen zu können, sondern 
          aus rein macht- und volkspolitischen Erwägungen hatte Hitler am 6. 
          Oktober 1939 die Zurücknahme der deutschen "Außenposten" 
        angekündigt. Er und Himmler wollten vielmehr das biologische Defizit, 
          das auf den deutschen Volkskörper zukam, ausgleichen. Bevölkerungsstatistiker, 
          so vor allem der damalige Präsident des Bayerischen statistischen 
          Landesamtes, Prof. Dr. Friedrich Burgdörfer, hatten bereits in den 
          zwanziger Jahren exakt voraus berechnet, daß das deutsche Volk in 
          den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts sichtbar abnehmen würde, 
          weil in der deutschen Bevölkerungspyramide die annähernd zwei 
          Millionen Gefallenen des ersten Weltkriegs sowie ihre ungeborenen Nachkommen 
          fehlen, die beiden mächtigsten Männer des Dritten Reiches kalkulierten 
          auch ein, daß der zweite Weltkrieg weitere schwere Opfer fordern 
          und das Defizit von 1914 bis 1918 beträchtlich erhöhen würde. 
          Andererseits stand auf dem Territorium der früheren Habsburger Monarchie 
          - einschließlich der Sudetendeutschen - ein wertvolles Menschenpotential 
          von rund 10 Millionen zur Verfügung. Die Sudetendeutschen waren 1940 
          bereits in den Reichsverband eingegliedert, die Balten-Deutschen ebenfalls 
          ins Reich eingeholt, es harrten also noch die Jugoslawien-, Ungarn- und 
          Rumänien-Deutschen, zusammen wiederum etwa 2,5 Millionen, der Umsiedlung 
          ins Reich. Im wesentlichen handelte es sich bei diesem Diaspora-Deutschtum 
          um die Nachkommenschaft von Siedlern, die in zeitlich weit auseinanderliegenden 
          Kolonisationsphasen in ihren Siedlungsgebieten angesetzt worden waren, 
          die Siebenbürger (1140 bis 1160) und die Donauschwaben in der südungarischen 
          Tiefebene während der Regierungszeit Maria Theresias (1740 bis
          1780). 
         
        Daß es den Machthabern des Dritten Reichs wirklich auf die Hereinnahme 
          auch dieser südosteuropäischen Volksdeutschen zur Auffüllung 
          des biologischen Defizits ankam, läßt sich mühelos aus 
          ihrem Verhalten beziehungsweise der volkspolitischen Befehlslage in der 
          Umgebung Himmlers herausfiltern: Auf der einen Seite hieß es, man 
          wolle diese Deutschen nicht als Kulturdünger für andere Völker 
          verkommen lassen. Welch ein Widerspruch zum Machtbewußtsein in der 
          Reichskanzlei zu Berlin! Als ob das "Großdeutsche Reich", 
          das sich auf unabsehbare Zeit als die größte Militärmacht 
          Europas verstand, irgendeine andere Regierung hätte fragen müssen, 
          wenn es die Volksdeutschen in ihrem Lande hätte fördern wollen. 
          Und zum anderen: 1939/40 entstand im Stabshauptamt in der Hauptabteilung 
        "Menscheneinsatz" unter der Regie des SS-Obersturmbannführers 
          Dr. Fähndrich eine streng vertrauliche Sammlung aller bis dahin erlassenen 
          Befehle und Anordnungen zur "Festigung Deutschen Volkstums".  
        Der Herausgeber schrieb in der Einleitung unter anderem: 
         
        1. Die "außerhalb der Interessenssphäre des großdeutschen 
          Reiches" lebenden Deutschen seien "nach Maßgabe der Dringlichkeit 
          und Notwendigkeit" umzusiedeln. Sie würden dadurch "von 
          ihrer Rolle als Kulturdünger fremder Staaten" befreit. 
         
        2. Dieser Ruf des "Führers" bedeute eine "völlige 
          Revolutionierung der früheren deutschen Volkstumspolitik", denn 
          die bisherige "vielfach romantisch gefärbte Schwärmerei, 
          die sich an der Verstreutheit der Deutschen ... begeisterte", sei 
          nach dem Grundsatz umgeformt worden: "Hereinnahme des wertvollen 
          deutschen Blutes zur Stärkung des Reiches selbst." 
         
        3. Das "Gefühl der blutlichen Verbundenheit zum deutschen Gesamtvolk", 
          das die Volksdeutschen bewiesen hätten, sichere ihnen "zumindest 
          ein moralisches Anrecht auf eine gute Aufnahme im Reich . .. und auf die 
          Bereitstellung einer gesunden Existenzgrundlage". 
         
        4. Trotz des Verlustes der alten Heimat sei das Reich gegenüber dem 
          Volksdeutschen in "viel größerem Maße .. der gebende 
          Teil". 
         
        Dies verpflichte die "heimgekehrten Deutschen, sich in die Disziplin, 
          die Zucht und die Ordnung des Großdeutschen Reichs organisch einzufügen". 
          Dazu stellte Dr. Fähndrich zwei konkrete Forderungen auf: 
         
"Mit der Hereinnahme einer Volksgruppe in das Reich hört die 
          frühere Volksgruppenorganisation auf zu bestehen, denn über
          der Volksgruppe steht dasReich." 
         
        und 
         
"Die Begriffe des Baltendeutschen, des Wolhynien- und Bessarabien-deutschen 
          usw. müssen vielmehr in kürzester Frist ausgetilgt sein." 
         
        Auch die Gottscheer sollten sehr schnell mit dem obigen Konzept des "Reichskommissars 
          für die Festigung Deutschen Volkstums" Bekanntschaft machen. 
          Wie wir aus dem oben zitierten Aktenvermerk des SS-Obergruppenführers 
          Lorenz wissen, trug sich Hitler spätestens schon in der ersten Hälfte 
          des Jahres 1940 mit dem Gedanken, Jugoslawien militärisch niederzuringen 
          und aufzuteilen. Der Belgrader Staatsstreich vom 27. März 1941, der 
          eine allgemeine Verheerung im Lande nach sich zog, erschien ihm als eine 
          günstige Gelegenheit zur Ausführung dieses Plans. Am 6. April 
          1941 rückten die deutschen Truppen in das Königreich Jugoslawien 
          ein und schalteten in wenigen Tagen seine nicht sehr schlagkräftige 
          Armee aus. Der deutsche Angriff war für sie völlig überraschend 
          gekommen. Auch für die Gottscheer! Was sie befürchtet hatten, 
          trat ein: Am 20. April 1941 wurden in Wien die Trümmer des Südslawenstaates 
        "neu geordnet". Mussolini hatte seinen Außenminister-Schwiegersohn, 
          Graf Galeazzo Ciano, zu der Konferenz entsandt. Die Italiener erhielten 
          Unterkrain mit der Region Laibach, das Reich behielt Oberkrain als neuen 
          Bestandteil des Gaues Kärnten, sowie die Untersteiermark, die dem 
          Gau Steiermark angegliedert und von Marburg an der Drau aus verwaltet 
          wurde. Den Kroaten wurde ein eigener Staat zugestanden und Altserbien 
          selbständig belassen. 
           
           
          
         Diktatoren - Faschist
        Mussolini, Nationalsozialist Hitler. Unendliches
        Leid für
        das deutsche, das italienische und für viele andere Völker
        der ganzen Welt waren die Konsequenzen aus dieser politischen Allianz 
         
         
        Die Zerschlagung Jugoslawiens war die Voraussetzung für die Eroberung 
          Rumäniens, womit er sich den Weg zur Schwarzmeerküste freischlug 
          und die Aufmarschbasis zu Lande gegen die Sowjetunion vervollständigte. 
          Die Eroberung Albaniens und Griechenlands war ein unübersehbares 
          Signal, daß Mussolini den italienischen Anspruch auf das "mare 
          nostrum" zu verwirklichen gedachte. Innerhalb dieses Zwischenspiels 
          der sogenannten großen Politik sieht plötzlich der Verzicht 
          Hitlers auf Südtirol ganz anders aus, erhält selbst das kleine 
          Gottscheerland für das deutsch-italienische Verhältnis ein neues 
          Gesicht: Der Diktator in Berlin opferte in seiner kontinentalen Schachpartie 
          zwei Bauern, um von dem Diktator in Rom bei dem großen Zug mit der 
          Dame nicht gestört zu werden. Als der Letztere aber merkte, daß 
        ihn sein Freund jenseits der Alpen überfahren hatte, war es zu spät. 
         
        Die Gottscheer aber mußten seit der Zerschlagung Jugoslawiens einen 
          Nervenkrieg ohnegleichen durchstehen. Sie waren tagelang überzeugt, 
          daß die deutsche Wehrmacht das "Ländchen" besetzen 
          würde. Die Dörfer, durch welche die Panzerkolonnen in die Stadt 
          fahren mußten, legten Girlandenschmuck an. Lampeters "Mannschaft" 
        handelte so, als ob die Wehrmacht ihre Tätigkeit als vernünftig 
          und zweckmäßig gutheißen würde. Die jungen Männer 
        übernahmen den Sicherheits- und Ordnungsdienst im Siedlungsgebiet. 
          Der noch amtierende Bezirkshauptmann wurde vom "Mannschaftsführer" 
        beauftragt, der Gendarmerie zu befehlen, daß sie ihre Waffen an 
          die "Stürme" abliefere. (Persönliche Mitteilung von 
          Richard Lackner). Außerdem erhielten die Gottscheer die ihnen vorher 
          abgenommenen Waffen, auch die Jagdgewehre, zurück. Am 13. April 1941 
        übernahm dann Willi Lampeter aus eigener Machtvollkommenheit die 
          Leitung der Bezirkshauptmannschaft Gottschee. Auf die bundesdeutsche Verwaltungsebene 
        übertragen, hieß das, er hatte sich selbst zum kommissarischen 
          Landrat ernannt. Sein Amtssitz war das Schloß Auersperg in der
          Stadt Gottschee. 
         
        Die Hoffnung und Erwartung steigerten sich zu fieberhafter Unruhe,
          als sich der Einmarsch der Wehrmacht immer weiter verzögerte. Eine Delegation 
          von Gottscheern eilte nach Rudolfswerth, wo die Truppen Hitlers angeblich 
          haltgemacht hatten. Der deutsche Abschnittskommandeur empfing sie freundlich, 
          erklärte aber, er besitze keinen Befehl, die erreichte Linie zu überschreiten. 
          Der Delegation wurde damit klar, daß sie an der Demarkationslinie
          zwischen den deutschen und italienischen Interessengebieten stand. 
         
        Anstelle einer Vorausabteilung der deutschen Wehrmacht traf ausgerechnet
          am 20. April 1941, dem Konferenztag von Wien, in Gottschee die Mitteilung
          des "Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums" 
        ein, daß die "Volksgruppe Gottschee" umgesiedelt werde. 
          Drei Tage später bestätigte Adolf Hitler persönlich einer 
          Abordnung der Sprachinsel, daß er den Gottscheern eine "historische 
          Aufgabe als "Wehr- und Grenzbauern" stelle. Lampeter und sein 
          Kreis aber hielten die Mitteilung Himmlers über die Umsiedlung und 
          den Inhalt des Gesprächs mit Hitler vorläufig geheim. Und während 
          der "Führer" in Marburg an der Drau die Delegation aus 
          Gottschee empfing, rückte eine italienische Vorausabteilung in der 
          Stadt ein. Ihre erste Maßnahme war die Absetzung Willi Lampeters 
          als Bezirkshauptmann. Nur zehn Tage hatte er sein Amt ausgeübt. Der 
          Traum der kleinen Volksinsel im Karst von der Selbständigkeit war 
          zum dritten- und letztenmal ausgeträumt. 
           
           
          
        Adolf Hitler und  der selbsternannte "Mannschaftsführer",
          Marburg / Maribor, 23.04.1941. 
           
           
        Das Gottscheer Völkchen erstarrte vor Angst. Die Führung wurde 
          mit Fragen bestürmt. Sie wich mit ablenkenden Erklärungen aus. 
          Nichts verlautete weiter über Marburg, nichts über die eigenen 
          Ansichten, nicht einmal das, was sich jedermann nach dem Einmarsch der 
          Italiener ausrechnen konnte, nämlich die Umsiedlung, wurde bestätigt. 
         
        Wann? Wohin? 
         
        Die Jugend und politisch Einsichtige fanden sich mit dem voraussehbaren
          Schicksal ab. Manche der Hausierer der Jahre 1934 bis 1938 dachten
          an
          Deutschland als Umsiedlungsziel, dachten an "ihre" Städte 
          - vielleicht ließen sie einen nach dem Krieg ein paar Winter
          hausieren, damit man sich ein neues Zuhause aufbauen konnte? 
         
