20. Jahrhundert, Jahrhundertbuch der Gottscheer, Dr. Erich Petschauer, 1980.


Gottscheer in Deutschland


In der Bundesrepublik Deutschland ballten sich die Flüchtlinge aus der ehemaligen Sprachinsel hauptsächlich in den Großräumen von München, Stuttgart und Köln. In der Deutschen Demokratischen Republik leben, so weit sich dies durch den Autor feststellen ließ, nur wenige Gottscheer. Das Fehlen einer engeren dauerhaften Bindung der so weit auseinandergeworfenen Gruppen untereinander wurde bald als schmerzlich empfunden. Es ging nicht nur darum, das Flüchtlingsschicksal gemeinsam zu tragen, Kulturarbeit aus den Traditionen des Gottscheer Völkchens zu formen sondern auch um ganz praktische Aufgaben, wie das alle betreffende Vorbringen der materiellen Forderungen an die Nachfolgestaaten des ehemaligen Deutschen Reiches. Die Gottscheer verlangten und benötigten wie in Österreich auch in Deutschland und in anderen Ländern eine offizielle Vertretung.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde am 17. August 1952 in Adelgund a. d. Mosel die "Landsmannschaft der deutschen Umsiedler aus der Gottschee in Deutschland e. V." gegründet. Die Anmeldung beim Amtsgericht Zell/ Mosel vom 27. Februar 1953 ist von den Gründungsmitgliedern Johann Pangretitsch, Josef Frank Ferdinand Röthel, Johann Matzele, Robert Schmuck, Josef Weiß und Adolf Grill unterzeichnet. Der erste Obmann war Johann Pangretitsch aus Obermösel.

Den Initiatoren Ferdi Wittine aus Rieg und Sepp Frank aus Tschermoschnitz ging es darum, die in die Bundesrepublik gekommenen, weit verstreut lebenden Gottscheer ausfindig zu machen, ihnen in der Not nach Möglichkeit zu helfen und ihre Entschädigungsansprüche im Rahmen des Lastenausgleichs zu vertreten. Besonders wurde versucht, die Anerkennung als Umsiedler von Seiten der Nachfolgestaaten des Deutschen Reiches zu erhalten und entsprechend dem Umsiedlungsvertrag entschädigt zu werden. Es ging aber auch darum, sich nach langer Zeit wieder zu gut nachbarlichem Beisammensein zu finden. Zu Pfingsten 1956 war dann das erste größere Gottscheer Treffen in Köln mit mehr als 400 Teilnehmern.

Am 26. April 1958 war es dann so weit, daß in München der "Gottscheer Arbeitskreis" gegründet werden konnte. Vorsitzender wurde Alois Stalzer, Niedermösel, sein Stellvertreter Max Jaklitsch, Reintal. Zu den Gründungsmitgliedern zählen: Josef Janesch, Ernst Stalzer, Rudolf Jonke, Georg Brändle, Franz Schaffer, Johann Fmk, Adolf Kikel, Friedrich und Franz Kresse und andere. Damit war der erste Zusammenschluß der Gottscheer in Deutschland vollzogen.

Bei allen Zusammenkünften wurde der Wunsch laut, die Gottscheer in Deutschland und Österreich zusammenzuschließen. Weitere Vereine wurden gebildet. Doktor Viktor Michitsch arbeitete einheitliche Satzungen aus. Auf der Hauptversammlung in Köln am 17. Mai 1959 wurden diese einstimmig angenommen und die Umbenennung in "Gottscheer Landsmannschaft" vollzogen. Der Vorstand blieb unverändert (Alois Stalzer und Max Jaklitsch). Auf dieser Tagung beschloß man einhellig, drei Landesgruppen zu bilden und so entstanden dann im Laufe des Novembers 1959 die Landesgruppe Nord-West in Köln (Vorsitzender Franz Nelles), die Landesgruppe Baden-Württemberg in Stuttgart (Vorsitzender Karl Bartelme) und die Landesgruppe Bayern in München (Vorsitzender Max Jaklitsch).

Eine wichtige Maßnahme für die überregionale, weltweite Zusammenarbeit in der Volksgruppe war die Gründung der "Arbeitsgemeinschaft der Gottscheer Lands
mannschaften" am 14. August 1960 in Ulm/Donau. Sie wählte in den Vorstand als Vorsitzenden Dr. Viktor Michitsch, als dessen Stellvertreter Amtmann Ferdl Wittine und als Schriftführer Schuldirektor Fritz Högler. Mit der Bildung dieser Dachorganisation wurde der Zusammenschluß der Gottscheer in Österreich und Deutschland konsequent zu Ende geführt. In Nordamerika haben sich das "Gottschee-Hilfswerk" in New York, Ridgewood und die Gottscheer Organisation in Toronto/Kanada der Arbeitsgemeinschaft angeschlossen. Damit besitzen nun die Gottscheer in aller Welt eine gemeinsame Interessenvertretung.

Im "Südostdeutschen Rat", einem Zusammenschluß der Vertriebenenorganisationen aus Südosteuropa, hat ein Delgierter der Gottscheer Landsmannschaft in Deutschland Sitz und Stimme. In Ulm/Donau wird die Hauptgeschäftsstelle der Landsmannschaft errichtet und von Alois Michitsch aus Rieg (+ 1976) geleitet.

Ein weiterer Abschnitt in der Geschichte dieser Landsmannschaft entwickelt sich 1968 mit dem Auftritt der "Gottscheer Sing- und Trachtengruppe Klagenfurt" beim Volkstumsabend der Donauschwaben in Sindelfingen, der Patenstadt der Volksdeutschen aus Jugoslawien. Die Gottscheer Volkslieder, die Mundart- und Brauchtumstradition (dargestellt vom 1. Vorsitzenden und Kulturreferenten Richard Lackner) erhielten nicht nur spontanen Beifall im voll besetzten großen Saal der Stadthalle, sondern es war, als ob sich Geist und Leben der 600jährigen Sprachinselgemeinschaft vorgestellt hätten. Eine Welle der Zuneigung schlug den Gottscheern entgegen. Die Stadt Sindelfingen, vertreten durch den Oberbürgermeister Arthur Gruber, die Vertreter der Landesregierung von Baden-Württemberg und des Bundesministers des Inneren in Bonn äußerten die Bereitschaft, die Kulturpflege des Gottscheertums zu unterstützen.

Danach konnten die Gottscheer Landsmannschaften eine verstärkte Breitenarbeit auf kulturellem Gebiet unter der Führung Richard Lackners, dem Vorsitzenden der "Gottscheer Landsmannschaft" in Ulm, entwickeln. Zur Zeit führt er mit Max Jaklitsch die Gottscheer Landsmannschaft in Deutschland.

("Jahrhundertbuch der Gottscheer", Dr. Erich Petschauer, 1980)

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