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Erlebnisbericht
des Tischlermeisters F. M. aus Büchel (Hrib) in der Gottschee.
Vergebliche
Flucht mit dem letzten Eisenbahntransport aus Gurkfeld; die Internierung,
Ausplünderung und Mißhandlung der Flüchtlinge nach dem Einzug
der Partisanenarmee in Tüffer; ihr Abtransport bis Marburg und ihre
Austreibung im Fußmarach nach Österreich Ende Mai 1945.
Erlebnisbericht
des Tischlermeisters F. M. aus Büchel (Hrib) in der Gottschee.
Original,
23. März 1958, 15 Seiten, handschriftlich.
Vergebliche Flucht mit dem letzten Eisenbahntransport aus Gurkfeld; die
Internierung, Ausplünderung und Mißhandlung der Flüchtlinge
nach dem Einzug der Partisanenarmee in Tüffer; ihr Abtransport bis
Marburg und ihre Austreibung im Fußmarach nach Österreich Ende
Mai 1945.
Zunächst schildert der Vf. seine Erlebnisse bei der Umsiedlung der
Gottscheer Deutschen nach der slowenischen Untersteiermark im Jahre 1941
/ 42 und in seinem Ansiedlungsort Gurkfeld (Krsko) unter den unmittelbaren
Einwirkungen des Krieges im Frühjahr 1945.
Von Mitte April 1945 hatten wir dann ständig Alarmdienst, und die Sache
wurde immer aussichtsloser; es wurden Trecks zusammengestellt, um die alten
Leute, Frauen und Kinder zu evakuieren, um zu retten, was zu retten ist.
Die deutsche Wehrmacht hat in Massen Rückzug gemacht, vom Balkan kommend,
durch unsere Gegend. Als am 8. Mai 1945 der Zusammenbruch kam, haben ich
und meine Frau noch schnell einige Habseligkeiten zusammengepackt, Kleider,
Wäsche, Schuhe und Lebensmittel, und haben diese Sachen zur Bahn befördert,
da uns gesagt wurde, daß noch ein Zug abfahren wird in Richtung österreichische
Grenze; das war auch tatsächlich der Fall. In der Nacht ist dann dieser
Zug abgefahren, voll beladen mit Menschen und den allernötigsten Habseligkeiten,
aber der Zug ist zirka
2 km außer der Station stehengeblieben, auf offener Strecke und kehrte
in der Früh 9. Mai wieder zurück in die Bahnstation, wo noch einige
vollbeladene Wagen angehängt worden sind, und ist dann am Abend 9.
5. 1945 erst endgültig weitergefahren.
In dieser
Nacht, die ich nie vergessen werde, ist es zugegangen, als wenn wirklich
die Hölle weit aufgerissen wäre. Frauen und Kinder haben geweint
und geschrien, überall wurde geschossen. Die Straßen waren
blockiert von dem Wirrwarr, eine endlose Völkerwanderung ist ausgebrochen.
Auf eine Rettung hat wohl niemand mehr gedacht in diesem Chaos.
Morgens, den 10. 5., als der Tag angebrochen kam, da sahen wir, daß
unser Zug auf einer Brüche steht und konnte nicht mehr weiter, da
das Heizmaterial ausgegangen ist. Im Laufe des Vormittags ist dann doch
eine Lokomotive gekommen und hat unseren Zug in die Station geschleppt,
das war Tüffer, zirka 10 km südlich von Cilli in der Untersteiermark.
Dort sind wir dann schnell ausgestiegen, um ein wenig Luft zu holen; wir
waren in der Meinung, daß unser Zug bald weiterfahren wird, aber
wir wurden bald eines Besseren belehrt. Es sind von allen Seiten die Partisanen
gekommen und haben die Waggons angezündet, und so mußten wir
unsere Habseligkeiten auf schnellstem Wege herausholen aus den Waggons,
um etwas zu retten. So haben wir dann den ganzen Tag am Bahnhof herumgelauert
in unserer Angst und haben beraten, was wir nun machen sollten.