        Nun, nach mehreren Jahrzehnten, ist es leichter als unter dem Druck
          der Ereignisse des Frühjahrs 1941 zu beurteilen, ob die Führung 
          der Gottscheer verantwortungsbewußt handelte oder nicht. Aus ihrer 
          eigenen Sicht tat sie dies, heutzutage aber ist man geneigt, zu sagen, 
          daß sich diese Frage überhaupt nicht stellt, denn sie hätte 
          gar nicht anders handeln können, als sie es tat. Eines freilich ist 
          sicher, sie vergriff sich im Ton. Dieser aber war zeitbedingt. Teile der 
          Bevölkerung hielten sich durch die jungen Leute für gegängelt. 
          Andererseits war der Führungskreis selbst ja noch nicht über 
          alle Details des Wann und Wohin unterrichtet. Unter diesen Umständen 
          kann man es bis zu einem gewissen Grade verstehen, daß die Führung 
          nervös wurde. Wenn sie auch keine großen Massen zu leiten hatte, 
          so war es, vor allem menschlich, gewiß keine leichte Aufgabe, die 
          Konkursverwalter eines jahrhundertealten Familienunternehmens sein zu 
          müssen, das ohne direktes, eigenes Verschulden von einem Großkonzern 
          in "Existenznot" gebracht wurde. Aber gerade weil die Führung 
          glaubte, schweigen zu sollen, wurden das Für und Wider der Umsiedlung 
          erst recht immer leidenschaftlicher erörtert. Als dann der Führung 
          bewußt wurde, daß das "Wider" zu überwiegen 
          begann, reagierte sie mit einem grellen Mißton: In der "Gottscheer 
          Zeitung" vom 1. Mai 1941 - es sind, wohlgemerkt, noch keine vier 
          Wochen seit dem Zusammenbruch Jugoslawiens vergangen - griff sie "die 
          Miesmacher" mit außerordentlich gefährlich klingenden 
          Drohungen an. Doch nicht nur den eigenen Landsleuten, sondern auch der 
          italienischen Besatzung gegenüber glaubte der Führungskreis 
          die Selbständigkeit seiner Entschlüsse dokumentieren zu müssen. 
          Am 2. Mai 1941 erschien der Volksgruppenführer Josef Schober beim 
          italienischen Hohen Kommissar Emilio Grazioli in Laibach, überreichte 
          ihm eine Ergebenheitsadresse an Mussolini und trug die Wünsche und 
          Vorschläge der Gottscheer an die faschistische Zivilverwaltung der 
          Provinz Laibach vor. Signor Grazioli sagte zu, alle Fragen einvernehmlich 
          mit der Volksgruppe zu behandeln. Es sollte sich jedoch sehr bald zeigen, 
          daß der Hohe Kommissar nicht im entferntesten daran dachte, die 
          Volksgruppenführung nach ihrer Meinung zu fragen oder sich vielleicht 
          sogar nach dieser zu richten. Das galt insbesondere für die italienische
          Auffassung von den Slowenen. 
         
        In dem Bestreben, nach allen Seiten unabhängig zu erscheinen, gab 
          sich das Führungsgremium Schober - Lampeter - Sturm auch in Berlin 
          betont selbstbewußt. Das Stabshauptamt hatte es für Mitte Mai 
          zu einer Besprechung "eingeladen". Man wollte in der Reichshauptstadt 
          wissen, ob sich die Volksgruppenführung personell und organisatorisch 
          der Umsiedlungsaufgabe gewachsen fühle. Durch Vorlegen der "Gottscheer 
          Zeitung" vom 8. Mai 1941 - das Blatt erschien zum damaligen Zeitpunkt 
          einmal wöchentlich - bewies sie, daß ein eigener Führungsstab 
          aus eigener Initiative bereits aufgestellt war. Und dort hieß es: 
         
"Der Volksgruppenführer hat angeordnet, folgende Ämter 
          zu bilden: 
           
        
        
        
          | A | 
          Volksgruppenführung,
          Amtsleiter der Volksgruppenführer (Josef Schober), 
           
           | 
         
        
          | B | 
          Der
              Stab der Mannschaft, Amtsleiter der Mannschaftsführer Willi
              Lampeter, zugeteilt für die Wirtschaft der Stabsführer
          Martin Sturm, für das Ernährungswesen Johann Schemitsch. 
           
           | 
         
        
          | C | 
          Jugendführung,
          Amtsleiter der Jugendführer Richard Lackner, 
           
           | 
         
        
          | D | 
          Dienststelle
              für Organisation und Propaganda, Amtsleiter der Stabsführer
Altred Busbach, zugeteilt der Schriftleiter Herbert Erker." | 
         
       
                     Von der Umsiedlung ist allerdings in dieser Anordnung des Volksgruppenführers 
          noch keine Rede. Aus der Sicht des Dreier-Gremiums war die Berliner Reise 
          ein voller Erfolg, hatte doch das "Stabshauptamt" seinen Vorschlag, 
          die Umsiedlung möglichst bald durchzuführen, und die Gottscheer 
          wieder geschlossen anzusiedeln, gutgeheißen. Keine Bedenken bestanden 
          außerdem gegen die Absicht, die Umsiedlungswilligen nach Mischehen 
          mit Slowenen und Besitzlosen bzw. Bauernunfähigen und Kleinstbesitzern 
          (später auch nach "politisch Unzuverlässigen") einzuteilen 
          und bei der Ansiedlung anders zu behandeln als das große Ganze. 
          Greifelt war auch damit einverstanden, daß die Volksgruppenführung 
          die Umsiedlung allein durchführte. Die Volksgruppenleitung durfte 
          sich somit legitimiert fühlen, den Auszug der Gottscheer nach ihrem 
          Ermessen vorzubereiten und in die Wege zu leiten. Das tat sie denn auch. 
          Und jetzt erst, da sie in ihren Augen die ganze Handlungsfreiheit besaß, 
          bestätigte sie in vollem Umfang das über die Gottscheer hereingebrochene 
          Unglück. In der Ausgabe Nr. 21 der "Gottscheer Zeitung" vom
          22. Juni 1941 erschien der folgende, von Schober und Lampeter unterzeichnete
          Aufruf an alle Gottscheer: 
       
"Gottscheer Volksgenossen und Volksgenossinnen! Der Führer ruft 
          uns heim ins Reich Erwartet in eiserner Disziplin seinen Befehl! Zeigt 
          durch Arbeit und Fleiß noch in letzter Stunde, daß Ihr würdig 
          seid. Deutsche Adolf Hitlers zu sein! Die Arbeit des Jahres 1941 in der 
          alten Heimat soll aller Welt beweisen, daß wir, wie durch 600 Jahre, 
          auch im letzten Jahr unserer Volksdeutschen Prüfungszeit den Karst
          bewohnen und ihm unser karges Brot abringen konnten. 
      Bietet unserem italienischen Bundesgenossen ein einmaliges Bild deutscher
          Manneszucht als Ausdruck unserer unerschütterlichen Treue zur
          ehernen Politik der Achse!" 
       
      Wenn noch eine Steigerung der Gefühle möglich war, so trat sie 
          nun, da die Umsiedlung nicht mehr aufzuhalten war, ein: Bestürzung 
          und Verzweiflung, Verbitterung und Enttäuschung gingen durch die 
          Gemüter der älteren Gottscheer. Begreiflicherweise wagten nur 
          wenige, ihren wirklichen Empfindungen offen Ausdruck zu geben. Nun lauerte 
          die Gewißheit vor der Haustüre, daß hinter dem Vorhang
          aus flammenden Worten der Abschied ohne Wiederkehr stand. 
       
      Während die junge Generation überwiegend die Umsiedlung als 
          einen Hilter-Befehl, der auszuführen war, widerspruchslos hinnahm, 
          verfestigte sich der Widerstandswille eines Teils der älteren Jahrgänge 
          im Laufe des Sommers 1941 bis zur offenen Ablehnung. Auch der Klerus - 
          es amtierten nur noch sechs Geistliche - war sich nicht einig. Die Geistlichen 
          Räte Josef Eppich in Mitterdorf und August Schauer in 
          Nesseltal und ihre Amtskollegen Josef Kraker in Rieg und Josef Gliebe 
          in Göttenitz standen gegen die Umsiedlung. Heinrich Wittine in Morobitz 
          trat dafür ein und Alois Krisch in Altlag wollte sich für das 
          Gehen oder Bleiben erst entscheiden, wenn seine Gemeinde sich entschieden 
          hatte. Zum Wortführer der offenen Opposition im Hinterland machte 
          sich Pfarrer Kraker. 
           
          Immer noch wußte die Bevölkerung des "Ländchens" 
          nicht, wohin man sie umsiedeln wollte. Obwohl sie damit jeglicher Spekulation 
          Tür und Tor offen ließ, sah die Volksgruppenführung davon 
          ab, das neue Siedlungsgebiet näher zu bezeichnen. Hingegen ging sie 
          mit aller Intensität daran, die personellen Voraussetzungen für 
          eine geordnete Umsiedlung zu schaffen. Als organisatorisches Gerüst 
          bot sich die "Mannschaft" an. Um ihre Belastbarkeit zu überprüfen 
          bzw. notfalls zu stärken, faßte Lampeter die 25 Sturmführer 
          zu einem Schulungslager zusammen. Das "Stabshauptamt" sah indessen, 
          nachdem die Würfel gefallen waren, die politische Betätigung 
          der Gottscheer nicht gerne. Es kannte die Empfindlichkeit der Italiener 
          in diesen Dingen von Südtirol her. Daher strich es den Posten "Schulung 
          und Propaganda" in dem eingereichten Etat der Volksgruppenführung 
          auf ein Viertel zusammen. Das hinderte jedoch den tatsächlichen Volksgruppenführer, 
          Willi Lampeter, nicht, das Lager durchzuführen. Dabei machte er unter 
          anderem den Teilnehmern klar, daß die Umsiedlungsgegner spätestens 
          bis zu dem Augenblick, da der einzelne Gottscheer und die einzelne Gottscheerin 
          vor der endgültigen Entscheidung über Bleiben oder Gehen stand, 
          mundtot gemacht sein mußten. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde 
          jedes Mittel gutgeheißen, auch psychologischer Druck. Insbesondere 
          war es nach Lampeters Meinung unerläßlich, die Gottscheer aus 
          den bisherigen geistigen und seelischen Bindungen zu lösen. Dazu 
          zählte vor allem das vielfach verflochtene Band der Zusammengehörigkeit 
          mit den Amerika-Gottscheern, die daraus entstandene Abhängigkeit 
          vom Dollar, die Sendung von modisch abgestempelter Kleidung, die nicht 
          nach Gottschee paßte, das Auftrumpfen mit Photos über die Lebensverhältnisse 
          in den USA - alles an sich keine aktuellen Einflüsse von Bedeutung. 
           
          Wesentlich schwerer wog ein anderer, erst nachträglich begreifbarer 
          Vorstoß in den unterschwelligen seelischen Bereich des Gottscheers: 
          Allem Gerede, auch prominenter Autoren, über die "negative Auslese" 
          der Gottscheer infolge der Massenauswanderung zum Trotz, hing der Rest 
          des Völkchens im Karst an seiner Heimat. So gesehen war es eine positive 
          Auslese. Und diese seelische Bindung an Heimat und Tradition sollte nun 
          durch ein fanatisches Bekenntnis zum Reich verdrängt werden. Lampeter 
          eröffnete in der Ausgabe Nr. 25 der "Gottscheer Zeitung" 
          vom 17. Juli 1941 dazu eine Propagandawelle und stellte zunächst 
          fest, von verschiedenen Seiten werde "Stimmung gegen die Umsiedlung" 
          gemacht. Dabei werde eine übergroße Heimatliebe vorgetäuscht. 
          Noch weiter geht das Blatt an einer anderen Stelle: "Das Entscheidende, 
          das die Gottscheer sechs Jahrhunderte deutsch bleiben ließ, war 
          nicht eine nun plötzlich aufgegangene Liebe zur Heimat, die ja nie 
          eigentlich Heimat war, sondern eben das Bewußtsein, Vorposten zu 
          sein, das Bewußtsein, verantwortlich zu sein für etwas ganz 
          Großes, Einmaliges, für das lebendige Deutschtum auf Erden, 
          das Reich." 
           
          Das war die völlige Umkehrung des Heimatgedankens. Heimatliebe und 
          Heimatbewußtsein hatte es also bei den Gottscheern in allen 600 
          Jahren ihrer Geschichte nie 
          gegeben. Sie waren "Vorposten", aber nicht sprachlich im Sinne 
          von Professor Kranzmayer, sondern politisch. Daß die Rolle, die 
          man dem Gottscheerland auf diese 
          Weise zudiktierte, mit den geschichtlichen Tatsachen nicht in Einklang 
          zu bringen war, wurde wunschgemäß übersehen. Nicht "Das 
          Reich" hat im 14. Jahrhundert die spätere Sprachinsel Gottschee 
          gegründet, sondern das Kärntner Grafengeschlecht von Ortenburg 
          als wirtschaftlich zweckbestimmtes Siedlungsunternehmen. Die Stelle, 
        "... das Bewußtsein, Vorposten zu sein", ist sehr schnell 
          ihres propagandistischen Aufputzes entkleidet, wenn man ihr nüchtern 
          die unbestreitbare Tatsache entgegenhält, daß die Gottscheer 
          nicht einmal die Erinnerung an das Herkunftsgebiet ihrer Ahnen bewahrt 
          hatten. Sie wurde erst im 19. Jahrhundert neu erweckt. Den Verfassern 
          des bewußten Artikels ist auch nicht der Widespruch in sich im Zusammenhang 
          mit dem "Vorposten-Bewußtsein" aufgegangen: Hätte 
          es ein solches tatsächlich gegeben, dann hätte es erst recht 
          der Heimatliebe, der Bodenverbundenheit und des Gottvertrauens bedurft, 
          um unter den schwierigen Lebensbedingungen so lange auszuharren, denn 
          600 Jahre sind immerhin fast ein Drittel des Zeitraumes, der seit Christi 
          Geburt verstrichen ist. 
           
