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20.
Jahrhundert,
Jahrhundertbuch der Gottscheer, Dr. Erich Petschauer, 1980.
Der Kreis schließt sich
Zur letzten Frage, die sich der Autor selbst stellt, der Suche nach der
Urheimat:
Die Sprachwissenschaft weist uns dazu den Weg. Heute erscheint Gottschee
als ein bedeutender Teil einer im Mittelalter von Österreich aus in
friedlicher Form gegründeten Sprachinselkette am Südrand der Alpen
inmitten Europas. Sie befanden sich alle im Machtbereich der Patriarchen
von Aquileija. Es sind dies in Italien: Pladen (Sappada), Zahre (Sauris),
Tischlwang (Timau) und weiter südlich die Sieben und Dreizehn Gemeinden
im Norden von Vicenza und Verona. Im Süden der Karawanken, im ehemaligen
Herzogtum Krain, heute Jugoslawien (1980), erhielten sich bis ins 19. und
20. Jahrhundert die Inseln Deutsch Ruth, Zarz und Gottschee. Erstere verschwanden
durch planmäßige Assimilierung, Gottschee aber durch Auflösung
bzw. Umsiedlung 1941 bis 1942. Gottschee entging dadurch dem Schicksal des
einst blühenden Deutschtums in Krain.
Schon im vorigen Jahrhundert entdeckte die Wissenschaft Gottschee und zeigte
sich am Brauchtum, an den Liedern und besonders an der altertümlichen
Mundart interessiert. Abgesehen von dem Laibacher Elze, dann dem Professor
Dr. Schröer, den die k. u. k. Akademie der Wissenschaften in Wien 1867
zu Forschungszwecken nach Gottschee schickte, befaßte sich Professor
Dr. Hauffen, ebenfalls ein Laibacher, eingehend mit Gottschee und brachte
1895 sein grundlegendes Werk über diese deutsche Sprachinsel heraus.
Seine Mitarbeiter waren Gottscheer Lehrer, wie Josef Perz, Hans und Wilhelm
Tschinkel, Matthias Petschauer und andere.
Wie der Autor an anderer Stelle bereits berichtete, brach das Interesse
der Wissenschaft trotz Auflösung der Sprachinsel nach dem Zweiten Weltkrieg
nicht ab. Universitätsprofessor Dr. Eberhard Kranzmayer, der an der
Universität in Wien wirkte und selbst gottscheerisch sprechen konnte,
stellte auf Grund seiner Forschungen fest:
"Die Gottscheer stammen aus dem kärntnerisch-tirolischen Grenzraum."
Bei der Eröffnung der Gottschee-Schau im Schloß Porcia in Spittal
sagte er 1965 wörtlich:
"Die Gottscheer sind die besseren Kärntner als wir selbst, denn
sie sprechen noch jene Mundart, welche unsere Ahnen vor 600 Jahren in Oberkärnten
gesprochen haben."
Frau Universitätsprofessor Dr. Maria Hornung, ehemalige Schülerin
und Assistentin des großen Kärntner Sprachforschers Kranzmayer,
setzte mit Walter Tschinkel die Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Mundart
fort. Sie führte allein und gemeinsam mit Walter Tschinkel viele Kundfahrten
ins Möll-, Lesach- und Pustertal durch. Eine besondere Fundgrube waren
natürlich die beiden Sprachinseln Pladen und Zahre. Das Ergebnis ihrer
auch für uns so wertvollen Arbeit hat Frau Hornung in den Werken "Mundartkunde
Osttirols" sowie im "Wörterbuch der deutschen Sprachinselmundart
von Pladen in Karnien" festgehalten. Zwangsweise kam sie bei ihren
Forschungsarbeiten auf Gottschee. Stellte doch schon vor Jahrzehnten Professor
Peter Jonke
fest, daß in der Gegend von Tilliach (Osttirol) ähnlich wie in
Gottschee gesprochen wird.
Zum Beispiel:
"Nachtn hont da
Waklein noch galakkn
und gawrassn bias
racht ischt gaban
und schmuargeinsch hent shei toat in Schtolla
galagn".
Frau Dr. Hornung führt in ihrem Buche "Mundartkunde Osttirols"
unter dem Titel "Das Verhältnis der Sprachinsel Gottschee zu Osttirol"
auf den Selten 145 bis 149 eine Menge Wörter an, die in Osttirol und
Oberkärnten gleich oder ähnlich gesprochen werden wie in Gottschee.
Ein Teil ihrer Ausführungen seien hier wörtlich verzeichnet: "Auf
Grund von Wortschatz- und Lautstanduntersuchungen hat Kranzmayer die Herkunft
der Gottscheer aus dem tirolisch-kärntnerischen Grenzgebiet erschlossen.
Es scheint darum angebracht, im Zusammenhang mit der Behandlung des Lienzer
Beckens und des Kärntner Tores auf dieses Thema einzugehen. Kranzmayer
denkt allerdings bei seiner Herkunftstheorie der Gottscheer nicht nur an
das Lienzer Becken und das mdal. eng verwandte Mittermölltal bzw. vielleicht
das oberste Drautal, sondern auch an die südlichere Berührungsfläche
Osttirols mit Kärnten im Raum von Obertilliach und im obersten Lesachtal.
Die Sprachinsel Gottschee war ja so ausgedehnt und menschenreich, daß
man nicht anzunehmen genötigt ist, daß sie von einem einzigen
Ort aus besiedelt wurde. Ihre wenn auch in den Grundzügen einheitlichen
Mundarten zeigen doch Verschiedenheiten, die zum Teil schon auf die Zeit
der Besiedlung zurückgehen können. Darum gestaltet sich die Untersuchung
der Herkunftsfrage dieser relativ spät besiedelten Sprachinsel weitaus
schwieriger als bei Pladen, Zahre oder Zarz ...