Als dann der Abend herankam, schleppten wir unser Gepäck in eine
bombardierte Textilfabrik in der Nähe vom Bahnhof, um doch nicht
ganz unter freiem Himmel zu übernachten. So haben wir einige Tage
gehaust; im Freien haben wir zwei Ziegelsteine aufgestellt, ein Feuer
angemacht, um etwas Suppe zu kochen, denn wir hatten noch etwas Mehl und
Fett. Nach fünf Tagen bin ich zu einem Bäcker, um etwas Brot
zu bekommen, aber leider. Dann habe ich etwas gutes eigenes Mehl genommen,
und für dieses Mehl hat mir der Bäcker dann einen kleinen Laib
schlechtes Brot gegeben. Auf einmal sind die Partisanen in grollen Massen
aus den Wäldern gekommen, und nun ist das Martyrium losgegangen.
Zu dieser Zeit haben wir schon nicht mehr in der Textilfabrik gewohnt,
sondern in bombardierten Privathäusern.
Am Abend, 16. Mai 1945, mußten wir alle, es waren über 200
Gottscheer, Buchenländer und Bessaraber, unser ganzes Gepäck
wieder zurückschleppen in die Textilfabrik, und nun wurden wir total
ausgeplündert. Dokumente, Bargeld, Bankbücher, Kleider, Wäsche,
kurzum alles, was wir hatten, Uhren, Schmuck. Meine Frau konnte die Ohrringe
nicht schnell genug herausnehmen, da hat ihr ein Partisan das eine Ohrringel
samt Fleisch herausgerissen. Wenn ein Mann gute Stiefel anhatte, mußte
er sie schnell ausziehen und hat ein paar zerrissene bekommen. Den Familien
mit kleinen Kindern haben die Partisanen eine oder zwei Decken und etwas
Wäsche belassen. Als diese Plünderung nach Mitternacht ziemlich
beendet war, mußten sich die Männer ganz nackt ausziehen und
die Frauen und Kinder bis aufs Hemd und wurden so aufgestellt, eine Seite
Männer und die andere die Frauen, und dann haben die Partisanen die
ganzen Kleider durchsucht nach Schmuck und Geld; am liebsten haben sie
Schnaps gehabt, daher waren sie immer rauschig und wie die Bestien.
Bei dieser Kleiderdurchsuchung haben sie bei einem Mann zwei Paar Stoffhosen
gefunden; auf das hin haben sie ihn auf einen großen Tisch geworfen
als Nackter, und zwei Partisanen haben den Befehl bekommen, dem Mann 25
Hiebe zu verabreichen mit einem zwei Meter langen und vier bis fünf
Zentimeter dicken Stock; und wir alle mußten das zuschauen, auch
die Frau und seine zwei Kinder mußten zusehen. Wie nicht anders
zu erwarten, ist beim ersten
Hieb schon das Blut gespritzt, und der Mann hat geheult vor Schmerzen,
und wir alle haben geweint. Auf das hin war für einen Augenblick
das Schlagen gestoppt; der Kommandant sagte, wer noch einen Mukser macht,
kommt als nächster auf den Tisch - und die Schlägerei ist weitergegangen,
bis die 25 Hiebe alle waren; und der arme, halberschlagene Mann mußte
sich dann noch bedanken für das Martyrium. Als die Schlägerei
vorüber war, durften wir uns wieder anziehen; und dann ist der andere
Zirkus losgegangen. Es sind zwei Kisten hingestellt worden, und ein Partisan
kam mit einer Zieharmonika und spielte feste darauf los. Auf diese zwei
Kisten mußte sich je ein Mann setzen, und zwei Partisanen mit Schere
begannen ihre schändliche Arbeit mit dem Haarschneiden. Dem einen
haben sie das Hakenkreuz in die Haare geschnitten, aber wie!, und dem
anderen haben sie willkürlich die Haare ausgerissen. Einem alten
Mann mit starkem Schnurrbart haben sie die eine Seite Bart ganz weggeschnitten
und die andere Hälfte stehengelassen, er mußte sich dann alle
Tage mehrmals melden, damit er den Bart nicht ganz wegnimmt, bei Drohung
mit 25 Schlägen. Die Hüte sind uns weggenommen worden, damit
alle mit dem Finger auf uns zeigen konnten. Diese Prozedur mußten
wir in derselben Nacht alle durchmachen.
In dieser Fabrik war auch ein kleiner Raum, nur durch eine Bretterwand
abgeteilt, da waren Ustascha drinnen; wir haben sie zwar nicht gesehen,
aber wir haben diese Menschen brüllen gehört wie die Löwen,
wenn sie zu irgendeiner Stunde in der Nacht so schwer mißhandelt
und geschlagen wurden. Einmal in der Nacht wurden auch Gottscheer Augenzeugen
dieser Quälerei, sie mußten zusehen, wie diese Bestien die
armen Männer geschunden haben, bis sie sie dann eines Tages doch
ganz erschossen haben...