          Bis hierher kann man noch den Eindruck haben, daß die Propagandisten 
          aus eigenem Antrieb gegen die Heimatliebe anstürmten, und man möchte 
          ihnen beinahe zugestehen, daß sie dies taten, um ihren Landsleuten 
          den Abschied zu erleichtern. Aber so weit dachten sie wohl kaum. Erinnern 
          wir uns vielmehr an die Dokumentation "Der Menscheneinsatz" 
          des SS-Obersturmbannführers Dr. Fähndrich im "Stabshauptamt" 
          zu Berlin und des Besuchs der Volksgruppenführung Schober-Lampeter-Sturm 
          in dieser Führungsstelle des "Reichskommissars für die 
          Festigung deutschen Volkstums" Mitte Mai 1941. Ohne jeden Zweifel 
          empfingen sie damals die geheime Anweisung, im geeigneten Augenblick mit 
          der Sentimentalität des Heimatgedankens und der Bodenverwurzelung 
          aufzuräumen. Die drei Männer befanden sich, soll man ihre völlige 
          Abwendung vom "Aufbau-Plan" Volker Dicks begreifen, in einer 
          Art 
          Befehlsnotstand. Mit der Zerstörung des Heimatgefühls sollte 
          auch das Gefühl der Zusammengehörigkeit der Gottscheer untereinander 
          zerfallen, womit auch die Zusage des Stabshauptamtes, daß die Gottscheer 
          wieder geschlossen angesiedelt würden, automatisch entfiel. 
           
          Die gequälten Bewohner des "Ländchens" hörten 
          in Versammlungen und lasen in ihrer Zeitung nur noch Variationen über 
          das Thema "Ein Volk, ein Reich, ein Führer!" 
           
          Irgendwann im Sommer 1941 wurde Willi Lampeter zum SS-Sturmbannführer 
          ernannt. 
           
           
            
          Wilhelm Lampeter - Gottscheer Volksgruppen-
          u. SS-Sturmbannführer,  21.12.1941 
           
           
          Die Gottscheerinnen waren, obwohl sie sich lebhaft an der Kulturarbeit 
          beteiligten, letzten Endes doch wieder dazu verurteilt, das zu tun, was 
          die Männer über ihr und ihrer Kinder Schicksal beschlossen hatten. 
          Mehr noch als die Männer bedrückte sie die Ungewißheit, 
          wohin die Umsiedlung gehen sollte. Darüber herrschte Anfang Juli 
          1941 noch Unklarheit. Aber selbst, wenn sich die Volksgruppenführung 
          entschlossen hätte, das Siedlungsgebiet bekanntzugeben, hätte 
          sie nicht verhindern können, daß die Erläuterung dazu 
          von einer anderen Seite kam. In der ersten Juli-Hälfte tauchte in 
          der Sprachinsel ein deutsch abgefaßtes Flugblatt der kommunistischen 
          Partei Jugoslawiens auf. Sein wesentlicher Inhalt:      "Die 
        nationalsozialistischen Führer und ihre Gottscheer Führerlein 
        wollen ... Euch auf der Erde und auf den Höfen ansiedeln, die die 
        nationalsozialistischen Führer dem slowenischen Bauer und Arbeiter 
        gestohlen und sie ohne Hab und Gut in die Fremde verjagt haben. Die ganze 
        Umsiedlung ist ein Verbrechen gegen das Gottscheer Volk! Mit Recht werden 
        Euch die Einheimischen als aufgedrängte Hergewanderte betrachten, 
        als die Verbündeten der faschistischen Räuber, als Diebe des 
        fremden Bodens und der Früchte fremder Arbeit. Sie werden Euch die 
        Häuser, in denen Ihr Euch ansiedeln werdet, anzünden, auf jeden 
        Schritt werden Sie Euch erschlagen und stets werden sie Euch verfolgen 
        .. ." 
         
         
        
          
            
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                06.04.1941,
        Personal für 
        die Absiedlung/ Deportation 
         
        Text 
         
                 
               | 
              
                 12.04.1941 
        Umsiedlungsstab 
        Untersteiermark  
                 
               | 
              
                23.06.1941, 
        Beschlagnahme 
        v. slowenischen Eigentum 
         
        Text 
                 
               | 
              
                 1.07.-27.09.1941 
        Transportzüge 
        Nr. 1 - 33 
               | 
              
                 03.10.1943, Abschlußbericht 
        der EWZ über
        die
        Absiedlung/Deportation der Slowenen,
         
               | 
             
           
           
           
          Ein neuer Höhepunkt der Panik war die Folge dieser unerbetenen "Information". 
        Die Volksgruppenführung hatte dem propagandistischen Frontalangriff 
        der slowenischen Untergrundkämpfer keine durchschlagenden Argumente 
        entgegenzusetzen. Sie mußte sich notgedrungen auf starke Worte beschränken, 
        die der verstörten Bevölkerung nicht darüber hinweghalfen, 
        daß sie das Reich in einer Gegend anzusiedeln gedachte, aus der
        man Slowenen vertrieben hatte. 
         
        Zwei Gottscheer Persönlichkeiten traten in der verworrenen Zeitspanne 
        bis zum immer noch unbekannten Umsiedlungstermin in den Vordergrund, Oberlehrer 
        i. R. Josef Perz in Lienfeld bei Gottschee und Studienrat Peter Jonke 
        in Klagenfurt. In einer Reihe mit den geistlichen Gegnern der Umsiedlung 
        stehend, riet Perz seiner Umgebung, zu bleiben. Er selbst konnte sich 
        ebenfalls nicht zum Fortgehen entschließen, weil er glaubte, auch 
        die letzte Konsequenz aus seinem, dem Gottscheer Volkstum geweihten Leben 
        ziehen zu müssen. Er war ein Mann, auf den das Volk hörte. Sein 
        Wirken für die Sprachinsel hatte 1885 an der eben gegründeten 
        Volksschule in Lichtenbach begonnen. Er wurde Mitarbeiter von Professor 
        Hauffen, Wilhelm Tschinkel war sein Freund. Jahrzehnte seines Lebens widmete 
        er dem Volkslied, den Sagen und Märchen und dem Brauchtum. Wie Tschinkel 
        stand er 1920 vor der Entscheidung, für Österreich zu optieren
        oder sich vorzeitig pensionieren zu lassen. Damals blieb er. Wilhelm
        Tschinkel
        aber war noch zu jung, um seinen Beruf aufzugeben. 
         
        Peter Jonke aus Obermösel war der letzte gebürtige Gottscheer 
        Lehrer am Gymnasium in der Stadt. Er wurde fristlos entlassen, optierte 
        für die Republik Österreich und übersiedelte nach Klagenfurt. 
        Dort fand er an einem Gymnasium eine neue Lehrstelle, so daß er 
        für seine Familie und sich selbst ein neues Zuhause aufbauen konnte. 
        In seinem privaten Denken und Fühlen aber blieb Gottschee im Mittelpunkt. 
        In zahlreichen Vorträgen und Aufsätzen warb er für und 
        um sein Heimatland. Er hat in schwierige historische Fragen hineingeleuchtet, 
        altes Brauchtum ausgegraben und nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich 
        am Zusammenschluß der Gottscheer in Kärnten mitgewirkt. Auch 
        Peter Jonke setzte sich für das Bleiben seiner Landsleute in der
        alten Heimat ein, aber er sah in der Sprachinsel mehr einen kulturellen
        als einen politischen Faktor. 
         
        Im Juli 1941 wurde der Umsiedlungsvertrag zwischen dem Deutschen Reich
        und Italien ausgehandelt. Er trug die Überschrift: "Vereinbarungen 
        zwischen der deutschen Reichsregierung und der italienischen Regierung 
        vom 31. August 1941 über die Umsiedlung der deutschen Staatsangehörigen 
        und Volksdeutschen aus der Provinz Laibach." Den Gottscheern kam 
        er erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch ein Londoner Archiv zur Kenntnis. 
        Leiter der deutschen Verhandlungsdelegation war nicht etwa ein Diplomat, 
        sondern der inzwischen zum SS-Obergruppenführer beförderte Chef 
        des "Stabshauptamtes", Ulrich Greifelt. Die Vereinbarungen sahen 
        unter anderem vor, die Umsiedler für das zurückgelassene Vermögen 
        zu entschädigen. 
         
        Zur organisatorischen Spitze der Umsiedlung aus der Provinz Laibach ernannte
        Himmler einen "deutschen Umsiedlungsbevollmächtigten" (DUB) 
        mit dem Sitz in Laibach. Er hieß Dr. Heinrich Wollert. Die italienische 
        Dienststelle leitete derselbe "Hohe Kommissar" Emili Grazioli, 
        den wir bereits erwähnten. 
         
        Trotz der strengen Geheimhaltung sickerte schließlich gerüchteweise
         durch, wo das neue Siedlungsgebiet liegen sollte. Daß es sich
         um  eine slowenisch besiedelte Landschaft handeln würde, war dem
         kommunistischen  Flugblatt zu entnehmen gewesen. Die Gerüchte verdichteten
         sich um  das "Ranner Dreieck", das diesem und jenem Gottscheer
         persönlich 
        bekannt war. Für einen tüchtigen Marschierer lag es eine Tagesreise
         in nordöstlicher Richtung vom Gottscheerland entfernt, 35 bis 40
          km, im südöstlichen Zipfel der Untersteiermark. Es erstreckte
           sich zwischen dem Bergzug Orlica und den kroatischen Uskokenteilen.
          Klimatisch 
        liegt es so günstig, daß Wein angebaut wird. Dr. Wollert
        schilderte das Gebiet aus einem noch zu behandelnden Anlaß in der
        Ausgabe Nr. 47 der "Gottscheer Zeitung" vom 17. November 1941
        folgendermaßen: 
         
         
      
          
           
             
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               Das
                   ethnisch bereinigte 
               Umsiedlungsgebiet  
               "Ranner
               Dreieck" | 
               Absiedlung
               / Deportation der Slowenen aus ihrer Heimat, 1941  | 
              
              
"Wie sieht das neue Ansiedlungsgebiet der Gottscheer Volksgruppe
         aus?" 
         Durch Befehl des Reichsführers SS ... ist auf Vorschlag des Gauleiters
         ... der Steiermark das sogenannte Ranner Dreieck, ein Streifen an der
        
        unteren Save, der Gurk und des Sattelbachs, für die Ansiedlung bestimmt
         worden. Es ist ein zusammenhängendes, in sich geschlossenes Siedlungsgebiet,
          das durch ein fruchtbares Flußtal gebildet wird. Berge und Hügel,
           auf denen der Weinbau betrieben wird, umgeben dieses Gebiet und schützen
            es vor kalten Witterungseinflüssen". 
             
"Der Mittelpunkt dieses Gebiets ist die Stadt Rann (Brezice)..." 
         
        Die Gegner der Umsiedlung verbreiteten warnend die beklemmende Nachricht,
        die Gottscheer würden also ein neues Siedlungsgebiet erhalten, aus 
        dem man die Slowenen mit Gewalt vertrieben hatte. Aber auch jene Gottscheer, 
        die sich innerlich bereits mit dem Abschied von der alten Heimat abgefunden 
        hatten, litten unter einem Alptraum bei der Vorstellung, daß sie 
        auf die Höfe ziehen sollten, die man anderen weggenommen hatte. 
         
        Daß es nun ernst wurde, bemerkten die Bewohner des "Ländchens" 
        an den Vorbereitungen zur Einrichtung von Umsiedlungsdienststellen in 
        der Stadt. Nun konnten sie sich auch ausrechnen, daß es nicht mehr 
        lange dauern konnte, bis sie den Marsch in die Ungewisse Zukunft anzutreten 
        hatten. Der DUB ging an den Aufbau seiner Nebenstelle, ebenso die DUT 
        (Deutsche Umsiedlungs-Treuhand-Gesellschaft), die mit der Erfassung und 
        Übernahme des Umsiedlungsvermögens beauftragt war. In Marburg 
        an der Drau entstand eine Dienststelle des Gauleiters der Steiermark in 
        seiner Eigenschaft als Gaubeauftragter des Reichskommissars. Sie hatte 
        den Auftrag, die Slowenen aus dem Ranner-Dreieck auszusiedeln und die 
        Gottscheer - auch andere Volksdeutsche - in ihre Besitze einzuweisen. 
        Im einzelnen geschah dies durch Angestellte der DAG (Deutsche Ansiedlungs-Gesellschaft), 
        die in die Marburger Dienststelle des Gauleiters eingebaut war. In Gottschee-Stadt 
        fuhr eines Tages der "Sonderzug Heinrich" der EWZ (Einwanderungs-Zentrale) 
        ein, eine ausgeklügelte fahrbare Dienststelle zur "Durchschleusung" 
        der Umsiedler und Erfassung nach den verschiedensten Gesichtspunkten. 
        Der Sonderzug mit dem sinnigen Namen "Hein-rich" tauchte überall 
        da auf, wo Volksdeutsche ihre Heimat räumten. 
         
        Indessen traten bedeutende Schwierigkeiten bei der Aussiedlung der Slowenen
        aus dem Ranner-Dreieck auf. Die diesbezüglichen Besprechungen hatten 
        bereits im Mai 1941 begonnen. Die Aussiedlung sollte in drei Wellen vor 
        sich gehen. Die beiden ersten hatten mit der Ansiedlung der Gottscheer 
        nichts zu tun. - Der eben erst gegründete kroatische Staat hatte 
        sich der deutschen Reichsregierung gegenüber bereit erklärt, 
        die ausgesiedelten Slowenen zu übernehmen, unter der Bedingung, daß 
        die kroatische Regierung jene Serben, die sich nach dem Ersten Weltkrieg 
        in Kroatien angesiedelt hatten, nach Restserbien ausweist. Am 18. Mai 
        1941 gab Hitler seine Zustimmung zu diesem Plan. Er konnte jedoch nicht 
        in Angriff genommen werden, weil die Partisanen in der italienisch besetzten 
        Provinz Laibach, in der Untersteiermark und in Kroatien ihre Kampftätigkeit 
        aufnahmen. Darauf war man auf deutscher Seite nicht gefaßt. Himmler 
        stoppte sofort die Slowenenaussiedlung. Die Kroaten aber zogen ihr Angebot 
        zu deren Übernahme zurück. Der steirische Gauleiter Uiberreither 
        ließ andererseits erkennen, daß er nicht nur gegen die Aussiedlung 
        der Slowenen, sondern auch gegen die Ansiedlung der Gottscheer auf ihrem 
        Territorium sei, ohne freilich eine andere, gerechtere Lösung anbieten 
        zu können. Das "Stabshauptamt" überspielte ihn mit 
        dem Vorschlag, die auszusiedelnden Slowenen in das Altreich zu verbringen. 
        Damit war das außenpolitische Problem gelöst und man behielt
        das Heft in der Hand. 
         
