|
20.
Jahrhundert,
Jahrhundertbuch der Gottscheer, Dr. Erich Petschauer, 1980.
Gottscheer Kulturwoche
In der Geschichte der Gottscheer waren wenig glückliche Ereignisse
zu verzeichnen. Die "Gottscheer Kulturwoche" scheint ein solches
zu sein. Sie ist in der Idee und Gestaltung das Werk eines einzelnen Mannes,
des Oberschulrates Hermann Petschauer aus Lichtenbach. Er gründete
sie 1966 und leitet sie seither ohne Unterbrechung. Sie bildet das geistige
Forum, auf dem Forschungsergebnisse über die ehemalige Sprachinsel
Gottschee in wissenschaftlichen Vorträgen und Lichtbildreihen sowie
Lesungen dargestellt werden. Diese Veranstaltungen finden im Vortragssaal
der im Schloß Krastowitz
untergebrachten "Bäuerlichen Volkshochschule Dr. Arthur Lemisch"
des Landes Kärnten statt. Das Schloß Krastowitz wurde für
ihre Zwecke stark erweitert. Diese Anstalt stellt den Gottscheern die Unterrichts-
und Unterkunftsräume Ende Juli bis Anfang August für sieben hochgestimmte
Tage zur Verfügung. Die Schloßkirche von Krastowitz, die keine
hundert Meter von der "Bäuerlichen Volkshochschule entfernt steht,
aber ist das Endziel der "Gottscheer Wallfahrt".
So nahe beieinander liegen die Stätten der Begegnung mit der Gottscheer
Geschichte und mit der letzten Gottscheer Generation. Ein Zufall? Ja und
nein, denn Hermann Petschauer erkannte als Teilnehmer der ersten Wallfahrten
die günstigen Voraussetzungen für die Abhaltung eines historischen
Seminars, das ihm schon länger vorschwebte. Als er dann bei der Landwirtschaftskammer
von Kärnten beantragte, auf Schloß Krastowitz während der
Ferien einen Kurs für Gottscheer Geschichte abhalten zu dürfen,
fand er viel Verständnis und die Zustimmung. Ein reiner Zufall aber
ist es, daß der gegenwärtige Direktor der "Bäuerlichen
Volkshochschule Krastowitz , Dipl.-Ing. Dr. Kurt Erker, von Gottscheer Eltern
aus Mitterdorf abstammt Er selbst ist in Kärnten geboren, sein Vater
war als Regierungsrat bei der Landesregierung tatig. "
Zielstrebig hat Hermann Petschauer aus der Reihe der Wissenschaftler, denen
Gottschee zu einer Herzensangelegenheit geworden ist, sowie aus der Volksgruppe
selbst eine Anzahl von vortragenden Damen und Herren verpflichtet. Die Mundart
allgemeine und kulturelle Geschichte, die Volkskunde und das Erzählgut,
aber auch die Mundartdichtung der letzten Jahrzehnte, stehen bei ihren Vorträgen
im Mittelpunkt.
Die Mundart wurde vom Verfasser des "Wörterbuchs der Gottscheer
Mundart", Dr. Walter Tschinkel, und von Frau Univ.-Prof. Dr. Maria
Hornung vertreten Sie wird es künftig allein tun, weil Walter Tschinkel
im Oktober 1975 allzu früh starb. Die beiden Wissenschaftler arbeiteten
unter der Ägide des kurz vor Tschinkel verstorbenen Universitätsprofessors
Dr. Eberhard Kranzmayer viele Jahre eng zusammen, so daß Maria Hornung
in der Lage war, dem dahingeschiedenen Gottscheer Gelehrten einen letzten
Freundschaftsdienst zu erweisen: An seiner Stelle las sie die Schlußkorrekturen
des zweiten Bandes seines Mundart-Wörterbuches.
Während Dr. Tschinkel die sprachgeschichtliche Substanz seiner Heimatsprache
betonte, beschäftigt sich die Wiener Univ.-Professorin überwiegend
mit der Bedeutung des Gottscheer Dialektes für die deutsche Sprachforschung
überhaupt und für die tirolerisch-kärntnerischen Mundarten
im Herkunftsgebiet der Gottscheer und stellt Vergleiche mit den Sprachinseln
in Oberitalien an. Sie ist überdies Gründerin und Leiterin eines
Arbeitskreises, der sich mit der Vertiefung der Kenntnisse über diese
von Österreich her kolonisierten Siedlungsgebiete befaßt.
Die Gottscheer Volkskunde ist bei Frau Dr. Maria Kundegraber, Kustos des
"Bäuerlichen Museums" in Stainz bei Graz, und bei dem emeritierten
Wiener Universitätsprofessor Dr. Richard Wolfram in den besten Händen.