Nach dieser schrecklichen Nacht sind wir dann zur Arbeit eingeteilt worden.
Einige Tage mußte ich mit eine Partie Pferde eingraben, die schon
ziemlich verwest waren. Wir haben sie zu den Bombentrichtern geschleppt
und notdürftig zugescharrt; dann haben wir Büromöbel übersiedeln
müssen; und endlich, bald zum Schluß, haben wir dann bei einer
bombardierten Brauerei die Ziegel saubermachen müssen und ein Stück
weiter weg aufschichten.
Endlich, am 29. Mai 1945, gegen Abend, wurden wir dann geholt mit der
Bemerkung, daß wir weitergeschoben werden. (Von meinen Leidensgenossen
in Tüffer weiß ich leider nur von zwei Familien die Adresse:
Es folgen Name und Anschrift.) Wir mußten uns vor der Textilfabrik
aufstellen. Und da wurden zirka 40 Männer, so bis gegen 45 Jahre
alt, von uns herausgeholt und zur Zwangsarbeit weiter verschleppt, von
denen ich bis heute nichts mehr gehört habe. Wir übrigen, Männer,
Frauen und Kinder, sind dann zum Bahnhof Tüffer getrieben worden,
um daß wir einwaggoniert werden. Einige hatten sich noch eine Flasche
Wasser mitgenommen, aber der Haß war so groß, daß wir
nicht einmal einen Schluck Wasser haben durften. Die Wasserflaschen sind
uns weggenommen worden und an die Mauer geworfen. Wir haben einige Wagen
bekommen und mußten wie Streichhölzer zusammengepreßt
stehen. Niedersitzen war unmöglich, nicht einmal auf den Fußboden,
da nicht genug Platz war. So ist dann endlich spät abends der Zug
abgefahren in Richtung österreichische Grenze.
Zeitig morgens, den 30. Mai sind wir in Marburg / Drau aus dem Zug herausgeholt
worden, und die ganze Karawane ist für zirka drei Stunden in der
Stadt Marburg herumgetrieben worden, und niemand wußte, was sie
mit uns machen sollten. Wir wurden während der schrecklichen Herumtreiberei
von der dortigen Bevölkerung beschimpft und angespuckt, als wenn
gerade wir Flüchtlinge die Kriegsverbrecher gewesen wären. Die
Lage war für uns zum Verzweifeln. Viele Frauen haben ein kleines
Kind im Arm getragen, und eins oder zwei haben sich an der Mutter ihren
Rock angeklammert und haben geweint und geschrien vor Hunger und Angst;
aber was konnte die arme Mutter schon geben, um die Kinder zu beruhigen,
wenn man sie total ausgeplündert hat! So ist es dann weitergegangen.
Als die Partisanen in Marburg ratlos waren, was sie mit uns machen sollten
(am liebsten hätten sie uns über den Haufen geschossen), haben
sie uns dann doch weitergetrieben, unter schwerer Bewaffnung, Richtung
österreichische Grenze.
Unterwegs ist dann der Flüchtlingsstrom immer größer geworden,
da von allen Seiten noch viele hundert Flüchtlinge dazugekommen sind.
Der Flüchtlingsstrom nahm kein Ende, da die Menschen vor Hunger und
Erschöpfung nur langsam vorwärtskamen. Viele sind im Straßengraben
zusammengebrochen, da sie die Strapazen einfach nicht mehr mitmachen konnten,
hatten wir doch schon den dritten Tag überhaupt nichts mehr zum Essen;
aber die Partisanen
haben uns mit ihren Maschinenpistolen immer weitergetrieben, bis wir dann
endlich am 30. Mai 1945 gegen Abend die österreichische Grenze bei
Spielfeld erreicht haben.
Am Bahnhof Spielfeld hat es dann geheißen, alle alten Leute und
kleinen Kinder werden mit der Bahn weiterbefördert. Die übrigen
sind dann unter schwerer Bewachung von Partisanen weitergetrieben worden.
Als wir durch den Schlagbaum die Grenze überschritten haben, hat
alles erleichtert aufgeatmet, in der Hoffnung, daß es nun besser
wird. Die Partisanen haben uns dann noch ein Stück weitergetrieben
und haben uns spät abends am
Ufer des Flusses Mur lagern lassen, natürlich unter freiem Himmel.
