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Die
Arbeitsgemeinschaft der Gottscheer Landsmannschaften, Dr. Viktor
Michitsch, 1980
Vorsitzender
HR Dr. Herbert
Krauland
Linsengasse 50, 9020 Klagenfurt
Die Arbeitsgemeinschaft der Gottscheer Landsmannschaften,
Dr. Viktor Michitsch, 1980
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, der den Gottscheern ihre Heimat
nahm, wurden, als sich die Verhältnisse in Österreich zu normalisieren
und konsolidieren begannen, die in Wien, Graz und Klagenfurt schon vor dem
Krieg bestandenen Gottscheer Vereine wieder aktiviert. Zunächst enstand
in Graz, dann in Klagenfurt jeweils der Hilfsverein der Gottscheer und Deutschkrainer;
etwas später folgte der Verein der Gottscheer in Wien. Beherzte Männer
wie Dr. Franz Perz, Dr. Oskar Plautz, Prim. Dr. Walter Linhardt, Notar Dr.
H. Karnitschnig (Graz), Prof. Peter Jonke, RR. Sepp König, RR. Walter
Samide, Hubert Truger, Albert Koscher (Klagenfurt), Prof. Franz Kraus (Wien)
- um nur einige zu nennen - erkannten, daß es notwendig ist, dem heimatlos
gewordenen Landsmann zu helfen, ihm die Gewißheit und den Glauben
zu geben, daß er in der schwersten Not in der Gemeinschaft Hilfe -
nach den damaligen Möglichkeiten - finden kann. Das Gefühl, die
Nachbarschaft von daheim ist noch wach, gab Mut, die damals düstere,
schier aussichtslose Lage zu meistern.
Freilich, die Hilfsvereine hatten primär soziale Aufgaben zu erfüllen.
Die materielle Not war drückend, Kleidung, Wohnung und Arbeitsplätze
fehlten. Unsere Leute hatten kein Einkommen, und - was sie besonders hart
traf - sie waren "Ausländer" mit allen mit diesem Status
verbundenen Folgen. Der Altgediente der österreichischen Monarchie
war ein Fremder in der Heimat. Was das heißt, kann nur der selbst
Betroffene ermessen und beurteilen. Ganz schlimm war es für die alten
Leute, die keine Angehörigen mehr hatten. Sie stellen sich mit Recht
die Frage: Sind wir jetzt schuld, daß es diesen elendsten aller Kriege
gab? Haben nun wir die Folgen zu tragen? Dazu kamen noch die Suche und auch
vielfach die Trauer um verschollene und verlorene (im wahrsten Sinne des
Wortes) Angehörige.
Hier boten die gegründeten Hilfsvereine echten Heimatersatz. Die veranstalteten
Treffen waren gut besucht; die Landsleute freuten sich auf die heimatlichen
Begegnungen. Das gegenseitige Mitteilen des Schicksals und Erlebten gab
Trost und Kraft und Mut. Man wußte, daß man nicht allein ist
- auch nicht mit seinem Schicksal.
Wir müssen heute jenen Männern von Herzen danken, die die Situation
erkannten und heimatbewußt handelten. Sie taten ihre Arbeit selbstlos
um der Sache willen, der Gemeinschaft wegen, um dem Nachbarn und Freund
zu helfen. Dabei hatten sie selbst um ihr tägliches Brot zu kämpfen!
In Österreich war es so, daß - nicht zuletzt bedingt durch die
bestehenden Zonengrenzen der Besatzung - die einzelnen Vereinigungen selbständig
arbeiten mußten; später im Rahmen der bei den Landesregierungen
eingerichteten Zentralberatungsstellen. Die Lage jedes einzelnen Landsmannes
war ja anders.
