Herbert Otterstädt an Kamerad Dr. Manfred Straka in Graz, 02.09.1938.


 


Herbert Otterstädt (1)
Duisburg / Brauerstr. 2, II
Duisburg, den 2.9.38


Kamerad
Dr. Manfred Straka (2)

Graz / Stm.
Joanneumring 11



Lieber Manfred!

Aus Gottschee zurückgekehrt, möchte ich Dir berichten:

Die Lage ist seit einiger Zeit ausserordentlich kritisch, da die Slovenen anscheinend den Kopf verloren haben und zu Gewaltmitteln greifen, wie wir sie bisher nur aus der Tschechei gewohnt waren. Massenanklagen durch die Mitglieder der Slovenska straza, Bestrafungen von Kameradinnen und Kameraden mit Arrest, genaueste Beobachtung und Bewachung der exponierten Personen und sogar in etlichen Fällen Verbot von Ortsverlassen sind an der Tagesordnung. Neuerdings hat unser Mitarbeiter Pfarrer Wittine - Morobitz keinen Pass mehr erhalten, Sophie Kren wird unvermittelt in der Stadt angehalten und auf Büchermaterial hin visitiert (allerdings erfolglos!) Hildes Rekurs wegen der 1000 Dinarstrafe läuft noch,
aber gleichzeitig läuft eine neue gerichtliche Klage gegen sie wegen "Störung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit".
Die Vorvernahme der Zeugen hat zu ihren Gunsten gestand.

Meine Arbeit hat insofern diesmal gelitten, als ich mich nicht in der Lage sah, das Lager durchzuführen, da ich zu sehr bekannt bin und vor allem die infrage kommenden Teilnehmer nicht unauffällig genug hätten verschwinden können. Es ist daher verschoben worden.

ln Agram habe ich Ing. Koken aufgesucht, um die Versandfrage endgültig zu klären. Sende bitte in Zukunft alle Fibeln und Bücher an Ing. Koken, Zagreb, Istarska. Die anderen Adressen lasse bis auf weiteres bitte fallen. Koken wird alles annehmen und hat mir persönliche Weiterbeförderung in die Volksinsel versprochen, sowie an eine sichere Stelle nach Laibach, von wo sie abgeholt werden. Während meines Besuches traf aus Marburg ein Brief an Krauland - Gottsche ein, auf dem offiziell die Abholung der "Fibeln und Bücher" aus Z. gefordert wurde.

Ich habe mich wegen dieser unverantwortlichen Leichtsinnigkeit bei Koken beschwert und erfahren, dass diese Nachricht von Agram nach Marburg, von dort nach Gottschee gegangen ist. Ich lege grossen Wert darauf, dass die Klique Arko - Krauland mit der Angelegenheit künftig überhaupt nichts zu tun hat, dass ausserdem solche Nachrichten bei der vorzüglichen Kontrollarbeit gerade des Postamtes Gottschee-Stadt überhaupt unterbleiben. Ich glaube, wir sind da einer Ansicht.

Richard Lackner beauftragt mich, Dich zu bitten, für ihn irgendwie zu sorgen, wenn er ins Reich kommt, um zu studieren. Er würde gerne nach München und Berlin gehen. Seine Eltern werden das Studium nur bezahlen könnnen, wenn er einen Zuschuss erhält. Zur Zeit bereitet er die Passbeantragung vor und holt in Belgrad die Erlaubnis zum Auslandsstudium ein. Ich muss sagen, dass Lackner zu den wertvollsten und idealistisch denkenden Kräften Gottschees gehört und er es wirklich wert ist, dass man ihm hilft.

Die Zeitungsangelegenheit mit H. Erker ist nun so, dass Krauland die Vorzensur ausübt und der Bezirkshauptmann danach streicht. Die gesamte Arbeit eines Schriftleiters obliegt Erker, und wenn es auch nicht so viel ist, so hält er es (ich würde
es ebenfalls tun) auf die Dauer für unerträglich, unter solchen Bedingungen zu arbeiten, dabei mit 900 Dinar Gehalt. Was dabei noch an Werten überhaupt übrigbleibt, kannst Du Dir denken, denn Krauland ist Arko in diesem Falle und Arko ist Landesverräter und politisch höchst unzuverlässig. Erker bittet insbesondere aus materiellen Sorgen noch darum, dass man ihm das Geld für die letzten zwei Monate überweist. Er ist wirklich ein armer Kerl, und sein Idealismus ist prompt trockengelegt. Er wird aushalten und denkt nicht daran, Arkos Wunsch nachzukommen und wieder nach Neusatz zu gehen. Ich habe ihm geraten, sich möglichst aus dem immer stärker werdenden Zwiespalt zwischen der Gruppe Arko und
den nat. soz. Jungbauern herauszuhalten und seine Arbeit zu tun, wenngleich ich die Arbeit Arkos geradezu als laufenden Verrat betrachten muss. ln Berlin indessen glaubt man, geradezu mit Blindheit geschlagen, immer noch daran, solcherweise in Gottschee politische Gehversuche zu machen! Ich bin überzeugt, dass die junge Generation sich durchsetzen wird, gegebenenfalls gegen Berlin.

Was zum Schluss meine Versetzung betrifft, so hast Du mir nichts mitgeteilt (die 2 Karten hast Du wohl aus Jugosl. erhalten?) und ich muss annehmen, dass die Angelegenheit noch in Berlin läuft. Wie ich hörte, soll der Ort des Institutes noch gar nicht bestimmt sein? Gib mir doch bitte Nachricht.

In Kürze müssen Dir noch etliche Vorschläge betr. der Neueinrichtung einer Schülerbücherei in Lienfeld gesandt werden.
Ich habe sie noch nicht fertig.

Heil Hitler!



Anmerkungen:

(1) Herbert Otterstädt, geb. 12. Februar 1912 in Berlin. Starb 26. November 1963 in Wiesbaden. Gattin Hilde, (verehelicht 1938), Tochter von Josef Erker, Gottscheer, Lehrer in Masern (Grcarice) 1912-1914. Zwei Kinder. Otterstädt durch Gattin mit Gottscheer Volksgruppe verbunden. Besuchte "Winterschule" für Gottscheer Jungbauern in Ulm in 1938. An dieser "Winterschule" waren gleichzeitig 60 junge Gottscheer unter Gottscheer Volksgruppen u. SS-Sturmbannführer Wilhelm Lampeter. Otterstädt war Hauptschuldirektor in Marburg und hatte bei den Planungen für die Aussiedlung von "Nationalslowenen" aus der Untersteiermark eine unterstützende Rolle. (Ferenc: Quellen, S. 275-277)

Verfasser von:
- Deutscher Besitz in Krain - nationalsozialistisches Südostdeutsches Institut, Graz, 1940.
- Vom deutschen Blutsanteil in Krain, 1941. Gottschee, eine deutsche Volksinsel im Südosten, 1941.
- Gottschee, Verlorene Heimat deutscher Waldbauern, 1962.

Ehrenringträger der Gottscheer Landsmannschaft.


(2) Dr. Manfred Straka, stellvertretender Direktor des Südostdeutschen Institutes in Graz und Beauftragter für die höheren Schulen beim Chef der Zivilverwaltung in der Untersteiermark. Er leitete zugleich die Außenstelle des Südostdeutschen Instituts in Marburg.


www.gottschee.de





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