         
           
           
            
                | 
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              | Gauleiter
                  Siegfried
Uiberreither | 
              
       
                              
                           Am 10. Oktober 1941 - einundzwanzig Jahre zuvor hatte die Volksabstimmung
          in Kärnten stattgefunden - beendete Heinrich Himmler ein endloses 
          Hin und Her zwischen dem "Stabshauptamt" und der Gauleitung 
          in Graz mit dem kategorischen Befehl, die Gottscheer seien unverzüglich
          umzusiedeln. 
         
        Den Bewohnern des Gottscheerlandes blieb nichts erspart. Gauleiter
          Uiberreither hatte während des Gerangels mit dem "Stabshauptamt" die 
          Aussiedlung der Slowenen absichtlich verzögert. Wohin nun mit den 
          Gottscheern? Der Befehl Himmlers war nicht einfach wegzuwischen. Die Lage 
          am 10. Oktober: Es stand nicht annähernd genug Platz zur Verfügung, 
          um die Gottscheer von Hof zu Hof umzusiedeln. Der Winter stand vor der 
          Tür. Die Zeitnot schien jedes geordnete Umsiedeln unmöglich 
          zu machen. Trotz der zu erwartenden menschlichen und organisatorischen 
          Schwierigkeiten setzte das "Stabshauptamt" die Räumung 
          des "Ländchens" in Gang und beschleunigte gleichzeitig 
          die Aussiedlung der Slowenen. Mit der Koordinierung beider Wanderungsbewegungen 
          beauftragte Stabshauptamt-Chef Ulrich Greifelt den SS-Oberführer 
          Hintze. Ab 8. November 1941 hieß der Hintzsche Auftrag allerdings 
      "Gleichschaltung". 
         
        Der letzte Hoffnungsschimmer versank. Als Optionsfrist der Gottscheer
          für das Deutsche Reich wurde die Zeit vom 20. Oktober bis zum 20. 
          November 1941 festgesetzt. Keiner konnte sich der Entscheidung, zu bleiben 
          oder zu gehen, entziehen. Die Auseinandersetzungen der Gottscheer untereinander 
          wurden mit ähnlicher Verbissenheit wie im Jahre 1907 geführt. 
          Diesmal galt es aber nicht, einen Abgeordneten zu wählen, und dann 
          blieb alles wie es war. Der jetzt zu treffende Entschluß war auch 
          nicht vergleichbar mit jenem zur Auswanderung nach Österreich oder 
          in die USA. Der Auswanderer früherer Zeiten entschied sich frei und 
          nur für sich selbst. Er konnte auch bleiben, wenn er die Existenzsorgen
          auf sich nahm. So lange Gottscheer bis zu diesem Zeitpunkt ihre Heimat
          verlassen hatten, blieb diese bestehen. 
         
        Nun entscheide dich, Gottscheer! Wie du dich auch entscheidest, immer
          bist du gegen dein "Lantle"! 
         
        Um auch den letzten Landsmann in seiner Gewissensnot zu bezwingen,
          griff die Volksgruppenführung zu dem wirksamsten Mittel politischer Propaganda 
          neueren Stils, dem Massenaufmarsch. Unter dem Titel "Der letzte Appell!" 
        marschierten am 19. Oktober 1941 rund 900 Mannschaftsangehörige und 
          mehr als 1000 Jungen und Mädel vor der Volksgruppenführung und 
          dem deutschen Umsiedlungsbevollmächtigten, Dr. Heinrich Wollert, 
          auf, ein in der Sprachinsel noch nie gesehenes Bild - eine andere, makabere 
          Sechshundertjahr-Schlußfeier. 
         
        Mit schicksalhafter Pünktlichkeit begann am 20. Oktober 1941 die 
          Option der Gottscheer für Deutschland. 
         
        Das Stabshauptamt erhielt noch vor dem Beginn der "Durchschleusung" 
        Meldung über Unstimmigkeiten in der Volksgruppe. Es forderte beim 
          DUB in Laibach einen Tatsachenbericht an. Insbesondere ging es um die 
          Person Dr. Arkos. Die Volksgruppenführung hatte offenbar nach Berlin 
          mitgeteilt, er betätige sich als Gegner der Umsiedlung und gedenke 
          seinerseits nicht umzusiedeln. Von anderer Seite war das Gegenteil zu 
          hören, Dr. Arko gemahne nicht wenige seiner Landsleute an ihre Pflicht 
          gegenüber Deutschland. Der jungen Volksgruppenführung warf er 
          allerdings in einer Denkschrift an den Chef des EWZ-Sonderzuges im November 
          1941 vor, sie habe die Propaganda für die Umsiedlung zu wenig "seelisch" 
        betrieben. Gemeint hatte er damit wohl die harte, allzu harte Sprache, 
          mit der sie ihren Landsleuten die alte Heimat verleiden wollte. Mit dem 
          Ausdruck "zu wenig seelisch" wollte der verbitterte Volkstumspolitiker 
          offensichtlich den Mangel an Behutsamkeit des Herzens anprangern. Dr. 
          Hans Arko ist übrigens umgesiedelt, ließ sich in Rann/Sawe 
          und nach der Vertreibung in Völkermarkt als Rechtsanwalt nieder
          und starb 1953 in Klagenfurt. 
         
        Die Option schien klaglos abzulaufen. Geduldig, doch nicht ohne eine
          gewisse Neugier, ließen die Optanten die bürokratische Prozedur der 
      "Durchschleusung" über sich ergehen. Außer den ehemaligen 
          Hausierern der Winter von 1934 bis 1938 hatte ja kaum jemand aus der bäuerlichen 
          Bevölkerung vor einer deutschen Behörde gestanden. Das sehr 
          präzise, aber freundliche Fragen der Beamten und Beamtinnen war
          ihnen nicht unangenehm. Das schien ihnen gut deutsch zu sein. 
         
        Voraussetzung für alles weitere war der Optionsantrag. Der "Sturmführer" 
        hatte das leere Antragsformular ins Haus gebracht, ausgefüllt wieder 
          abgeholt, vom italienischen Bürgermeister bestätigen lassen, 
          dann dem Gebietsbevollmächtigten des DUB übergeben. Die gemeinsam 
          mit der DUT erstellten Listen der Optionswilligen wurden anschließend 
          an den EWZ-Sonderzug weitergereicht. Das Personal des Sonderzuges begab 
          sich übrigens zweimal in abgelegene Gegenden, um bei der schlechten
          Witterung den Umsiedlungswilligen den Weg in die Stadt zu ersparen. 
         
        Die Antragsteller wurden nach ihren persönlichen Daten, dem Wohnort, 
          der Gemeinde, der Bezirkshauptmannschaft, ja sogar nach ihrer persönlichen 
          Einstellung zur Volksgruppe befragt. Anschließend wurden sie photographiert, 
      ärztlich untersucht, geröntgt, "rassisch" beurteilt, 
          zugelassen und in das Deutsche Reich eingebürgert. Die Einbürgerungsurkunde 
          könne allerdings, so hieß es, erst im "neuen Siedlungsgebiet" 
        ausgehändigt werden. Auf diese Weise sollte verhindert werden, daß 
        sich einzelne Eingebürgerte mit diesem Dokument in der Hand einfach
          ins Reich absetzten. 
         
        Anschließend wurde für den Ansiedlungsstab in Marburg a. d. 
          Drau eine ausführliche Arbeitsunterlage erstellt. Sie diente der 
          Einsatzplanung in der Untersteiermark hinsichtlich Beruf und Besitz des 
          Umsiedlers, der eine Transportnummer zugewiesen erhielt, um die Stürme, 
          Ortschaften und Herde auseinanderhalten zu können. Der Umsiedler 
          hatte außerdem eine "Vermögenserklärung" abzugeben. 
          Kommissionen überprüften an Ort und Stelle den Stand und taxierten 
          den Wert des einzelnen Besitztums. Unter den zahlreichen Papieren, die 
          den Gottscheer aus seinem "Ländchen" hinausbegleiteten, 
          befanden sich zwei von geradezu erregender Gleichnishaftigkeit: der Umsiedlerausweis 
          und eine Erklärung, daß er all seinen Besitz - Haus, Hof, Grund 
          und Boden und Wald - an die "Deutsche Umsiedlungs-Treuhand-Gesellschaft" 
      übergeben habe. 
         
        Natürlich war der Umsiedlerausweis eine administrative Notwendigkeit, 
          denn sein Inhaber stand ja im staatsbürgerrechtlichen Niemandsland. 
          Die österreichisch-ungarische Staatsbürgerschaft hatte er verloren 
          oder nicht erlebt, die italienische gab man ihm nicht, die jugoslawische 
          besaß er nicht mehr und die deutsche war ihm lediglich versprochen, 
          nachweisen konnte er sie im Ernstfall noch nicht. Bis er sie endgültig 
          erhielt, durchlitt er die schier endlose seelische Not über den
          Verlust jenes Fleckchens Erde, worauf der Mensch ohne Ausweis gestellt
          wird, der
          Heimat. 
           
           
         
           
            
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                 Transport-Karte 
               | 
              
                 EWZ-Karte 
               | 
                | 
              
                 Deutsches
                    Reich -
        Umsiedlerausweis 
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          Gewiß wurde im deutsch-italienischen Umsiedlungsvertrag den Gottscheern 
            zugesichert, daß sie für die zurückgelassenen Vermögenswerte 
            entschädigt würden und sie glaubten daran, wenn sie ihre Vermögenserklärungen 
            ablieferten. Ebenso gewiß darf man ihnen jedoch keinen Vorwurf machen, 
            daß sie bei diesem Vorgang nicht an historische Zusammenhänge 
            dachten, etwa zwischen dem Handschlag, mit dem ihre Ahnen Urwaldboden 
            aus der Hand ihres Grundherrn übernahmen und dem Handschlag, mit 
            dem der Beamte des deutschen Reiches den schriftlichen Verzicht auf die 
            Heimat entgegennahm. - Wir Menschen des 20. Jahrhunderts denken kaum noch 
            in Symbolen und Sinnbildern. Das entbindet jedoch den Historiker nicht, 
            solche aufzuzeigen, wenn bei Völkern oder Stämmen und gewachsenen 
            menschlichen Gemeinschaften sich ihr Ende ankündigt. Hier ist ein 
            solches Ende. Mit jeder Unterschrift eines Gottscheer Bauern versank ein 
            winziger Teil des Gottscheerlandes für immer in der Geschichte, wurde 
            eine Tür, zu der es weder Schlüssel noch Klinke gab, zugeschlagen. 
             
            Im Sonderzug "Heinrich" funktionierte die "Durchschleusung" 
            also klaglos, nicht jedoch draußen in den Dörfern. Dr. Günther 
            Stier, der zuständige Abteilungsleiter im "Stabshauptamt", 
            ahnte, daß die Option nicht wie vorgesehen verlief, obwohl ihn ein 
            Zwischenbericht Lampeters hätte beruhigen können. Erst wenige 
            Tage vor dem Ende der Optionsfrist berichtete ihm die EWZ das bis dahin 
            vorliegende, katastrophale Ergebnis: Namentlich in der östlichen 
            und westlichen Randzone hatte sich die Gegenpropaganda ausgewirkt. Sie 
            ging vor allem von den Gottscheerinnen und Gottscheern aus, die mit Slowenen 
            verheiratet waren und lief darauf hinaus, den Umsiedlungswilligen Angst 
            um ihr Leben, wie um ihr Hab und Gut einzujagen. Bis zu 25% der Optionsberechtigten 
            waren nicht vor der EWZ erschienen. Ähnlich enttäuschende Prozentzahlen 
            mußten jedoch auch in den zentraler gelegenen "Stürmen"          verzeichnet 
            werden. In Rieg und Umgebung (Pfarrer Josef Kraker) und Mitterdorf (Pfarrer 
            Josef Eppich) waren ebenfalls ein Viertel der Bevölkerung nicht zur 
            Registrierung erschienen. Selbst der Sturm Nesseltal wies noch ein Minus 
            von 12% auf obwohl Pfarrer August Schauer bereits am 1. Juli 1941 gestorben 
            war. Daß in Lienfeld die Verweigerung der Option ebenfalls bei 20% 
            lag, war zweifelsfrei auf die Einstellung des Oberlehrers i. R. Josef 
            Perz zur Umsiedlung zurückzuführen. Da aber die "Stürme" 
          Gottschee/Stadt, Mitterdorf, Rieg und Nesseltal die volkreichsten des 
            gesamten Siedlungsgebiets waren, handelte es sich bei den Unentschlossenen 
            um mehr als ein Viertel der Bevölkerung des Siedlungsgebiets. 
           
          In Berlin rechnete man sich die Folgen aus, wenn es nicht gelang,
            im Verlauf der verbliebenen Tage der Optionsfrist eine Korrektur
            nahe an 100% herbeizuführen. 
            Sonst geriet die Reichsregierung in Vertragsverzug gegenüber den 
            Italienern. Der Feindpropaganda aber lieferte man das nur schlecht widerlegbare 
            Argument, daß das Reich trotz aller Wehrmachtssiege die Anziehungskraft 
            für die Volksdeutschen eingebüßt habe. 
           