Aber schon zu jener Zeit - gegen Ende der fünfziger Jahre - ergab sich
die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit. Die Aufgaben der einzelnen
Vereine waren auch nicht mehr nur auf soziale Hilfe ausgerichtet. Es war
notwendig, das Umsiedlervermögen zu erfassen, aber auch das kulturelle
Erbe unserer
Vorfahren und unserer Heimat zu erhalten, zu konservieren. Die Notwendigkeit
eines gemeinsamen Vorgehens erwies sich als dringend erforderlich.
Durch die vielen Abwanderungen unserer Landsleute nach Übersee, vor
allem den USA und Kanada, ergab sich auch eine andere Vorgangsweise bei
den Vermögensforderungen. Gott sei Dank erkannten alle Verantwortlichen
den dringenden Wink der Zeit. In den USA hatten die im Raume von Groß-New
York segensreich wirkenden Vereinigungen bereits einen gemeinsamen Koordinator,
die Gottscheer Relief Association, Inc. Nur dank ihres Wirkens waren die
gewährten Hilfsmaßnahmen entsprechend wirksam. Die Namen der
einzelnen führenden Persönlichkeiten hier anzugeben, würde
den Rahmen dieser Abhandlung sprengen; sie sind an anderer Stelle erwähnt,
wenn auch nicht vollständig.
In Europa fehlte eine der Relief Association entsprechende Dachorganisation.
Dies war ein Nachteil, dem abgeholfen werden mußte. Dazu kamen staatliche
(sprich: gesetzliche) Schwierigkeiten.
Die bereits 1955 wiedergegründete "Gottscheer Zeitung" war
ein einigendes Band, das für die Zusammenarbeit sicherlich eine entsprechende
Basis bot: Zumindest der Austausch und die Bekanntmachung von Nachrichten,
die von allgemeiner Wichtigkeit waren, waren möglich. Doch dies mußte
noch wirksamer werden, zumal das Erscheinen der Zeitung zunächst auf
das Vierteljahr, dann auf den Monat beschränkt war und blieb.
So haben nach Überwindung verschiedener Schwierigkeiten und Einhaltung
gesetzlicher Formalitäten die in Europa wirkenden Gottscheer Vereine
zunächst ihre Satzungen vereinheitlicht. Der Name der bestehenden Organisationen
wurde generell in "Gottscheer Landsmannschaft" geändert.
Damit wurde auch nach außen hin die Gemeinsamkeit manifest.
Auch der Zweck der Satzungen wurde den neuen Gegebenheiten angepaßt
und geändert. Die Ziele wurden erweitert, da die Aufgabengebiete eine
Ausweitung erfuhren. Die soziale Frage bekam immer mehr Nachrang, während
das Problem der Entschädigung des Umsiedlervermögens immer akuter
wurde. Ebenso mußte die kulturelle Arbeit auf breitere Basis gestellt
werden.
Die in Deutschland tätigen Landesgruppen (Bayern, Baden-Württemberg
und Nord-West) arbeiteten nach den Richtlinien der Satzungen ihrer Hauptvereinigung,
der Gottscheer Landsmannschaft in Deutschland, und richteten ihre Tätigkeit
danach aus. Die Landesgruppen waren eine notwendige Einrichtung (wegen der
Streulage der Landsleute in der Bundesrepublik), um den Kontakt nicht zu
verlieren und die Arbeit wirkungsvoller zu gestalten. Auch wechselseitige
Besuche der Schwesterlandsmannschaften fanden statt.
Der 14. August 1960 ist in der gesamten Entwicklung der landsmannschaftlichen
Arbeit von besonderer Bedeutung. An diesem Tage fand nach langen Vorbereitungen
im Rahmen der 630-Jahr-Feier unserer Gemeinschaft der Landesgruppe Bayern
und Baden-Württemberg in Ulm / Donau die Gründungsversammlung
der "Arbeitsgemeinschaft der Gottscheer Landsmannschaften" statt.