Zum Glück war es nicht kalt, denn wir hatten doch keine Decken und
überhaupt nichts.
Am nächsten Morgen, dem 31. Mai, sind wir dann wieder weitergetrieben
worden bis Leibnitz. Dort haben wir dann auch noch mehrere Bekannte getroffen.
In Leibnitz hat das Rote Kreuz etwas zum Essen verteilt, aber es war durch
den Wirrwarr nicht viel zu bekommen. Die Kinder und ganz alten Leute haben
dann doch etwas Suppe oder einen Tee bekommen. So haben wir mehrere Stunden
in Leibnitz herumgelauert und beraten, was man unternehmen sollte. Endlich
gegen Abend ist dann ein russischer Militärzug gekommen, der in Richtung
Graz gefahren ist, und viele haben sich in diesen Zug hineingepreßt,
um etwas weiter von der Grenze wegzukommen. Ungefähr um Mitternacht
sind wir dann am total zerstörten Hauptbahnhof angekommen in Graz.
Alles mußte auf schnellstem Wege den Zug verlassen, und so haben
wir uns, total erschöpft, zwischen den Bahngleisen niedergemacht
und auch gleich eingeschlafen. Nach einiger Zeit, es war noch stockfinster,
hat es schwer geregnet und sind dann zum Ostbahnhof getrieben worden,
diesmal nicht mehr von Partisanen begleitet, sondern von österreichischen
Feldgendarmen, die uns gut behandelt haben.
Dort sind wir dann in die Viehwaggons gekommen, damit wir doch ein Dach
über den Kopf gehabt haben. Am 1. Juni 1945 sind wir bis gegen Abend
am Bahnhof in den Waggons gewesen und haben wieder mehrere Bekannte getroffen,
die von anderen Seiten nach Graz gekommen sind. Abends sind wir einige
Stationen weitergefahren und dann auswaggoniert worden; niemand wußte
richtig, wo wir uns befanden. Wir sind dann wieder weitergetrieben worden
in der Nacht, und ungefähr um Mitternacht haben wir dann in einem
alten Schloß Unterkunft gefunden. In der Früh haben uns die
Bauern einen Kessel gekochte Kartoffeln gebracht, so daß jeder einige
bekommen konnte, und für die Kinder etwas Brot und auch Milch. Die
Leute in dieser Gegend waren sehr gut und hilfsbereit, so viel sie konnten.
Das war schon in Österreich, in der Nähe von Graz. Wir sind
dann den ganzen Tag wieder weitergewandert, bis wir gegen Abend, den 2.
Juni, nach Kaiserwald kamen in ein altes Barackenlager. Hier haben wir
uns gleich niedergemacht am Boden, ohne Stroh oder einer Decke, total
erschöpft und ausgehungert, und sind bald eingeschlafen.
Die nächsten Tage haben wir bei den Bauern gearbeitet, damit wir
etwas zum Essen bekamen. Am 12. 6. sind viele von uns nach Graz zum Arbeitsamt,
um Arbeit zu bekommen. Im Hof beim Arbeitsamt hat es ausgeschaut wie auf
einem Viehmarkt; da sind die Bauern von allen Seiten herbeigekommen und
haben sich die Arbeiter ausgesucht; natürlich waren jüngere
Kräftigere bevorzugt, und solche Familien mit mehreren arbeitsunfähigen
Kindern wollte niemand haben, da natürlich auch die Kinder etwas
zum Essen brauchen. Es war eine sehr traurige Lage, da auch die Bauern
ziemlich ausgeplündert wurden von den Besatzungstruppen. Ich habe
mich bemüht, in meinem Beruf als Tischler Arbeit zu bekommen, aber
alle Bemühung war umsonst, da die Meister wohl Arbeit genug gehabt
hätten, aber es fehlte an sämtlichem Material und auch an Wohnraum.
So waren wir gezwungen, zum Bauer zu gehen und arbeiten, damit wir nicht
verhungert sind, und trotzdem mußten wir auch beim Bauer stark Hunger
leiden, da er, der Bauer, das meiste verhamstert hat und für uns
armen Flüchtlinge kein Herz gehabt hat.
Ich werde diese bittere Zeit niemals vergessen können, solange ich
lebe.
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