          Etwa zum gleichen Zeitpunkt, als dem "Stabshauptamt", dem DUB 
            und der Volksgruppenführung der Ernst der Lage bewußt geworden 
            war, verließ am 14. November 1941 der erste Umsiedlertransport
            den Bahnhof in Gottschee/Stadt. 
             
            
           
          
          
            
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              | Umsiedlung
              in Suchen mit Hakenkreuzfahnen | 
              Italienische
              Wehrmacht "Carabinieri reali" | 
             
       
           
           
          Der DUB erhielt aus Berlin den dringenden Befehl, das Problem der
            Umsiedlungs-Unwilligen auf schnellstem Wege zu lösen. Dr. Wollert veröffentlichte daraufhin 
            am 17. November, also ganze drei Tage vor Ablauf der Optionsfrist, eine 
            Sondernummer der "Gottscheer Zeitung" mit einer "Aufklärung", 
            die in fliegender Hast über das "Ländchen" gestreut 
            wurde. In dem Hauptartikel wurden Versprechungen abgegeben, die nie gehalten 
            werden konnten, und Behauptungen aufgestellt, die einfach nicht stimmten. 
            So hieß es da unter anderem: 
           
"Was erwartet Euch in der neuen Heimat? Dies ist nun die Frage all 
            derer, die ihre Freunde und Verwandten abfahren sehen, ohne selbst schon 
            mitreisen zu können. 
           
          Grundsatz jeder Umsiedlung ist: Der Umsiedler erhält für seinen 
            zurückgelassenen Besitz im Umsiedlungsgebiet einen Besitz von gleichem 
            Wert. Das bedeutet, daß ein Gottscheer Bauer, der hier einen Hof 
            hinterläßt, auf dem er gut und auskömmlich leben konnte, 
            im neuen Umsiedlungsgebiet einen Hof bekommen wird, auf dem er sein gutes 
            Auskommen findet. Es bedeutet aber auch, daß ein Bauer, der hier 
            durch die Ungunst der Verhältnisse gezwungen war, auf einem Hofe 
            zu leben, der für ihn und seine Familie keine auskömmlichen 
            Lebensgrundlagen bot, diese im neuen Siedlungsgebiet finden wird. Ziel 
            der Umsiedlung ist, gesundes Bauerntum auch auf auskömmlicher Ackergrundlage 
            zu schaffen. Wer fähig ist, einen Bauernhof zu bewirtschaften, wird 
            also die Möglichkeit haben, sich den Hof zu schaffen, der ihm und 
            seiner Familie bessere Lebensbedingungen ermöglicht." 
           
          Der oder die Verfasser dieser "Aufklärung" hatten anscheinend 
            noch während der Niederschrift dann doch Bedenken gegen das Zuviel 
            an Versprechungen und schränkten sie gleich wieder folgendermaßen
            ein: 
           
"Die Auswahl der neuen Höfe erfordert sorgfältigste Vorbereitung. 
            Hierbei wird von den Ansiedlungsstäben angestrebt, auch weitgehendst 
            die besonderen Wünsche der Umsiedler zu berücksichtigen. Bei 
            der Bedeutung dieser Aufgaben, deren Auswirkung sich auf Jahrzehnte und 
            Jahrhunderte erstrecken wird, ist es nicht möglich, dem Umsiedler 
            die fertige Lösung bereits bei seiner Ankunft vorzulegen. 
            Es wird also zunächst nicht immer möglich sein, den Umsiedler 
            sofort bei seiner Ankunft auf dem Besitz unterzubringen, der seinen Fähigkeiten 
            und seinem hinterlassenen Vermögen entspricht. Andererseits ist im 
            Interesse der Umsiedler, wie auch zur Vermeidung von Arbeitskraft- und 
            Zeitvergeudung, ein Lageraufenthalt nicht vorgesehen. Demzufolge wird 
            ein Teil der Umsiedler zunächst einen Betrieb zugewiesen erhalten, 
            der dem bisherigen nur etwa entspricht. Hier kann der Umsiedler sofort 
            mit der Arbeit beginnen. Stellt sich dann im Laufe des Winters heraus, 
            daß dieser vorläufig angewiesene Hof den Fähigkeiten und 
            dem Wert des hinterlassenen Vermögens des Umsiedlers nicht entspricht, 
            so erfolgt eine Umbesetzung derart, daß der Bauer im Frühjahr 
            seinen neuen Acker bestellen und seinen Hof endgültig übernehmen 
            und bewirtschaften kann. Die in Aussicht genommene Zwischenbewirtschaftung 
            und zwischenzeitliche Unterbringung erfolgt also ausschließlich 
            im Interesse der Umsiedler, um Fehlentscheidungen, die sich für die 
            Dauer ungünstig auswirken müßten, unter allen Umständen 
            zu vermeiden."
          Dem Herausgeber waren außerdem die Besorgnisse der Gottscheer
            wegen der Vertreibung von Slowenen aus ihren Wohngebieten sehr gut
            bekannt,
            denn er versuchte, die Bedenken mit Worten, unter denen keine einzige
            glaubhafte Angabe stand, zu zerstreuen, indem er schrieb: 
           
"Die früheren Bewohner dieses Gebietes sind in aller Ordnung 
            umgesiedelt und werden ebenfalls vom Deutschen Reich betreut. Abgesehen 
            davon, daß diesen Bewohnern volle Entschädigung ihres hinterlassenen 
            Vermögens zugesichert ist, beweisen Briefe und Berichte dieser Menschen, 
            daß sie in ihrem neuen Siedlungsgebiet gut untergebracht sind
            und hoffnungsfroh ihrer Zukunft entgegensehen." 
           
          Das war reiner Hohn auf die Vertrauensseligkeit der Gottscheer. Weder
            war die Umsiedlung dieser "Bewohner" im Zeitpunkt des Erscheinens 
            der "Aufklärung" abgeschlossen noch konnte von einem "Siedlungsgebiet" 
          der Slowenen im deutschen Reich die Rede sein. Sie saßen vielmehr 
            in Lagern der "Volksdeutschen Mittelstelle", wurden zum Teil 
            als "Fremdarbeiter" in Rüstungsbetrieben eingesetzt und 
            erhielten dann auch Wohnungen zugeteilt. Kein Wort auch darüber, 
            daß rund 37.000 Slowenen aus dem "Sawe-Sotla-Streifen",
            wie das Ranner Dreieck im Amtsgebrauch auch genannt wurde, ausgesiedelt
            werden sollten und wurden. 
           
          Die Volksgruppenführung und die "Stürme" rangen in 
            diesen entscheidenden drei Tagen verzweifelt um die letzten Prozente der 
            Unentschlossenen. Sie hatten eine neue, unerwartete Barriere zu überwinden: 
            Kaum waren die Umsiedlertransporte in der Untersteiermark eingetroffen, 
            als im "Ländchen" schon unkontrollierbare Gerüchte 
            und Berichte auftauchten, die Einweisung der Umgesiedelten in ihre neuen 
            Objekte sei schlecht organisiert, Möbel stünden entlang der 
            Straße ungeschützt im Schnee, die ausgesiedelten Slowenen hätten 
            ihre Häuser und Wohnungen zum Teil vor dem Abzug demoliert, und die 
            den Gottscheern zugewiesenen Höfe entsprächen auch nicht annähernd 
            den in der Heimat zurückgelassenen Anlagen. 
           
          Am 20. November 1941 lief die Optionsfrist ohne Verlängerung ab. 
            Die EWZ hatte die Optionsanträge von 11.747 in der Sprachinsel Gottschee 
            wohnhaften Personen entgegengenommen. Nach Dr. Wollert waren es 12.104. 
            In nüchternen Zahlen aufgegliedert, registrierte die EWZ: 
           
"8624 über vierzehn und 3123 Personen unter vierzehn Jahren. 
            Darunter befanden sich 93 Personen mit deutscher, bereits vor der Umsiedlung 
            erworbener Staatsangehörigkeit." 
           
          Eine Statistik außerhalb der EWZ erfaßte 11.756 Personen: 
            5850 männliche und 5906 weibliche, die zusammen 2951 Herdhaltungen-Haushalten 
            angehörten. 
           
          Die EWZ bescheinigte in ihrem Abschlußbericht den Gottscheern einen 
            guten Gesundheitszustand und zählte sie zu den besten Umsiedlern,
            die sie bis dahin durchschleust hatte (Frensing, Seite 166 und 168). 
             
           
            
          Abschlußbericht
            "Umsiedlung
            der Gottscheer", nationalsozialistische
            EWZ-Einwandererzentralstelle 
             
             
            Alles, aber auch alles schien sich gegen die 12.000 Gottscheer verschworen
            zu haben. Selbst die Natur trumpfte noch einmal auf und ließ sie 
            die ganze Härte des kontinentalen Klimas spüren. Gegen Ende 
            November - es war noch der größere Teil der Umsiedler abzutransportieren 
            - setzten heftiger Dauerschneefall und klirrende Kälte ein. Sie erschwerten 
            den Transport der Menschen und des Umsiedlungsgutes, wie des Viehs, zu 
            den Zügen da und dort bis zur Unbeweglichkeit. Die vom DUB bewerkstelligten 
            70 Lastkraftwagen konnten nur noch auf wenigen Straßen eingesetzt 
            werden, weil es unmöglich war, die höher gelegenen Wege schneefrei 
            zu halten. Ferner weigerten sich die dienstverpflichteten holländischen 
            Lkw-Fahrer, überhaupt noch ans Steuer zu gehen, weil sie befürchten 
            mußten, bei Walddurchfahrten von Partisanen abgeschossen zu werden. 
            Schließlich blieben auch die letzten Lastkraftwagen stehen, weil 
            der zugesagte Benzinnachschub ausblieb. Die Gottscheer aber wurden dank 
            ihrer gelernten Improvisationskunst mit dem Verkehrsproblem im Aussiedlungsgebiet 
            fertig: Die Volksgruppenführung stellte den gesamten Transport
            auf den Schlitten um. 
             
            Das ging noch. Da konnte man mit den Händen zupacken. Wehrlos aber 
            fühlte sich der Umsiedler gegenüber den Tatbeständen, die 
            in immer neuen Hiobsbotschaften aus der Untersteiermark berichtet wurden. 
            Sie bestätigten, daß die Wiederansiedlung schlecht organisiert 
            war. Die versprochene Von-Hof-zu-Hof-Unterbringung und die Von-Dorf-zu-Dorf-Umsiedlung 
            wurden nicht eingehalten, weil sie nicht eingehalten werden konnten! Die 
            Höfe und Dörfer der abgesiedelten Slowenen wiesen eine völlig 
            andere Struktur auf als jene in Gottschee. Kein Hof und kein Dorf von 
            drüben ließen sich mit solchen von hüben vergleichen. 
            Wohl als Folge der negativen Einstellung des Gauleiters Uiberreither zur 
            Ansiedlung der Gottscheer im Ranner Dreieck arbeitete der Ansiedlungsstab 
            in Marburg verdrossen und nachlässig. Es standen wirklich Möbel 
            im Schnee, wenn auch nicht in allen Straßen. Und es konnte tatsächlich 
            wenige Tage vor dem Heiligen Abend ein Umsiedlertransport nicht abgefertigt 
            werden, weil der zuständige Sachbearbeiter vergessen hatte,
            einen Stellvertreter einzuteilen, bevor er selbst in den Weihnachtsurlaub
            fuhr. 
             
            Die Italiener behandelten die Gottscheer nicht wie Angehörige jenes 
            Volkes, mit dem sie eine "eherne Achse" verband, sondern wie 
            ein lästiges Element, das, je eher desto besser, verschwinden
            sollte. Beschlagnahmungen waren an der Tagesordnung. 
             
            Die Volksgruppenführung befand sich diesen von ihr nicht verschuldeten 
            Schwierigkeiten gegenüber in einer begreiflicherweise komplizierten 
            Lage. Bei aller Kritik an ihrer Verhaltensweise im Sommer 1941 kann man 
            ihr nicht nachsagen, sie habe sich vor den Umsiedlungsproblemen drücken 
            wollen oder habe überhaupt nicht erkannt, worin sie bestanden.
            Sie handelte weiterhin so, als ob ihr niemand die Verantwortung 
            für das weitere Schicksal der Gottscheer abnehmen könnte. Das 
            war menschlich gewiß ein Plus für sie. Ob es unter den gegebenen 
            Umständen politisch klug war, wird sich zeigen. 
             
            Am 29. Dezember 1941 unternahm Willi Lampeter einen gewagten Schritt. 
            Er entsandte einen Stellvertreter, den Jugendführer Richard Lackner, 
            ausgestattet mit einem persönlichen Geschenk an Heinrich Himmler 
            nach Berlin. Lackner wollte diesem, dem "Reichskommissar für 
            die Festigung Deutschen Volkstums", die unhaltbaren Zustände 
            in der Untersteiermark schildern und um die nötigen Befehle zu ihrer 
            Beseitigung bitten. Lampeter, der die Spielregeln der Mächtigen des 
            Dritten Reiches nicht kannte, erhoffte sich von der Berlin-Reise den spektakulären 
            persönlichen Erfolg, den er gegenüber den "Miesmachern" 
            auf einer Versammlung am 3. Jänner 1942 in Gottschee-Stadt ausspielen 
            wollte. Lackner traf den Reichsführer-SS nicht an, er befand sich 
            angeblich im Führer-Hauptquartier. Auch beim Chef des "Stabshauptamtes" 
            erhielt er erst am 5. Jänner einen Besprechungstermin. Greifelt gab 
            dem Jugendführer aus Gottschee zu verstehen, er wisse bereits alles, 
            was er ihm berichten wolle, und er habe schon am Vormittag des 5. Jänner 
            den SS-Oberführer Hintze beauftragt, "die Dinge unten" 
            in Ordnung zu bringen. 
             