Maria Kundegraber beschäftigt sich hauptsächlich mit den Gegenständen
des täglichen Hantierens im gesamten Lebensbereich des Bauern in der
ehemaligen Sprachinsel, Gegenständen, welche die Gottscheer daheim
noch selbst hergestellt haben. Ferner hat sie sich mit Lichtbildvorträgen
der von der Zerstörung durch Mensch und Natur verschonten Kirchenmalerei
zugewandt. Außerdem ist sie den alten Wallfahrtswegen der Gottscheerinnen
und Gottscheer zu entlegenen und nahen Gnadenorten nachgegangen.
Die Forscherin kam erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit der ehemaligen Sprachinsel
in Berührung. Glücklicherweise gelang es ihr noch rechtzeitig,
bei Nichtumsiedlern zahlreiche volkskundlich interessante Gegenstände
zu erfassen und für das Wiener Volkskundemuseum sicherzustellen. Außer
ihren Vorträgen auf der "Gottscheer Kulturwoche" und anderen
Orten veröffentlichte sie eine größere Zahl von Aufsätzen
zu ihren Spezialthemen, von denen hier einige genannt seien:
- "Eine Reise nach Gottschee", "Donau- und Karpatenraum",
Wien 1961.
- "Die Wallfahrten der Gottscheer". österreichische Zeitschrift
für Volkskunde 65 (1962)233-260.
- "Bibliographie zur Gottscheer Volkskunde", Jahrbuch für ostdeutsche
Volkskunde 7 (1962/63), 233-272.
- "Gottscheer Ochsenjoche". Ein Kapitel aus der Gottscheer Gerätekunde.
Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde.
- "Heutragen und Heuziehen in Gottschee", Jahrbuch für ostdeutsche
Volkskunde.
- "Das Schicksal der Gottscheer Volksliedsammlung" (1906-1912).
Jahrbuch des österreichischen Volksliedwerkes 13 (1964) 143-148.
- "Zwei Andreas-Lieder aus Pöllandl in Gottschee". Jahrbuch
des österreichischen Volksliedwerkes 13 (1964)
131-133.
- "Entstehung und Bedeutung der Gottschee-Sammlung des österreichischen
Museums für Volkskunde". Carinthia I 155 (1966) 799-834.
- "Die Kosmas- und Damian-Wallfahrt nach Oberburg". In: Festschrift
für Leopold Kretzenbacher, München, 1972.
- "Gottscheer Putscherlein und mittelalterliches Pilgerfäßchen".
In: Festschrift für Leopold Schmidt, Wien, 1972.
- "Die Gottscheer Frauen-Festtracht - ein Relikt mittelalterlicher Mode".
In: Festschrift für Hanns Koren, Graz, 1966.
- "Das Gottscheer Hemdkleid". In: Zs. für historische Waffen-
und Kostümkunde 1971 (München).
- "Die Frauenjoppe in Pöllandl, Gottschee". In: Slovenski etnograf,
etwa 1970.
Der beste Kenner des Gottscheer Brauchtums ist zweifelsfrei Universitätsprofessor
Dr. Richard Wolfram. Seine tiefschürfenden Kenntnisse aus diesem etwas
vernachlässigt gewesenen Gebiet sind umso höher einzuschätzen,
als es der Kulturkommission beim deutschen Umsiedlungsbeauftragten in Laibach
dank einer italienischen Schikane nicht mehr möglich war, ihre volkskundliche
Forschungsarbeit rechtzeitig vor der Umsiedlung in Angriff zu nehmen. Nicht
nur für einen Gottscheer ist es fesselnd, Wolframs Schilderungen der
Brauchtumsgeschehnisse zur Weihnacht und beim Jahreswechsel, der Sommer-
und der Wintersonnenwende und des Osterfestes, wie bei Hochzeit und Taufe
zu lauschen und mitzuerleben, was an Hand tätigen Brauchtums in der
Phantasie der Menschen in der alten Sprachinsel vor sich ging. Vieles davon
ist von der Ansiedlung her noch überliefert und heidnischen Ursprungs,
manches hat sich nur in Gottschee erhalten und wenig wurde von der slawischen
Umgebung übernommen. - Prof. Wolfram begann seine Forschungsarbeit
noch in dem bewohnten Gottscheerland und brachte sie in den Flüchtlingslagern
zu Ende. Bisher veröffentlichte er sechs längere Aufsätze
über das Brauchtum der Gottscheer in dem "Jahrbuch für ostdeutsche
Volkskunde", N. G. Elwert-Verlag, Marburg. Er beabsichtigt, sie in
einem Band zusammenzufassen.
Mehrere Vorträge steuerte der Verfasser zur "Gottscheer Kulturwoche"
bei. Er behandelte unter anderem die Entstehungsgeschichte der ehemaligen
Sprachinsel, die Genealogie der Häuser Ortenburg und Auersperg sowie
die Sagen und Märchen der Gottscheer.
