|
20.
Jahrhundert,
Jahrhundertbuch der Gottscheer, Dr. Erich Petschauer, 1980.
Der Gottscheer in aller Welt
Das Leben war weiter gegangen. In den fünfziger Jahren hatten sich
die Flüchtlingslager geleert, in den sechziger Jahren kamen dann auch
die Gottscheer in Österreich und Deutschland zur Ruhe. Alle besaßen
nun den politischen Frieden in ihren neuen Heimatländern und erholten
sich auch wirtschaftlich. An harte Arbeit gewöhnt, schufen sie sich
nicht nur in Übersee, sondern auch in Europa ihre schmucken Eigenheime
und Eigentumswohnungen. Der Gottscheer war wieder seßhaft, aber leider
nicht in geschlossenen Siedlungen. Dies gelang nur teilweise in den USA
(Walden und Hawley, Pa.), wo etliche Gottscheer in einer Dorfgemeinschaft
leben. Umsomehr hatte er das Bedürfnis, sich Treffpunkte zu schaffen,
wo er dem einstigen Nachbarn in die Augen sehen konnte. Auch die Toten wollte
er nicht vergessen. So entstanden in Österreich und Deutschland in
den sechziger und siebziger Jahren drei Gedenkstätten, und zwar in
Krastowitz bei Klagenfurt, Maria Trost bei Graz und Aichelberg im Schwarzwald.
Das Symbol der "Gottscheer Gedächtnisstätte" bei Klagenfurt
ist die Schloßkirche von Krastowitz, einem alten Herrensitz in unmittelbarer
Nähe des Flughafens in Klagenfurt/Annabichl. Sie wurde von der Landsmannschaft
Klagenfurt unter mehreren
Möglichkeiten deshalb ausgewählt, weil sie auf Kärntner Boden
steht, vom bischöflichen Ordinariat Klagenfurt/Gurk kostenlos zur Verfügung
gestellt wurde, und, nach Größe und Baustil beurteilt, gut eine
Filialkirche im Gottscheerland hätte sein können. Das Gotteshaus
wurde nach gründlicher Renovierung den Gottscheern mit der Aushändigung
des Schlüssels an den beliebten Geistlichen Rat Alois Krisch im September
1962 übergeben. Die Renovierung war durch zahlreiche Spenden, insbesondere
von Amerika-Gottscheern, ermöglicht worden. An der linken Innenseite
des Kirchenschiffes kündet eine Granittafel nachstehenden Inhalts von
seiner besonderen Zweckbestimmung:
GÖTT
WU TR IN HIMML, BIR PATN GUAR SCHEAN
SHÖ LUESS INSHR HOIMOT IN HARZN PESCHTEAN
1330 - 1918
1941 - 1945
GEWEIHT DEM GEDENKEN AN DIE HEIMAT
G O T T S C H E E
WIR GEDENKEN ALLER, DIE IN DER HEIMAT
RUHEN + IN DEN KRIEGEN IHR LEBEN GABEN +
DURCH DIE DRANGSAL DER ZEIT GESTORBEN ODER
VERSCHOLLEN SIND + IN VIELEN LÄNDERN DER ERDE
DEN EWIGEN FRIEDEN GEFUNDEN HABEN.
|
Die Schloßkirche von Krastowitz birgt außerdem zwei Kostbarkeiten,
ein "Gedenkbuch" mit den Namen der gefallenen Gottscheer beider
Weltkriege und der Todesopfer der Vertreibung und Flucht aus der Untersteiermark.
Das Buch wurde von Richard Lackner graphisch gestaltet. Im Turm aber hängt
seit 1966 die kleine Glocke der Franziskuskirche in der Nähe von Rieg
im Hinterland.
Die "Gottscheer Landsmannschaft Klagenfurt" kaufte das Gelände
um die Schloßkirche im Ausmaß von 7600 Quadratmeter. Die Landeshauptstadt
verlieh diesem Treffpunkt durch Senatsbeschluß die Bezeichnung "Gottscheer
Gedächtnisstätte" und gab der dorthin führenden Straße
den Namen "Gottscheer Straße".
In Leoben, Steiermark, gründeten 1964 die Landsleute Fritz Högler,
Alois Kresse, Alois Krauland, Johann Schemitsch und andere den Verein "Gottscheer
Gedenkstätte", der den Zweck hatte, in Steiermark aus eigener
Kraft einen Erinnerungsbau an Gottschee zu errichten. So entstand nach eifrigem
Sammeln von Spenden, die besonders reichlich aus den USA flössen, in
der Nähe der weithin bekannten Wallfahrtskirche "Maria Trost" bei
Graz ein moderner Kirchenbau, welcher der Heimat Gottschee gewidmet ist.