Besonders aktive Mitarbeiter in den einzelnen Landsmannschaften würdigten
diesen notwendigen Schritt, nachdem die einzelnen Landsmannschaften den
Statuten gemäß ihre Beschlüsse gefaßt hatten. Zum
Vorsitzenden wurde Dr. Viktor Michitsch gewählt, zu Stellvertretern
die einzelnen Vorsitzenden der Landsmannschaften; Schriftführer
wurde der damalige Schriftleiter der Gottscheer Zeitung, VD. Fritz Högler,
der diesen Zusammenschluß besonders begrüßt hatte.
Im § 1 der beschlossenen Statuten ist bestimmt: "Die Arbeitsgemeinschaft
der Gottscheer Landsmannschaften ist die Vereinigung von Gottscheer Organisationen
zum Zwecke der Koordinierung der ihnen nach den Satzungen obliegenden Aufgaben
und zur Verwirklichung der angestrebten Ziele. In dieser Eigenschaft hat
die Arbeitsgemeinschaft auch die Aufgabe, ihre Mitglieder zu beraten."
Andererseits sind die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft verhalten, "von
allen in ihren Vereinigungen zur Beratung stehenden Angelegenheiten, sofern
sie für die gesamte Volksgruppe von Bedeutung sind oder ein einheitliches
Vorgehen erfordern, den Vorstand der Arbeitsgemeinschaft zu benachrichtigen"
(§ 4). Auf den abzuhaltenden Tagungen sind "alle die Gottscheer
betreffenden Fragen und deren Lösungsmöglichkeiten zu besprechen
und zu beraten, damit ein einheitliches Vorgehen zum Wohle aller Landsleute
gewährleistet erscheint" (§ 5).
Der Arbeitsgemeinschaft gehörten und gehören an: Gottscheer Relief
Assoc., Inc., N Y.; Gottscheer Relief Assoc., Toronto, Kanada; die Gottscheer
Landsmannschaft in Deutschland; die Gottscheer Landsmannschaft in Klagenfurt;
die Gottscheer Landsmannschaft in Graz und die Gottscheer Landsmannschaft
in Wien. Gemäß dem genehmigten Statut findet jährlich eine
ordentliche Tagung (im Rahmen der Gottscheer Kulturwoche) statt. In dringenden
Fällen können je nach Bedarf auch außerordentliche Tagungen
einberufen werden.
Die Funktionsperiode des Vorsitzenden und des Schriftführers dauert
zwei Jahre. Die Amtsträger können jedoch wiedergewählt werden.
Der Vorsitzende, Dr. Viktor Michitsch wurde bisher immer wiedergewählt
(einstimmig), so daß er nun dieses Amt schon nahezu 20 Jahre ausübt.
Dem ersten Schriftführer, Fritz Högler, folgte Med.-Rat Dr. Josef
Krauland; nach dessen Tod im Jahre 1973 wurde sein Stellvertreter, Dr. Herbert
Krauland, zum Schriftführer gewählt, der diese Funktion auch heute
noch innehat.
Die Arbeitsgemeinschaft ist keine eigene Rechtspersönlichkeit, sondern
vielmehr ein loser Zusammenschluß einzelner landsmannschaftlicher
Organisationen zu wirkungsvoller gemeinsamer Arbeit und Beratung. Dabei
haben die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft ihre Selbständigkeit voll
behalten. Sie sind auch nicht an Weisungen der Arbeitsgemeinschaft gebunden,
die ihre Eigenständigkeit berühren könnten. Die Arbeitsgemeinschaft
berät jedoch ihre Mitglieder in allen an sie herangetragenen Fragen.
Wichtige Angelegenheiten werden auf breiter Basis beraten und diskutiert.
Wichtig ist ein einheitliches Vorgehen in unsere Gemeinschaft betreffenden
Fragen, wie Vermögensentschädigung, kulturelle Angelegenheiten
Stellungnahmen zu historischen Aussagen, unsere Gemeinschaft betreffend,
Gottscheer Publikationen und Förderung von solchen, Koordinierung von
gemeinsamen Veranstaltungen, Abstimmung von Aussagen über das Gottscheer
Völklein usw.