Daß die Gottscheer Mundart auch für die reine, insbesondere lyrische
Poesie verwendbar ist, legte Richard Lackner in mehreren Lesungen zahlreicher
Gedichte aus jüngster Zeit dar. Er selbst erwies sich dabei als stilsicherer
und begabter Poet, der ein feines Gespür dafür besitzt, was man
der Gottscheer Mundart als dichterisches Ausdrucksmittel zumuten kann und
was nicht. Einige ähnliche Begabungen brachte die letzte Gottscheer
Generation hervor. Lackner rezitierte beispielsweise aus dem Sammelbändchen
"Spätherbst" (Dar schpuata
Herbischt), worin außer ihm Bernhard Hönigmann, Ludwig Kren,
Hilde Otterstädt geb. Erker und Karl Schemitsch zu Worte kommen.
Ein Tag der Kulturwoche gehört einer Art Pilgerfahrt. "Pilgerfahrt"
deshalb, weil die Reise von Klagenfurt nach Spittal eine gleichnishafte
Heimkehr in das Herkunftsgebiet der Urahnen darstellt. Ihr eigentliches
Ziel ist der bauliche Mittelpunkt der Draustadt, Schloß Porcia, das
Gabriel Salamanca um 1527 erbauen ließ. Der vielbewunderte Renaissance-Bau
steht aus Gründen, die hier nicht zu erörtern sind, mit dem Namen
Ortenburg in Verbindung.
Wiewohl das Schicksal die Gottscheer und ihr "Ländchen" mit
viel Unglück überschüttete, gönnte es ihnen gleichsam
einige mildernde Umstände. Nicht so, als ob die Geschichte über
sie zu Gericht gesessen und ihnen ein paar Erleichterungen zugestanden hätte
- sie hat ihnen vielmehr einige Sternstunden gegönnt, damit ihr Los
nicht ganz und gar unerträglich würde. Bis zum Jahre 1918 waren
es eigentlich nur vier, sie waren jedoch für den Fortbestand des Gottscheerlandes
von ausschlaggebender Bedeutung:
Das Waldgesetz des letzten Ortenburger Grafen Friedrich III. aus dem Jahre
1406 griff nicht weniger tief in die Grundlagen des Bestehens der Sprachinsel
ein, als der Kauf der Grafschaft Gottschees durch den Grafen Wolf Engelbrecht
von Auersperg 1641 oder die Erhebung der Grafschaft zum Fidei-Kommiß
durch den Fürsten Johann Weikhart von Auersperg, dessen überaus
erfolgreiches, dennoch unglückliches Leben 1677 zu Ende ging. Den wissenschaftlichen
Meilenstein auf dem Wege zu einer Gottschee-Kunde aber setzte Adolf Hauffen
1895 mit der Herausgabe seines Werkes "Die deutsche Sprachinsel Gottschee".
- Nach 1918 blieben den Gottscheern weitere geschichtliche Lichtpunkte versagt,
es sei denn, man bezeichnet die Sechshundertjahrfeier als solchen. Das Völkchen
aus dem Karst und sein "Ländchen" schienen für immer
in die Geschichtslosigkeit zurückgeworfen zu sein, gleichsam nicht
mehr teilnahmeberechtigt am Völkerleben, gewogen und zu leicht befunden.
Das erste Signal, daß es trotzdem noch lebt, gab 1946 die Gründung
des "Gottschee-Hilfswerks" in New York. Und daß es nicht
daran dachte, seine Traditionen und Erinnerungen aufzugeben, beweisen drei
Stationen, die fast wie Informationsstände auf dem Weg in die absehbar
kurze Zukunft des Gottscheer Völkchens wirken: Die Idee der "Kulturwoche",
das "Wörterbuch der Gottscheer Mundart" und - die "Gottschee-Schau"
im Schloß Porcia.