Auf Marmortafeln sind das Gottscheerland sowie jene Landsleute verzeichnet,
die durch die Wirren beider Weltkriege umgekommen sind.
Am letzten Sonntag im Juli jeden Jahres finden sich die Vereinsmitglieder
und viele andere Landsleute in Maria Trost zum Gedenken an die Heimat und
der Verstorbenen ein. Der Samstag ist einem Festabend gewidmet und der Sonntag
der Totenmesse und der Wiedersehensfreude.
Mitten im Schwarzwald nahe der Ortschaft Aichelberg (Baden-Württemberg)
steht seit dem Sommer 1975 die dritte Gedenkstätte der Gottscheer
in Europa. Es ist dem
Landsmann Richard Lipowitz aus Suchen nach mehrjährigen Bemühungen
mit Hilfe der Stadtgemeinde Bad Einöd und durch Spenden von Landsleuten
gelungen, hier eine Erinnerungsstätte an unsere verlorene Heimat Gottschee
zu errichten. Dieser Gottscheer Brunnen besteht aus einem riesigen Stein
(es ist ein Findling mit zwölf Tonnen), der mit dem Wappen der Stadt
Gottschee geschmückt ist. Auf einem weiteren Stein befindet sich eine
Gedenktafel mit folgendem Inhalt:
DIESER
BRUNNEN WURDE 1975 GEBAUT
ZUR ERINNERUNG AN DIE SPRACHINSEL
GOTTSCHEE IN KRAIN-JUGOSLAWIEN.
UM 1330 HABEN DEUTSCHE WALDBAUERN
GOTTSCHEE GEGRÜNDET.
1941 VERLOREN DIE GOTTSCHEER IHR
LAND DURCH DIE UMSIEDLUNG DER
VOLKSGRUPPE. 1945 MUSSTEN SIE DAS
ANSIEDLUNGSGEBIET IN DER UNTER-
STEIERMARK VERLASSEN UND IN VIELEN
LÄNDERN EINE NEUE HEIMAT SUCHEN.
|
Ein liegender Stein (drei Tonnen) trägt die Brunnenschale. Am 17. Juli
1977 wurde unter Teilnahme von offiziellen Vertretern der Regierung in Bonn,
der Landesregierung in Stuttgart, der örtlichen Gemeindevertretung
sowie des Gottscheer Trachtenchors Klagenfurt und die Vertreter der Gottscheer
Organisationen in Deutschland und Österreich diese Gedenkstätte
feierlich eingeweiht. Sie dient nun dem Treffen der Gottscheer in Deutschland.
An allen Stätten landsmannschaftlicher Begegnungen, der Erinnerungen
und Gefühle, finden wir sie wieder, die leuchtenden Augen, die freudigen
Zurufe, das sinnende Lauschen, gelöstes Lachen und melancholisches
Singen wie bei allen Treffen von Gottscheern.
Die Feiern in Klagenfurt und Graz werden verschönt durch die "Sing-
und Trachtengruppe der Gottscheer Landsmannschaft in Klagenfurt". Sie
entstand bereits aus kleinen Anfängen 1952. Ins Leben gerufen wurde
sie vom damaligen Hauptschullehrer Bruno Jonke, später führte
sie Frau Mitzi Verderber. Lange Zeit wurde die Gruppe aber von Frau Schuldirektorin
Amalia Erker, die selbst eine Anzahl von Mundartliedern schuf, und später
von Hans Brugger betreut. Die Mundartliederwerden in den siebziger Jahren
von Volksschuldirektor Walter J. Siegmund aus Altbacher dirigiert, während
die vom Chor gesungenen Kärntnerlieder vom Kärntner Volksschuldirektor
Stefan Slamanig betreut werden, dessen Gattin die Gottscheerin Berta Tscherne
ist. Slamanig hat auch mehrere Gedichte in gottscheerischer Mundart vertont
und durch den Chor zu Gehör gebracht.
Die Gruppe tritt bei allen wichtigen Veranstaltungen der Gottscheer Landsmannschaften
in Österreich und in der Bundesrepublik Deutschland auf. Dabei erntet
sie freudigen Beifall, bei den Gottscheern verständlicherweise aber
stürmischen Dank.
("Jahrhundertbuch
der Gottscheer", Dr. Erich Petschauer, 1980)
www.gottschee.de
Inhaltsverzeichnis
Artikel
|