Herbert Otterstädt an Volker Dick, Denunzierung des Herrn Dr. Hans Arko, Tätigkeitsbericht, Duisburg, 10.09.1937.
Herrn Volker Dick(3), Bln-Friedenau Lieber Volker! Seit etlichen Tagen bin ich nach 6 wöchiger Zeit aus Gottschee wieder in D. eingetroffen. Dein versprochener Brief bezüglich der Wirtschaftsfragen ist nun nicht mehr eingegangen. Soweit ich orientiert war, habe ich mit Krauland, Kresse und Kraker gesprochen. Die Süssmosterei steht immer noch nicht. Kraker, der seine Pläne über den Haufen geworfen sieht und überdies viel zu wenig Ahnung vom Genossenschaftswesen besitzt, hat m.E. nicht den Mut, die Verantwortung eines Obmannes zu tragen, obwohl ich mehrmals mit ihm sprach. Er ist unter allen Umständen gewissenhaft. Krauland steckt noch immer in den Vorarbeiten und es schien ihm von vornherein ausgeschlossen, die diesjährige gute Obsternte genossenschaftlich zu verwerten. Mir scheint, als ob er ebenfalls noch die Verantwortung scheut, da ihm die ganze Lage noch zu unklar ist. Zunächst wünscht er eine genaue detaillierte Angabe der Maschinen, eine ins Einzelne gehende Aufrechnung der Kosten und will wissen, wie die Überweisung der Gelder von hier vorgenommen wird. Kresse ist bereit, als Vorstandsmitglied die propagandistische Absatzregelung zu übernehmen und in kaufmännischen Fragen zu beraten. Man wartet auf Hönigmann und Pleschinger, von denen man Aktivierung der Genossen zu erwarten scheint. Nach aussen hin ist noch nichts getan. Bevor nicht Aufsichtsrat und Vorstand stehen, werden keine Genossen geworben. Ich sah mich nicht in der Lage, hier irgend wie einzugreifen, da es dann nicht genügt hätte, mich 2 Tage vor der Abreise kurz im Überblick einzuweihen. Überdies war ich der Meinung, berufenen Wirtschaftlern nicht ins Handwerk zu pfuschen. Eine Einigung zwischen Hilde und Paula herbeizuführen, war aussichtslos angesichts der Tatsache, dass sämtliche aktiven Kräfte des Landes kontra Paula stehen und dies nach eigener Überzeugung nur zu recht. Der offene Bruch ist bereits da. Die Wirkung von Arkos geistiger und organisatorischer Alchimistenküche ist zu offensichtlich, als dass er den selbstlosen opferbereiten jungen Kräften länger hätte verborgen bleiben können. Ausserdem bin ich persönlich der Überzeugung, dass es höchste, allerhöchste Zeit ist, Paula verschwinden zu lassen, restlos. Sie ist ein Schwätzer und Blender zugleich und es gehört eine gehörige Portion psychologische Blindheit da zu, den Schein über das Sein zu stellen. Was sind konkret und klar ihre Erfolge, ihre Leistungen, ihre Arbeit? Die Hausiererangelegenheit ist nämlich, wenn man sie im Hinblick auf Verdienst, volksdeutscher ideeller Auffrischung und politscher Erkenntnis betrachtet, durchaus nicht so sehr zu verwerfen. Zum Skandal wurde sie erst in Gottschee-Stadt! Vielleicht ist der Schlüssel zu Paulas Auswahlprinzipien noch einmal zu finden. Und vielleicht stinkt es dann über Gottschee hinaus. Man sollte Frauen gegenüber vorsichtiger sein und in der psychologischen Auswahl nicht vom Augenblickserfolg abhängig werden. Paula kennt heute noch nicht das Land, verstehen wird sie es nie. Vor einigen Jahren tauchte sie plötzlich auf, wirft nun mit dummen Phrasen ebenso herum wie mit hinterhältiger Angeberei. Vielleicht wird eines Tages das Material gegen sie stehen wo sich Leistung deutlich genug vom Schein und Schmuck mit fremden Federn abheben. Mir scheint, man sollte behutsamer mit der "Erfahrung" dieser Dame hinter Arkos Aktenstaub umgehen. Tatsache jedenfalls ist bisher, dass weder die Hausierfrage, noch die Wirtschaftsfragen aller Art, noch die finanziellen Stützungen auch nur annähernd gelöst sind. Tatsache ist weiterhin, dass es im Land immer weiter bergab geht, dass nun, nachdem man 1933, 1934 wie der Elefant in den Porzellanladen gestürmt war, heute nahezu jede offene Gelegenheit zerstört ist, kulturell in befriedigendem Maße weiterzuarbeiten. Seitdem nun Arko und Paula zu Führern der Gottschee gestellt sind, ist das Misstrauen durch ihre absolute Erfolglosigkeit riesenhaft gewachsen und erschwert den gefundenen "Unbelasteten" jede Neuregelung wirtschaftlicher Fragen erheblich. Solange besagte Leute noch etwas zu reden haben, ist m.M. mit Erfolg nicht zu rechnen. Meine persönliche Meinung über Paula ist - nicht etwa aus einzelner Quelle stammend - die, dass Paula eine hysterische Person ist, die sich gut winden und drehen kann, geschickt tarnt und zuerst blendet. Unbedingt! Im übrigen interessiert sie