Die "Gottschee-Schau" verdankt ihr Entstehen dem Gründer
und Kustos des "Bezirksheimatmuseums für Oberkärnten",
Prof. Helmut Prasch. Wie fast alle Kenner und Förderer des Gottscheertums,
gehört auch er dem Lehrstande an. Die Symbolkraft des Vorhandenseins
der "Gottschee-Schau" in Spittal an der Drau im Oberkärntner
Heimatmuseum und im Schloß Porcia bedarf keiner weiteren Sinndeutung,
sie liegt auf der Hand. Ergänzend sei jedoch soviel gesagt, daß
diese ständige Gottschee-Ausstellung in der bestehenden Form kaum oder
gar besser anderswo entstanden wäre, hätte nicht auch hier der
Zufall mitgewirkt. Helmut Prasch und Walter Tschinkel waren vor dem Zweiten
Weltkrieg im Bezirk St. Veit an der Glan Lehrer
an zwei benachbarten Volksschulen. Prasch hatte das Gottscheerland bereits
lange vor der Umsiedlung kennengelernt. Sein Wissen über die Abstammung,
Geschichte und Kultur der Gottscheer vertiefte sich in zahlreichen Gesprächen
mit Tschinkel soweit, daß er nach der Einrichtung des Bezirksheimatmuseums
beschloß diesem eine Gottschee-Abteilung anzugliedern. Sie sollte
das 1921 von Pfarrer Josef Eppich gegründete Heimatmuseum in Gottschee,
aber auch den sechshundertjährigen Lebenskreis Kärnten und Osttirol
- Gottschee - Kärnten sichtbar machen und schließen.
Breitet die "Kulturwoche" im Vortragssaal des Schlosses Krastowitz
die geistige Schau der sechshundertjährigen Geschichte der Gottscheer
aus, so betrachtet der Besucher der "Gottschee-Schau" im Schloß
Porcia viel Gegenständliches, das den alten Bauern im "Ländchen"
täglich umgab und das, von modernem Zeug verdrängt in irgendeinem
Winkel auf dem Dachboden neuerlicher Betrachtung entgegenschlummerte. Vom
einfachsten Haushaltsgerät bis zur Tracht, vom "Pütschale"
bis zum Ochsenjoch von der ersten Nummer des "Gottscheer Boten"
bis zum Wörterbuch Walter Tschinkels ist vieles von dem ausgelegt,
was Umsiedlung und Flucht überstanden hat. Allmählich schließen
sich die in der damaligen Hast entstandenen Lücken. Dann und wann bringt
die neue "Gottscheer Zeitung" Listen mit weiteren Schaustükken,
unter denen sich wiederholt Schenkungen des Prinzen Carl von Auersperg befinden.
Prinz Carl, der letzte Sohn des letzten Herzogs von Gottschee, Fürst
Carl von Auersperg, lebt auf Schloß Wald bei St. Pölten, wo immer
wieder Gottscheer zu einem Gedankenaustausch einkehren. Der derzeitige nominelle
Träger des Herzogtitels von Gottschee, Carl Adolf, lebt in Uruguay,
Südamerika.
Die "Kulturwoche" und die "Wallfahrt" finden bei Presse,
Funk und Fernsehen in Kärnten ein lebhaftes Echo. Offizielle Vertreter
des Landtags, der Landesregierung und des Senats sowie der Bürgermeister
der Landeshauptstadt Klagenfurt nehmen an der Eröffnung der "Kulturwoche",
die durch den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Gottscheer Landsmannschaften,
Dr. Viktor Michitsch, vorgenommen wird und an dem Empfangsabend vor dem
Wallfahrtssonntag teil.
Der frühere Bürgermeister, Hofrat Dr. Hans Ausserwinkler, ging
noch einen Schritt weiter. Er besuchte im Jahre 1973, begleitet von Dr.
Michitsch und Dr. Herbert Krauland, dem Schriftführer der "Arbeitsgemeinschaft
der Gottscheer Landsmannschaften", das frühere Siedlungsgebiet
der Gottscheer. Das gleiche tat - das sei hier vorweggenommen - der langjährige
Oberbürgermeister der württembergischen Industriestadt Sindelfingen,
Arthur Gruber. In seiner Begleitung befanden sich außer den beiden
genannten Herren Hermann Petschauer und für die "Gottscheer Zeitung"
Viktor Stolzer. Oberbürgermeister Gruber wurde auf der Hinfahrt in
Laibach (Ljubljana) samt seiner Begleitung vom dortigen Bürgermeister
und von Regierungsmitgliedern der Teilrepublik Slowenien zu einem Freundschaftsbesuch
empfangen.
Während der Amtszeit Arthur Grubers wurde Sindelfingen im übrigen
zur Patenstadt der Deutschen aus Jugoslawien erklärt. Hier entstand
mit großzügiger Unterstützung der Stadt das "Haus der
Donauschwaben", das in Erinnerung an die ehemalige Schicksalsgemeinschaft
in Jugoslawien auch den Gottscheern jederzeit offensteht.
In seinem kultivierten Rahmen machten sie beispielsweise im April 1974 eine
größere Öffentlichkeit mit dem "Wörterbuch der
Gottscheer Mundart" bekannt, wie dies auch in Wien und Klagenfurt vorher
geschehen war. Die Festansprache hielt jeweils sein Verfasser, Dr. Walter
Tschinkel.
("Jahrhundertbuch
der Gottscheer", Dr. Erich Petschauer, 1980)
www.gottschee.de
Inhaltsverzeichnis
Artikel
|