Die Tagung der Arbeitsgemeinschaft ist auch das Gremium, das die höchste
Auszeichnung, den Gottscheer Ehrenring, verleiht. Hierüber gibt es
ein eigenes Statut.
Im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft wurde auch die Sepp-König-Stiftung
geschaffen. Nach deren Richtlinien werden aus der Stiftung Arbeiten "gefördert
und unterstützt, die sich mit Forschungen über Gottschee befassen.
Dazu zählen Dissertationen, Abhandlungen über verschiedene Gebiete,
Gottschee betreffend". Dabei müssen die Arbeiten wissenschaftlichen
Wert haben und eine entsprechende Publikation wenigstens in der "Gottscheer
Zeitung" erfahren.

Der Gründer der Gottscheer Kulturwoche auf Schloß Krastowitz
in Klagenfurt.
Oberschulrat Hermann Petschauer (links), im Gespräch
mit Dr. Viktor Michitsch (rechts), dem Vorsitzenden der Gottscheer Landsmannschaft
in Klagenfurt und Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Gottscheer
Landsmannschaft seit ihrer Gründung im Jahre I960. Zwischen beiden
Bürgermeister Franz Lusser, Innervillgraten in Osttirol, dahinter
(von links) Friedrich Petsche. Vorsitzender der Gottscheer Landsmannschaft
in Graz, Maria Schager, Schriftführerin der Landesgruppe Nord-West,
Franz Wittreich, Ehrenmitglied der Gottscheer Landsmannschaft in Klagenfurt,
und Max Jaklitsch, Vorsitzender der Landesgruppe Bayern und Zweiter Vorsitzender
der Gottscheer Landsmannschaft in Deutschland.
Vor allem in der Vermögensfrage hat sich die Arbeitsgemeinschaft
bestens bewährt. In diesem Fall funktionierte auch die Zusammenarbeit
mit den maßgeblichen Sachbearbeitern der Gottscheer Relief Assoc.
in New York bestens. Ohne Übertreibung darf festgestellt werden,
daß die Arbeitsgemeinschaft sehr viel zu den bisherigen Erfolgen
in dieser Frage beigetragen hat. Es ist klar, daß die Bemühungen
in der für uns eminent wichtigen Vermögenssache weiter fortgesetzt
werden, so wie bisher auf jeder Tagung dieses Problem behandelt und beraten
wurde und die entsprechenden Beschlüsse gefaßt worden sind.
Kurz gesagt ist das Ziel der Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaft: Gemeinsames
Vorgehen in allen unsere Gemeinschaft betreffenden Fragen, wie Vermögensentschädigung,
kulturelle Zusammenarbeit, Koordinierung von Erklärungen, die unsere
gesamte Gottscheer Gemeinschaft betreffen, gemeinsames Entgegentreten
gegen historische Verfälschungen.
Hoffen wir, daß die in der Arbeitsgemeinschaft zusammengefaßten
Organisationen noch weiterhin gemeinsam zum Wohle unseres Völkleins
arbeiten mögen. Für die bisherige Mitarbeit und die gute Atmosphäre
sei allen Mitgliedern und deren Repräsentanten herzlich gedankt.
Sie alle wissen, daß wir in Gemeinsamkeit und Einheit stark sind
und mehr zu leisten in der Lage sind. So werden wir auch noch die Kraft
haben, den Abschluß und das Ende unserer Geschichte so lange wie
möglich hinauszuschieben. Und alle arbeiten und handeln dieser Erkenntnis
gemäß!
Zum 20jährigen Bestehen der Arbeitsgemeinschaft ein kräftiges
Glückauf!
(650 Jahre Gottschee, Festbuch 1980, Dr. Viktor Michitsch)
www.gottschee.de
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