das Land nur, soweit ihr Ehrgeiz und ihr Geltungstrieb gestillt werden, soweit sie eine Rolle spielt und sie Lorbeeren ernten kann. Bisher allein nur auf Vorschuss. Ansonsten ist sie skrupellos und unverschämt, um nicht mehr zu sagen. Arko ist ein Trottel, ein degenerierter Intellektueller, schwunglos, faul, grössenwahnsinnig in seinem beschränkten Kreise und ein Lump von Format. Paula sein Helfershelfer. Ich habe nun im nächsten Jahre kein Interesse mehr daran, drüben wieder nur Deine Ehre zu vertreten, die Arko und Frau mit nicht wiederzugebender schmutziger Gesinnung in den Dreck getreten haben. Du hast Dich wirklich in eine ausgesucht vorzügliche Gesellschaft hineingestellt. Dass Du heute nicht mehr drüben sein kannst, hast Du m.E. zum grössten Teil Arko zu verdanken, dem Denunzianten und Landesverräter. Ich sollte die Kameraden grüssen. Dein Name wirkt bei vielen Älteren wie ein rotes Tuch auf den Stier. Dahinter steht Arko, dessen einziges Ziel ist, Dich unmöglich zu machen. Glaubst Du, dass aus dieser Winkeladvokatur ein sauberes Licht hervorgehen könnte? Ich muss mich kurz fassen und bitte, die Mängel der Beweiskraft die darin liegen, zu entschuldigen. Nachdem nun der VDA(4) nicht einen Finger gerührt hat betreffs meiner Devisenbeschleunigung, sass ich über 4 Wochen drüben ohne Geld. Nachdem gleichfalls Herr Mirbt es nicht für nötig befunden hat, auf meine konkreten Fragen bis heute überhaupt eine Antwort zu senden, die ich so nötig zur eigenen Vorbereitung gehabt hätte, musste ich mich so recht und schlecht orientieren. Manchmal glaube ich, es sei angebracht, zu fragen, ob Mitarbeit erwünscht oder nicht ist. Die letzte Notensendung der Mittelstelle nach Gottschee beweist, wie irrig es ist, aufs Geradewohl von irgendjemand solche Dinge zu versenden. Es ist nämlich ausser 3 Liederbücher nichts für Gottschee geeignet, da die Vorraussetzungen zu den Gedanken einfach nicht erfüllt werden können. Man muss die Not des Landes, die Mentalität des Volkes und die Bedürfniss im einzelnen genau kennen, um kulturell zu helfen. Jetzt liegen die vielen Noten nutzlos da. Ausserdem machte der verdammte Bürokratismus mit Scheinen, Stempel und Amtlichkeit gerade den Eindruck, den die Slowenen brauchen, um die Zwangsschraube weiter anzuziehen. Die Arbeit ist heute methodisch eine andere als sie vor etlichen Jahren war. Die Zeiten der Wandervogelromantik mit dem Ritterschwur im Bilde, wo man in Gruppen durch die Dörfer ziehen konnte, wo man aufgeblasen wie die jungen Frösche vom Gauobmann zum Gaujungendführer titulierte, wo Gaubefehle aus Leipzig heranflatterten und viel Lärm gemacht wurde, sind endglültig vorbei. An positiven Werten ist verdammt wenig geblieben. Wie es heute aussieht, wissen leider nur wenige. Ein deutsches Lied genügt zum Nachweis der "Hitlerpropaganda". Bei Nacht muss man mit den Gottscheern nach Kroatien marschieren, um im ungefährlichen Süden ein Lager abzuhalten. Also nochmals: Vorsichtiger arbeiten! Dass die Polizei trotz ihrer sprichwörtlichen Dummheit sehr gut über die personellen Umwälzungen orientiert ist, sah ich bei eigener Vernehmung in Tschermoschnitz ein. Nun kurz mein Tätigkeitsbericht:
Nun erwarte ich Nachricht von Dir. Sei mir nicht böse, dass ich viele Dinge so unverblümt beim Namen genannt habe. Kannst der Hilde gratulieren. Inzwischen haben wir uns verlobt. Sende mir bitte Deine Gottschee-Arbeit zehn Tage zur Einsicht. Später brauche ich auch das statistische Zahlenmaterial, das dem VDA aus Gottschee jetzt zugeht. Die Erlaubnis zur Benutzung habe ich mir von denjenigen erbeten, die unter eigener Gefahr die Erhebungen durchführen. Im nächsten Brief erzähle ich Dir mehr. Die Kameraden lassen Dich grüssen. Hans Spreitzer kommt mit seiner Schafszucht gut voran und hat im Lande bereite Ohren gefunden. Jetzt wartet er auf das Anfangskapital. Noch im Herbst werden die ersten Schafe angekauft. Er arbeitet fleissig, zielbewusst und unbeirrt. Mit der Stadtclique macht er auch seine Erfahrung, weiss aber frühzeitig genug daraus die Konsequenzen zu ziehen. Olga ist ebenfalls in Ordnung und bewährt sich z.Z. hat sie 190 Dinar Strafe. Charakterlich habe ich in ihnen prächtige Kameraden gefunden. Sophie Kren(5) steht auch ihren Mann. Sie arbeitet recht aktiv. Zu den Besten, weil uneigennützig und fähig, gehört Richard Lackner. Kennst Du ihn? Nun lass Dich herzlich grüssen in kameradschaftlicher Verbundenheit,
Anmerkungen:
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