            Willi Lampeter fühlte sich auf der Versammlung vom 3. Jänner 
            durch das unfreiwillige Schweigen Lackners in die Enge getrieben. Man 
            konnte diese Zusammenkunft von etwa hundert Stadtbürgern mit Fug 
            und Recht als Protestaktion bezeichnen. Sie forderten von dem Mannschaftsführer 
            verbindliche Aufklärung darüber, was nun an seiner Schilderung 
            der Zustände im Ansiedlungsgebiet wahr sei und drohten mit dem Widerruf 
            der Option. Ein ebenfalls anwesender Vertreter des Ansiedlungsstabes in 
            Marburg warf dem Gottscheer Mannschaftsführer in heftigen Ausfällen 
            vor, er verbreite Unwahrheit, die er nie verantworten könne. In der 
            sich entwickelnden, hitzigen Debatte bestand der junge SS-Sturmbannführer 
            auf der vollen Wahrhaftigkeit seiner Angaben. 
             
            Am 6. Jänner 1942 kehrte Richard Lackner aus Berlin zurück. 
            Lampeter sah keine andere Möglichkeit mehr, als sich direkt schriftlich 
            an Heinrich Himmler zu wenden. Er schickte dem Reichsführer-SS am 
            9. Jänner einen Bericht über die verheerenden Zustände 
            im Ansiedlungsgebiet und das Versagen des Ansiedlungsstabes. Im Interesse 
            der Umgesiedelten bat er dringend um Abhilfe. Einen Durchschlag des Briefes 
            an Himmler schickte Lampeter jedoch erst am 10. Jänner an das "Stabshauptamt". 
            Schon diese Verzögerung um einen Tag brachte Ulrich Greifelt gegenüber 
            seinem obersten Chef Heinrich Himmler in eine schiefe Lage. Der persönliche 
            Stab des Reichsführers-SS verlangte nämlich umgehend eine Stellungnahme 
            des "Stabshauptamtes" zu dem alarmierenden Brief aus der Untersteiermark. 
            Da aber Greifelt von Lampeters Bericht nichts wußte, glaubte er 
            sich von diesem überspielt und unterschob ihm außerdem die 
            Absicht, seine Dienststelle im Bereich Gottschee auszuschalten. Hintze 
            erhielt augenblicklich den Befehl, Lampeter zur Verantwortung zu ziehen. 
            Der Gottscheer "Mannschaftsführer" hatte an Himmler unter 
            anderem folgendes geschrieben: 
             
            Erstens: Er habe wochenlang versucht, gegen das Versagen der Betreuung 
            im Umsiedlungsgebiet zu wirken und bemängelte die unhygienische Unterbringung 
            von werdenden und stillenden Müttern in Massenquartieren.
             Zweitens: 
        Der Abtransport der Umsiedler von den Bahnhöfen zu ihren Winterquartieren 
        sei mangelhaft organisiert. So habe zum Beispiel Umsiedlergut wochenlang 
        entlang der Straße im Schnee gelegen. 
         
        Drittens: Die Zwischenbewirtschaftung von landwirtschaftlichen Anwesen 
        mit slowenischen Knechten durch die DAG habe das Anwachsen der Viehdiebstähle 
        begünstigt. 
         
        Viertens: Die im Umsiedlungsgebiet eingesetzten slowenischen Hilfsgendarmen 
        seien noch nicht gegen deutsche Beamte ausgetauscht worden. (In diesem 
        Punkt gab Hintze Lampeter recht und bemängelte seinerseits die Versäumnisse 
        der zuständigen steirischen Behörden.)  
         
        Fünftens: Phrophezeihungen der ärgsten Hetzer der Gegenpropaganda 
        seien durch die Wirklichkeit übertroffen worden. (Vergl. Frensing, 
        Seite 133.) 
         
        Sechstens: Es habe sich ein großer Mangel an Quartieren gezeigt. 
         
        Der SS-Oberführer Hintze berief für den 16. Januar 1942 eine 
        Besprechung aller beteiligten Dienststellen einschließlich der Gottscheer 
        Volksgruppenführung nach Marburg an der Drau ein. Er wies die Anschuldigungen 
        Lampeters gegen den Ansiedlungsstab pauschal zurück, wiewohl er kleinere 
        Zugeständnisse einräumte. Aber darum ging es eigentlich gar 
        nicht mehr. Den Gottscheern, namentlich Lampeter, sollte vor Augen geführt 
        werden, daß der Nationalsozialist, in welcher Lage immer, zu gehorchen 
        habe. Außerdem verhärtet sich hier der Eindruck, daß 
        Greifelt und Hintze die Gelegenheit gerne benutzten, um den renitenten 
        Sturmbannführer aus Gottschee aus dem Sattel zu werfen. - Hintze 
        warf Lampeter insbesondere sein Verhalten in der Versammlung vom 3. Januar 
        1942 vor und bezichtigte ihn, er habe bewußt Öl ins Feuer gegossen, 
        anstatt seine Landsleute zur Umsiedlung zu bewegen. Er habe die Verhältnisse 
        in der Untersteiermark völlig unzutreffend dargestellt. Der Angegriffene 
        verteidigte sich mit dem Hinweis, er habe die unbestreitbaren Tatbestände 
        aufzeigen wollen, um die Hintergründe der Beschwerden der Umsiedler 
        ins rechte Licht zu rücken. Für Hintze war das lediglich eine 
        schlechte Ausrede. 
         
        Doch nicht nur von oben, auch von unten her wurde Willi Lampeter um eine 
        bittere Erfahrung bereichert, von den eigenen Leuten. Er hatte am 11. 
        Januar 1942 seine Unterführer bei einem "Appell" in Rann 
        aufgefordert, sich wieder enger um die frühere Volksgruppenführung, 
        sollte wohl heißen, um ihn, zu scharen und hatte ihnen seine nächsten 
        Pläne erläutert. Er ließ keine Zweifel aufkommen, daß 
        er dabei durchaus selbständig vorzugehen gedachte. Nun mußte 
        er in der eben laufenden Sitzung, die mehr einer Vernehmung als einer 
        Besprechung glich, aus dem Munde Hintzes erfahren, daß ihm über 
        den Ranner "Appell" genaue Unterlagen zur Verfügung stünden. 
        Der "Mannschaftsführer" mußte also zur Kenntnis nehmen, 
        daß auf seine daheim erprobte Gefolgschaft kein Verlaß mehr 
        war. Und in seiner Enttäuschung stolperte er unbedacht über 
        den Fallstrick, den ihm der routiniertere Hintze mit den Worten legte: 
         
        "Zu den Sturmführern haben Sie u. a. gesagt .. . über den 
        Kopf des Gauleiters hinweg und durch Übergehen der übergeordneten 
        Dienststellen wollten Sie in Berlin Ihre Belange vertreten." 
         
        Lampeter darauf: "Vorläufig war es so, daß ich keine vorgesetzte 
        Dienststelle habe."       Über 
        die Folgerungen, die aus dem Verhalten Lampeters zu ziehen waren, berichtete 
        der SS-Oberführer Hintze am 19. Januar 1942 an Greifelt: "Aus 
        dem Ergebnis meiner eingehenden Besprechungen mit Lampeter habe ich den 
        Eindruck gewonnen, daß er für die ihm übertragenen Aufgaben 
        wie für die Ernennung zum SS-Sturmbannführer zu jung und unerfahren 
        ist und daß es ihm auch an der für ein solches Amt erforderlichen 
        Einsicht und Selbstdisziplin fehlt. Ich habe ihm daher eröffnet, 
        daß ich nun selbst die Führung der Gottscheer Wehrmannschaft 
        übernehme und ihn bitten müsse, sich im Ansiedlungsgebiet jeder 
        Tätigkeit zu enthalten und daß ich diese Maßnahme auch 
        auf seinen Stabsführer Lackner ausdehnen müsse." Abschließend 
        schlug der Berichterstatter dem "Stabshauptamt" vor, Lampeter 
        unverzüglich in das Alt-Reich abzuberufen. Ein weitergehendes Dienstverfahren 
        gegen ihn schloß er nicht aus. 
         
        Der gemaßregelte Willi Lampeter aus Mitterdorf bei Gottschee war 
        nun ein schlichter Umsiedler mit Ausweis und Transportnummer, ins Altreich 
        abgeschoben. In den Augen seiner prestigesüchtigen SS-Oberen hatte 
        er sich als unfähig und zuwenig nationalsozialistisch erwiesen. Ein 
        Held? Eine tragische Figur? Eher das Letztere. Seine Schuld: Er war so 
        naiv und vermessen, anzunehmen, er könne, mit den 600 Jahren Gottscheer 
        Geschichte im Rücken, im Einsatz für das Schicksal seiner Landsleute 
        direkt an die Großen des Dritten Reiches herantreten. Er hatte mit 
        seinem Vorgehen nicht nur deren Überempfindlichkeit verletzt, sondern 
        auch gegen das Lebensgesetz der Gottscheer verstoßen: die Enge des 
        Raumes und die Ohnmacht der geringen Zahl. 
         
         
                  
        SS-Standartenführer Otto Lurkner 
         
         
        Was nun die sachliche Richtigkeit der von Willi Lampeter vorgetragenen 
        Beschwerden angeht, so wurden diese von mehreren glaubwürdigen Beobachtern 
        nachträglich nicht nur bestätigt, sondern einschlägig ergänzt. 
        So erhielt der inzwischen beförderte SS-Brigadeführer Hintze 
        am 17. Februar 1942 vom Chef des SD-Abschnittes Untersteiermark, SS-Standartenführer 
        Lurkner, einen Bericht mit zum Teil haarsträubenden Einzelheiten. 
        Im Juni 1942 faßte der Leiter der Kulturkommission beim DUB in Laibach, 
        Professor Dr. Hans Schwalm, seine Eindrücke im Ansiedlungs-gebiet 
        der Gottscheer wie folgt zusammen: "Es ist erschütternd zu beobachten, 
        welche Mißstimmung sich unter den Gottscheern breitgemacht hat. 
        Als Ursachen für diesen katastrophalen Zustand sind anzusprechen: 
        Die schlechte Organisation bei der Ankunft der Gottscheer im Ranner Ansiedlungsgebiet, 
        der wirklich trostlose Zustand der Häuser im Ansiedlungsgebiet, das 
        Fehlen einer selbstverantwortlichen Tätigkeit ... das Mitansehenmüssen 
        der zum Teil schon verbrecherischen Mißwirtschaft einzelner Funktionäre 
        der DAG ... das Fehlen einer eigenen politischen Führung und mannschaftlichen 
        Lenkung, ein Mangel, der nicht durch den Aufbau einer entsprechenden Organisation 
        des "Steirischen Heimatbundes" ersetzt werden konnte". 
        (Nach Frensing, Seite 149/50). Auch von Gottscheern liegen Berichte vor. 
        Lassen wir zuerst den früheren Altlager Pfarrer Alois Krisch zu Worte 
        kommen. Er beklagt sich nicht direkt darüber, daß er nun sein 
        Seelenhirtenamt nicht mehr inmitten des ihm ans Herz gewachsenen Volkes 
        ausüben konnte, doch liest man zwischen den Zeilen seines Berichtes, 
        wie sehr er die Zersplitterung der in Jahrhunderten zusammengewachsenen 
        Familien seiner Pfarre bedauerte. Er schreibt auf Seite 20 der "Dokumentation 
        des Bundesministers für Vertriebene und Flüchtlinge", Band 
        Nr. V: 
         
            "In 
        den Ortschaften angekommen, wurden die einzelnen Familien in Häuser, 
        gute und schlechte, auch in ganz erbärmliche Keuschen (kleine Wohnhäuser 
        von Taglöhnern), alles sogenannte provisorische Winterwohnungen, 
        eingewiesen Da gab es nun vielzuviel Enttäuschungen, viel Leid und 
        Tränen, viel Zorn und schimpfen, und das sehr oft mit gutem Recht 
        und gutem Grund, aber auch nicht selten ohne Ursache. Zum (wenigstens 
        teilweisen) Verständnis alles dessen möge folgendes dienen: 
       
      ... Als wir in Rann angekommen sind, bevor wir noch aus dem Zuge ausstiegen, 
        kam einer von den Unsrigen, der zwei Tage vorher mit den Langentonern 
        hergekommen war, und erzählte weinend, wie schlecht es hier sei, 
        wie schlimm er drangekommen sei, was für eine Keusche er bekommen 
        habe usw. Ich nahm mich fest zusammen, um nicht auf ihn zu schimpfen, 
        denn ich ärgerte mich sehr über ihn, da ich wußte, daß 
      dieser Mann gar nichts hatte, gar nichts. Er wohnte in einer fremden Keusche. 
        Da war es also gar nicht möglich, daß er es schlechter bekommen 
        hatte als daheim, wo er doch nichts hatte. Der hatte wahrhaftig keinen 
        Grund, so zu reden - besser als nichts ist alles -; darüber braucht 
        ein junger Mann nicht zu weinen! Darauf machte ich die Leute aufmerksam, 
        als er wieder draußen war, und sie waren beruhigt, sie kannten seine 
        Verhältnisse von daheim. ... 
         