Nichts lag näher, als daß die Ortenburger aus ihrem ureigensten
Raum bzw. aus dessen Nachbarschaft, vielleicht aus hochgelegenen Gebirgsorten,
deren Boden der sich vermehrenden Bevölkerung nicht mehr genügend
Nahrung bot und deren Menschen zugleich den härtesten Anforderungen
gewachsen waren, Siedler für ihre urbar zu machenden Gebiete in Krain
kommen ließen ...
Wenn uns auch die eigentlichen Herkunftsorte der Siedler nie genannt werden,
weil sie unter den Gesichtspunkten der Urkundenersteller unwichtig waren,
so sind doch die Tatsache der Kolonisierung durch die Kärntner Grafen
von Ortenburg und der auf das osttirolisch-kärntnerische Grenzgebiet
verweisende linguistische Befund Grund genug, um jene phantasievollen Theorien
über die Herkunft der Gottscheer, die seit Wolfgang Lazius' Sueventheorie
(1561) im Umlauf sind und von den Goten bis zu den Thüringern und Franken
alle möglichen germanischen und deutschen Stämme als Ahnherren
der Gottscheer glaubhaft machen wollen, endgültig zu entkräften.
Es hat keinen Sinn, sich auf Grund der gegenwärtigen Erkenntnisse noch
weiter mit diesen hartnäckig kursierenden pseudowissenschaftlichen
Lehrmeinungen zu beschäftigen. Gleich den Theorien von der schlesischen
Abkunft der Tilliacher oder jener der Abstammung der Bewohner der Sieben
und Dreizehn Gemeinden von den Zimbern und Teutonen sind sie aus phantasievoller,
in die Irre gehender Gelehrsamkeit entsprungen, die einfachen Gebirgsbewohnern
wegen ihrer besonders altertümlichen und daher auffälligen Sprache
und Lebensform geheimnisvolle Herkunft andichten zu müssen glaubte."
Frau Hornung und Walter Tschinkel gelang es auf Grund ihrer sprachwissenschaftlichen
Kenntnisse, das alleinmögliche Herkunftsgebiet der Gottscheer nach
Eberhard
Kranzmayer genau abzugrenzen. Damit ist wohl diese Frage als abgeschlossen
zu betrachten.
Sie besuchten auch gemeinsam die verlorenen drei Sprachinseln in Slowenien.
Konnte Tschinkel 1941 bis 1942 in Zarz noch mit wenigen, ganz alten Leuten
"huamnarisch"
reden, so gibt es heute dort nur noch slowenische Antworten wie "mi
smo Tirolerce". Das heißt "wir sind Tiroler". Das wissen
die umgevolkten Leute also noch. Auch in Deutsch Ruth war es nicht anders,
während heute in Gottschee noch einzelne Gottscheer zu treffen sind,
die überlebten.
Verschiedene Zeitschriften, wie auch die "Gottscheer Zeitung",
besonders aber die "Gottscheer Kulturwoche", gaben den Wissenschaftlern
Gelegenheit, über die Ergebnisse ihrer Forschungen zu berichten. Sie
stellten fest - und das kann jeder überprüfen - daß die
Oberkärntner, Osttiroler, Pladner, zahrerische, zarzerische (Wörterbuch
von Kranzmayer) und gottscheerische Mundart eines Stammes sind. Damit hat
die Sprachwissenschaft ein Band geknüpft, und das Finden von Mensch
zu Mensch war nur noch eine Frage der Zeit und Organisation. Nach entsprechender
Vorbereitung und mit Hilfe des Sprachinselvereines in Wien fuhren über
ein Wochenende im August 1974 rund 80 Gottscheer, darunter die Sing- und
Trachtengruppe von Klagenfurt, nach Pladen (Sappada) und Innervillgraten
in Osttirol. In beiden Orten wurden sie durch die Bürgermeister und
die Bevölkerung freundlich empfangen. In je einer Feierstunde hielt
Hermann Petschauer einen Vortrag über das Gottscheerland in unserer
Mundart. Er wurde dabei von den Gastgebern gut verstanden.
Frau Universitätsprofessor Dr. Maria Hornung, unter deren Patronanz
das gesamte Unternehmen stand, führte in weit ausholender, geschichtlicher
und sprachwissenschaftlicher Sicht die Einheit der genannten Sprachinseln
vor Augen und damit symbolisch nach Jahrhunderten Gottscheer in die Urheimat
zurück. Ein Jahr später (1975) kamen die Pladener sowie eine große
Anzahl Tiroler aus Innervillgraten mit ihrem Bürgermeister an der Spitze
zur Wallfahrt nach Klagenfurt. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt
von Kärnten begrüßte die symbolisch vereinigten Osttiroler,
Pladener und Gottscheer in feierlicher Form. Jeder empfand tief ergriffen
den geschichtlichen Vorgang.
Damit ist der Kreis geschlossen. Menschen gleicher Abstammung haben sich
nach mehr als 600 Jahren als "Verwandte" getroffen und der gemeinsamen
Ahnen gedacht. Es sind jene Ahnen, die vor mehr als sechs Jahrhunderten
als Pioniere an Rinse und Kulpa im Süden Krains unter unvorstellbaren
Mühen aus Urwald Kulturland geschaffen haben.
Der Wald nimmt es sich von Jahr zu Jahr mehr und mehr zurück. Wo noch
vor weniger als vierzig Jahren die Gottscheer Dörfer mit ihren Kirchen
in voller Schönheit standen, ist heute nichts als Wald.
Am
Anfang war der Wald.
Am Ende ist wieder der Wald. |
("Jahrhundertbuch
der Gottscheer", Dr. Erich Petschauer, 1980)
www.gottschee.de
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