         
          
Die
        Gottscheer verlassen ihre "Heimat", 15.11.1941  
        
            
             
             
            Viel Schuld an der Unzufriedenheit hatte die im vergangenen Sommer
            so unvernünftig übertriebene Propaganda von großartigen Höfen 
        und Stallungen (in Wirklichkeit war der allgemeine Stand der Häuser 
        und Ställe weit unter dem von uns daheim; im allgemeinen waren die 
        Wohnungen im Gottscheerlande viel besser und geräumiger), wie die 
        Umsiedlung bequem von Hof zu Hof gehen werde; es hieß: Ihr verlaßt 
        hier Euren Hof, und dort fahrt Ihr von der Bahn mit dem Auto in Euren 
        neuen, eingerichteten Hof usw. - und nun finden sie so viele Elendskeuschen! 
        Gar mancher gute Bauer von daheim mußte mit einer armseligen Keusche 
        vorlieb nehmen und mit der ganzen Familie, mit 4,5 bis 6 Kindern in einem 
        einzigen, oft auch noch feuchten Zimmer hausen! Es ist unbegreiflich, 
        wie die Propaganda solche Gegensätze zur Wirklichkeit vorbringen
        konnte. 
         
        Diese Wirkung wurde noch gesteigert dadurch, daß die Leute sahen, 
        es waren sehr wenig gute Häuser und Bauernhöfe vorhanden. Sie 
        wußten daher, es könne doch nur ein kleiner Teil unseres Volkes 
        ordentlich beteilt werden - im Sinne der Propaganda überhaupt nicht. 
        Deswegen half das Vertrösten, im Frühjahr werde alles in Ordnung
        gebracht, nicht viel, auch nicht die Versprechungen von Neubauten. 
         
        Noch unvernünftiger als diese Propaganda waren die unglaublichen 
        Erwartungen mancher Leute. Das will ich nicht genauer beschreiben, will 
        nur anführen, daß ich einige Monate vor der Umsiedlung solchen, 
        die so phantasierten, einmal sagte. Wenn Sie glauben, daß dort, 
        wo Sie hinkommen, ein gut eingerichtetes Haus, alles auf den Glanz geputzt, 
        Speisezimmer, Extrazimmer und Wohnzimmer alles warm geheizt, ein Stall 
        voller Vieh wartet, und vielleicht auch noch das festlich gekleidete Dienstpersonal 
        Sie vor dem Hause freudig begrüßen werde, daß Sie nun 
        endlich einmal gekommen sind, und Sie dann ins Speisezimmer führt, 
        Sie sollen sich setzen, und dann gleich Braten und Pobolitzen (eine Art 
        Rosinenstrudel) auftragen werde - dann werden Sie furchtbare Enttäuschungen
        erleben, da kann Ihnen niemand helfen. 
         
        Einige von den Unzufriedenen übersiedelten mehrmals, zogen bald daher, 
        bald dorthin, waren aber nirgends zufrieden. Auch gab es solche, die nur 
        jammerten, weil sie von anderen angesteckt waren; es sah aus wie eine 
        ansteckende Krankheit, anders war es bei einigen nicht zu erklären. 
         
        Das ganze erklärte ich einmal beim Landrat gelegentlich eines diesbezüglichen 
        Gesprächs mit einem Vergleich, indem ich sagte: Versuchen Sie einmal 
        einen Obstgarten mit älteren Bäumen auch nur einige Meter weit 
      zu übertragen. Es wird 
        nicht gut tun. Unsere Gottscheer waren aber auch fest verwurzelte Bäume 
        und zwar seit Jahrhunderten. Er gab mir recht. 
       
      ... Trotz dieser angeführten Dinge muß aber gesagt werden, 
        daß viel Zorn, viel Schimpfen, viel Jammer, viel Leid und sehr viel 
        Tränen nur allzu berechtigt waren. 
       
      Viele Familien, auch solche mit vielen Kindern, die daheim ein schönes 
        und geräumiges Haus hatten, waren in wahren Elendswohnungen untergebracht; 
        das nicht nur einige Wochen und Monate, sie hausten auch den zweiten, 
        manche auch den dritten und vierten Winter noch darinnen. Sie mußten 
        aushalten, obwohl sie sich viel Mühe gaben und viele Wege machten, 
        um eine Änderung zu erreichen. 
       
      Bei diesen Einweisungen kamen viele Ungerechtigkeiten vor. Einigen Leuten, 
        die daheim große und sehr gut bewirtschaftete Bauernhöfe gehabt 
        haben, wurde entsprechend gegeben; anderen ebenso guten Bauern und Besitzern 
        wurden aber Sachen angeboten, die kaum den vierten Teil des ihrigen in 
        der Heimat erreichten. Viele von diesen nahmen natürlich nicht an. 
        Anderen wurden Angebote gemacht, die ihren Besitz in der Heimat um das 
        Zehnfache und mehr überstiegen. Manche nahmen an, andere weigerten 
        sich mit Recht, Verpflichtungen einzugehen, für die sie Jahrzehnte 
        lang zahlen müßten (es wurde dreißigjährige Abzahlung 
        angeboten) ... 
       
      Viele unserer Leute wurden weit weg angesiedelt, bei Marburg, Pettau und 
        anderswo, so daß sie ganz getrennt von unserem Volke 100 und mehr 
        km entfernt waren. Auch wurden durch ungerechte Angebote absichtlich sogenannte 
      "O-Fälle" geschaffen. Man bot den Siedlern solche Sachen 
        an, die sie selbstverständlich nicht annehmen konnten. Das zweite 
        und dritte Angebot war nicht besser. Da sie auch nicht annahmen, hieß 
      es: es seien Leute, die trotz mehrerer Angebote nicht zufrieden sein wollen, 
        und daher nach Osten (O-Fälle), nämlich nach Polen, geschickt 
        werden sollen. Ich kenne einen Fall, in dem ein junger Gottscheer Bauer, 
        dem dies angedroht wurde, sagte: Herr St;, bieten Sie mir einmal etwas 
        an, was auch nur die Hälfte oder wenigstens ein Drittel dessen wäre, 
        was ich daheim hatte, und ich werde annehmen! 
       
      ... Außer den O-Fällen gab es auch "A-Fälle". 
        Diese wurden schon daheim bei der sogenannten Durchschleusung als solche 
        bezeichnet, sie bekamen in ihren Umsiedlerausweis" ein A hinein. 
        Es waren jene, die man als nicht vollwertig 
      (scheinbar nach dem Rassen-Gesetz) betrachtete. Sie sollen von den anderen 
        Gottscheern getrennt werden und ins Altreich (daher A-Falle) kommen. Sie, 
        nämlich die ganze Familie, wurden dann auch hinausgebracht und dort 
        wieder getrennt von allen anderen in verschiedene Fabriken als Arbeiter 
        gesteckt, obwohl sie daheim Bauern waren und Besitz hatten. 
       
      Alte und arbeitsunfähige Leute wurden fürsorglich in ein Versorgungsheim 
        gebracht Von mehreren wissen wir, daß sie nach Passau kamen. Von 
        einigen auch, daß sie dort bald gestorben sind. Von den anderen? 
        War es wirklich Fürsorge oder -?" 
       
      Der Zusammenhang und Zusammenhalt, welche die typische Ausprägung 
        des Gottscheer Volkstums überhaupt erst ermöglicht hatten, wurden 
        bereits in der Untersteiermark planlos zerstört. Neues Gottscheer 
        Volkstum konnte auf diesem zerfahrenen Boden nicht mehr entstehen. Vom 
      "Stabshauptamt" war an sich vorgesehen gewesen, noch vor dem 
        Auszug aus dem Gottscheerland eine querschnittartige Bestandsaufnahme 
        des vorhandenen Volkstumsgutes festzuhalten. Doch die beim DUB in Laibach 
        vorgesehen Kulturkommission kam nicht zum Zuge. Die Italiener verhinderten 
        ihre Einreise in die Provinz Laibach absichtlich durch Verzögerung 
        der Visa-Erteilung so lange, bis die klimatischen Schwierigkeiten die 
        Aufnahme der Forschungstätigkeit unmöglich machten. Einem glücklichen 
        Zufall ist es zu danken, daß der 
        Wiener Brauchtumsforscher, Universitätsprofessor Dr. Richard Wolfram, 
        noch vor dem Jugoslawien-Feldzug in der älteren Generation der Gottscheer 
        den Brauchtumsbestand im Jahresablauf abfragen konnte. In fünf Beiträgen 
        im "Jahrbuch für Ostdeutsche Volkskunde" und in mehreren 
        Vorträgen steckte Prof. Wolfram das etwas vernachlässigt gewesene 
        Sachgebiet "Brauchtum der Gottscheer" neu ab - wohl wissend, 
        daß es in der Wärme familiärer Überlieferung gewachsen, 
        doch in der eisigen Luft der Neuansiedlung seiner Träger zum Verwelken 
        verurteilt war. 
         
        Das Heimweh ging unter den Gottscheer Bauern um. Daheim standen die Höfe 
        leer. Standen sie noch? Niemand war auf den Gedanken gekommen, wenigstens 
        die größeren Dörfer mit den guten Böden den hier 
        ausgesiedelten Slowenen anzubieten. Ihre Ansiedlung freilich hätte 
        der "Hohe Kommissar" in Laibach mit allen Mitteln zu verhindern 
        versucht. Nun waren sie heimatlos, die einen, wie die anderen, Gefangene 
        ihres Schicksals. Die wenigsten Gottscheer betrachteten die Erde, die 
        sie nun bebauten als ihr eigentliches und endgültiges Eigentum. "Nach 
        dem Krieg sieht alles wieder anders und besser aus", so schloß 
        kaum noch ein Gespräch von Gottscheern untereinander. Sie lebten 
        nicht besser und nicht schlechter als alle, und wie es die Kriegszeit 
        erlaubte. Nur die Sicherheit verschlechterte sich von Jahr zu Jahr, denn 
        dort, wo die Gottscheer als "Wehr- und Grenzbauern" angesetzt 
        worden waren, bestand für die Partisanen keine Reichsgrenze. Für 
        sie war dort Slowenien. Sie betrachteten die Umsiedler aus "Kocevje" 
        als Freiwild. Mit Kommandos bis zu zwanzig Mann überfielen sie, manchmal 
        geradezu generalstabsmäßig vorbereitet, ihre Siedlungen beschlagnahmten, 
        raubten, plünderten und mordeten. Ein krasses Beispiel dafür 
        schildert Herbert Otterstädt auf Seite 20 seines Bildbandes: "Ein 
        Partisanentrupp überfiel einen jungen Gottscheer Lehrer namens Franz 
        Hönigmann am hellichten Tage und zwang ihn, vor den Augen seiner 
        Schüler, ein Grab zu schaufeln, dann erschlugen sie ihn und warfen 
        ihn in die Grube." - Von den entführten Gottscheern hat man 
        nie wieder etwas gehört. 
         
        Über das Leben der Gottscheer in der Untersteiermark nach Abschluß 
        der "Ansiedlung hegen nur wenige Einzelberichte vor. Wenig war auch 
        zu erfahren über das Schicksal der Optionsverweigerer nach dem Abzug 
        der Zwölftausend. Ihre genaue Zahl ist unbekannt geblieben. Es mögen 
        400 bis 500 gewesen sein. Das von den Gottscheern verlassene Siedlungsgebiet 
        war praktisch militärisches Niemandsland. Noch im Winter 1941/42 
        setzten sich die Partisanen in den zuerst geräumten Randdörfern 
        fest, verheizten die Obstbäume, Ställe und Scheunen. Von diesen 
        abgelegenen Stützpunkten aus überfielen sie immer öfter 
        die größeren Dörfer in den Haupttälern wo sich die 
        italienische Besatzungstruppe hauptsächlich aufhielt. In diesem, 
        fast wie ein Dschungelkrieg geführten Kampf brannten sich die Gegner 
        die Stützpunkte nieder. Ob die Italiener oder die Partisanen mehr 
        Gottscheer Dörfer dem Erdboden gleichgemacht haben, wird niemand 
        ergründen. Bis auf wenige, ganz oder teilweise erhaltene Dörfer 
        gingen fast alle Siedlungen in Flammen auf. Wir wundern uns nicht, daß 
        die alten Besiedlungsmittelpunkte noch am besten die chaotische Zeit überstanden 
        haben. Pfarrer Josef Eppich in Mitterdorf, der aus seiner ablehnenden 
        Einstellung zur Umsiedlung die letzte Konsequenz gezogen hatte und geblieben 
        war, wurde im Juni 1942 angeblich von einer verirrten Kugel während 
        eines Gefechts zwischen Italienern und Partisanen tödlich getroffen. 
        Der geistliche Herr hatte sich gerade im Freien aufgehalten. Vermutlich! 
         
         
          
        Pfarrer Josef
        Eppich 
         
          
         Die Geistlichen 
        Josef Kraker, Rieg, und Josef Gliebe, Göttenitz, waren ebenfalls 
        nicht umgesiedelt. Kraker, in Rieg seines Bleibens nicht mehr sicher, 
        gelang es, sich nach Laibach und bis Veldes durchzuschlagen, wo ihm dann 
        der Rieger Ferdl Wittine Hilfe bot. Durch seine Vermittlung erhielt Pfarrer 
        Kraker eine Pfarre in der Nähe von Veldes, wo er als von den Slowenen 
        geachteter Priester im Jahre 1949 starb. Dieser so volksbewußte 
        Gottscheer konnte nicht mehr zu seinen in alle Welt verstreuten Landsleuten 
        finden und mußte seine Predigten in einer fremden Sprache halten. 
         
        Gliebe blieb zunächst in Göttenitz, wurde mehrfach ausgeraubt, 
        bis 1949 der Befehl kam, die ganze Ortschaft zu räumen. - Auch die 
        unmittelbar nach dem Krieg nach Göttenitz gekommenen Laserbacher 
        verließen das Dorf wieder. Josef Gliebe blieb in Niederdorf, wo 
        er auch die ewige Ruhe fand. Die älteste Monstranz des Gottscheerlandes, 
        um die sich eine Sage rankt, wurde durch ihn bzw. seine Nichte gerettet. 
         
         
        Das Gebiet um Göttenitz ist - "verbotene Zone". 
         
        Bei hinhaltender Kampftätigkeit zog sich die italienische Besatzungstruppe 
        schließlich auf die Stadt und das nördliche Oberland zurück. 
        Durch Einschlagen breiter Schneisen in die Bergwälder glaubte sie, 
        die Partisanen besser überwachen zu können. Dies erwies sich 
        als Irrtum. Die slowenischen Untergrundkämpfer machten dem faschistischen 
        Militär das Leben auch in den neuen Stellungen durch kleinkalibriges 
        Artilleriefeuer schwer. Beschädigungen erlitt vor allem das Auerspergische 
        Schloß in der Stadt, Sitz der Bezirkshauptmannschaft und anderer 
        Behörden. Vor allem wurde es während des Schlußkampfes 
        um die Stadt schwer in Mitleidenschaft gezogen. 
         
        "Der Wiederaufbau würde sich nicht lohnen", hieß 
        es in den führenden Partisanenkreisen. Aber darum ging es ja nicht, 
        vielmehr lag ihnen daran, dieses Mahnmal an die sechshundertjährige 
        Anwensenheit der Gottscheer in Unterkrain zu beseitigen. Da, wo einst 
        das Schloß gestanden hatte, wurde ein modernes Kaufhaus und ein 
        Partisanendenkmal errichtet. 
         
        Nach der Landung der Alliierten in Süditalien und dem darauf folgenden 
        Zusammenbruch des Mussolini-Staates wurde die Provinz Laibach deutsches 
        Okkupationsgebiet. Der DUB in Laibach, Dr. Wollert, berichtet auf Seite 
        8 des V. Bandes der Dokumentation des Vertriebenen-Ministeriums in Bonn 
        über die dadurch entstandene, neue Situation: 
         
        "... Außerdem verließen die Italiener Ende 1943/Anfang 
        1944 das slowenische Gebiet. Das Gebiet wurde Okkupationsgebiet und den 
        deutschen Militärbehörden unterstellt. Demzufolge wurde der 
        deutsche Umsiedlungsbevollmächtigte im Einvernehmen mit der Emona 
        (Gesellschaft zur Vermögensabwicklung) und unter Bestätigung 
        durch die deutschen Militärbehörden wieder zum Verwalter des 
        Vermögens, und zwar dieses Mal treuhänderisch eingesetzt. Da 
        eine Verwaltung der ländlichen Gebiete im Bereich der Gottschee nicht 
        mehr möglich war, erstreckte sich die Verwaltungstätigkeit des 
        deutschen Umsiedlungsbevollmächtigten nach dieser Zeit im wesentlichen 
        noch auf die Bereinigung von Schulden und Forderungen, die die Umsiedler 
        hinterlassen hatten. Hierauf legten die örtlichen Stellen begreiflicherweise 
        Wert. 
         
        Der deutsche Umsiedlungsbevollmächtigte liquidierte etwa im Februar 
        1945 seine Dienststelle, indem er die slowenischen Angestellten in aller 
        Ordnung entließ, die Akten nach Veldes/Wörthersee verbrachte 
        und für das in Laibach verbleibende Vermögen, insbesondere Bargeld 
        und Bankguthaben, einen örtlichen Treuhänder in der Person eines 
        dortigen Rechtsanwaltes einsetzte, der den Auftrag erhielt, diese Werte 
        der Stelle zu übergeben, die sich hierfür als rechtmäßig 
        auswies. Diese Maßnahme war damals notwendig, weil die Stadt Laibach 
        unmittelbar vor der Besetzung durch die Partisanen stand." 
         
        1944: Die Kette der Frontabschnitte zieht sich immer enger um das deutsche 
        Reich zusammen. Der Gottscheer Bauer pflügt zum drittenmal den Boden, 
        der ihm vor seinem Gewissen nicht gehört. Die im "neuen Ansiedlungsgebiet" 
        zurückgebliebenen Slowenen tragen ihre Köpfe höher, schauen 
        mit triumphierendem Lächeln an den Gottscheern vorbei oder durch 
        sie hindurch. Manche Umsiedler aus dem "Ländchen" glauben 
        jedoch immer noch an den Sieg, weil sie sich davor fürchten, die 
        Folgen einer Niederlage des Reiches zu Ende zu denken. Kaum einer verschließt 
        sich allerdings der Frage ob es denn keinen anderen Weg gab, als umzusiedeln. 
        Diese Frage verfolgt sie überall hin, bis in die Kirche, wenn sie 
        zu beten versuchten. Erinnerung und Hoffnung, die noch im ersten Jahr 
        nach der Umsiedlung die Gespräche verklärt hatten verlieren 
        den Glanz. Der Inhalt wandelt sich. Die Gedanken verlassen die Landschaft, 
        zu der kein Heimatgefühl aufkommt. Die einfachste Lösung wäre, 
        so drängt den in die Enge getriebenen Gottscheer das Gesetz des Wanderns 
        in ihm, nach dem Krieg die Heimkehr nicht erst zu versuchen, sondern irgendwo 
        in der Welt einen Platz zu finden, am liebsten in Amerika, bei den eigenen 
        Leuten. Endlich zur Ruhe kommen. Nicht noch einmal in der Gefahr leben. 
        Nicht immer nur den Stärkeren gehorchen! 
         
        1945: Die Gottscheer Bauern bestellen die Felder zum vierten und letzten 
        Mal. Die Arbeit im Freien ist lebensgefährlich geworden. Tagsüber 
        nehmen Tiefflieger alles was sich bewegt, unter Bordwaffenfeuer. Nachts 
        kommen die Partisanen. Das Reich ist fast vollständig von den Alliierten 
        besetzt. Der Endkampf um Berlin hat begon-nen. Hitler operiert mit Divisionen, 
        die nicht mehr bestehen. Tito aber kontrolliert mit seinen Partisanen, 
        sichtbar und unsichtbar, das gesamte jugoslawische Staatsgebiet. 
         
         
          
TITO, Josip Broz, 1892-1980. 
         
         
        Es gibt keine Hoffnung mehr. Die Gottscheer und ihre Schicksalsgenossen 
        aus Sudtirol und Bessarabien, die man ebenfalls im Ranner Dreieck anzusiedeln 
        versucht hatte, sind hilflos, schutzlos und bewegungslos. Niemand darf 
        ohne Bewilligung der NSDAP-Kreisleitung Arbeitsplatz und Wohnsitz verlassen. 
        Die Kreisleitung aber tauscht vor, es sei noch Zeit. Die Gauleitung in 
        Graz würde rechtzeitig die nötigen Befehle erteilen. Andererseits 
        war bereits im Februar angeordnet worden, Pferde und Ochsen zu beschlagen 
        und das Fuhrwerk bereitzumachen. Graz aber schwieg. Endlich aber erst 
        zwischen dem 5. und 7. Mai 1945, wurden einige hundert Frauen und Kinder 
        per Bahn nach Österreich in Sicherheit gebracht. 
         
        Und auf den Tag genau mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 
        8. Mai 1945, traf der Befehl des Gauleiters der NSDAP zum Abmarsch ein. 
         
        Nun rette dich, Gottscheer! 
         
        In höchster Eile sammelten sich die zu Flüchtlingen gewordenen 
        "Umsiedler" in Gurkfeld und Rann. Umständlich wurden Trecks 
        zusammengestellt, schwerfällig setzten sie sich nach Norden in Bewegung. 
        Kaum hatten sie die Sammelplätze verlassen tauchten die ersten Partisanen 
        auf. "Partisanen"? Tatsächlich waren es Halbwüchsige, 
        die mit umgehängten Maschinenpistolen und durch Ausplünderung 
        der Wehrlosen ihre Männlichkeit erproben und unter Beweis stellen 
        wollten. Otterstädt berichtet über diese Begleitumstände 
        der Flucht auf Seite 52 seines Bildbandes: 
         
        "In Lichtenwald, dem von Flüchtenden erfüllten, durch englische 
        Luftangriffe angeschlagenen, an sich bedeutungslosen Orte, verbrachten 
        sie, in Häusern, Ruinen und im Freien lagernd, die erste Nacht. Die 
        Partisanen hielten sich zur Bewachtung am Ortsrande auf. Da flog mitten 
        in der Nacht aus unbekannten Gründen ein im Bahnhof zurückgelassener 
        deutscher Munitionszug in die Luft und verursachte ein Chaos unter den 
        Flüchtenden. Die ersten Verwundeten mußten mitgenommen werden. 
        Am Morgen ging es aus dem brennenden Lichtenwald unter Eskortierung durch 
        vielfach bewaffnete Halbwüchsige in Richtung Steinbrück hinaus. 
        Unterwegs sorgten wiederholte ,Gepäckskontrollen' dafür, daß 
        die Gottscheer zuerst ihre Fahrzeuge, dann ihre Bündel, schließlich 
        ihre Handtaschen und bis sie ins Lager Sterntal eingeliefert wurden, auch 
        ihr Geld, Schmuck, Fingerringe und Ausweispapiere los wurden. Nach Tagen 
        des Mordens, grausamen Quälens, Ausplünderns und unmenschlichen 
        Sadismus trafen die 
        Überlebenden über Tüffer, Cilli wieder zurück nach 
        Tüffer und wieder Cilli im berüchtigten Todeslager Sterntal 
        bei Pettau ein." 
         
         
          
        Vernichtungslager Sterntal/Kidricevo bei Pettau/Ptuj 
         
         
        Dieses Lager Sterntal bei Pettau, in dem
        ein wesentlicher Teil der flüchtenden 
        Gottscheer zusammengepfercht wurde, war eine Hölle. Die sanitären 
        Verhältnisse auf dem Gelände der früheren Munitionsfabrik 
        waren für die Abertausenden völlig unzureichend und spotteten 
        jeder Beschreibung. Reihenweise starben die Insassen an Seuchen, Hunger, 
        Mißhandlungen und Mord. Kein Gottscheer Kind unter zwei Jahren überlebte. 
        Die jüngeren Frauen und Mädchen waren Freiwild für die
        Wachmannschaften. Erst durch das Eingreifen des Roten Kreuzes fand die
        Qual ein Ende. 
         
        Aus persönlichen Erlebnisberichten geht hervor, daß es außerhalb 
        der Trecks einer größeren, statistisch nicht erfaßbaren 
        Zahl von flüchtenden Gottscheern gelang, an unübersichtlichen 
        Grenzabschnitten nach Österreich durchzukommen - auch sie Überlebende 
        der Tragödie ihres kleinen Stammes. Sie waren, als sie österreichischen 
        Boden betraten, nicht zuerst Gottscheer oder die Nachkommen von Alt-Österreichern 
        oder Flüchtlinge vor brutaler Gewalt oder "Um-Siedler", 
        sondern, wie ungezählte Opfer dieses Krieges, bettelarme Menschen, 
        glücklich, noch zu leben ... Heimkehr? Doch! Allerdings in einem 
        anderen Sinne, als er in der Dokumentation "Der Menscheneinsatz" 
        des "Stabshauptamtes" zu lesen stand. Das war nun eine Heimkehr 
        in die Menschlichkeit. Hier empfingen sie Hilfsbereitschaft, Verständnis 
        für ihre Lage und Vertrauen. Gewiß mußten auch sie mit 
        Lagern vorlieb nehmen, allein, welch ein Unterschied zu Sterntal! Gleich 
        ihren Schicksalsgenossen aus anderen "Vorposten"-Gebieten wurden 
        auch die Gottscheer hauptsächlich in den Lagern Kapfenberg und Wagna 
        bei Leibnitz in der Steiermark untergebracht. In Kärnten wurden sie 
        im Lager Feffernitz bei Feistritz/Drau in der Nähe von Spittal an 
        der Drau aufgenommen. Hier kamen sie nach der zermürbenden Irrfahrt 
        aus der Untersteiermark zur Ruhe, fanden sie wieder zu sich selbst. Für
        viele von ihnen sollte das Lager allerdings zehn Jahre und mehr Ersatzheimat
        sein. Das Leben ging weiter, auf Schmalspur. Ehen wurden geschlossen,
        Kinder geboren, der Tod hielt seine Ernte. 
         
        War es den Gottscheer Lagerinsassen in Feffernitz bei Spittal an der
        Drau bewußt, daß das Schicksal sie in die unmittelbare Nähe 
        der Ortenburger-Stadt gelenkt hatte? Sie empfanden kaum das Symbolhafte 
        ihrer Lage. Nach Feffernitz hatte die Flucht auch jene Frau geführt, 
        die in den dreißiger Jahren in der Anwaltskanzlei Dr. Arkos das 
        Hausierwesen organisierte, Frau Paula Suchadobnik aus der Stadt. Auch 
        hier betreute sie Menschen. Sie schrieb Briefe für die Alten, füllte 
        Fragebogen für sie aus, beriet und half, wo sie konnte. Den Jungen 
        aber erteilte sie englischen Sprachunterricht. Warum gerade englisch? 
        Weil das Lager zufällig in der englischen Besatzungszone lag? Vielleicht 
        taten dies junge Kärntner, doch wenn ein Gottscheer beginnt, englisch
        zu lernen, dann denkt er zuerst an Amerika. 
         
        ("Jahrhundertbuch
        der Gottscheer", Dr. Erich Petschauer, 1980) 
         
www.gottschee.de 
         
          
        Inhaltsverzeichnis 
         
          
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