Die deutsche Sprachinsel Gottschee, Carl Freiherr v. Czoernig, Triest, 1878.



Deutscher u. Österreichischer Alpenverein, Band 9, 1878.


Die deutsche Sprachinsel Gottschee. Vortrag, gehalten in der Section Küstenland des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins am 23. November 1878. Von Carl Freiherrn v. Czoernig in Triest. Mit einer ethnographischen Karte.


Südlich jener Linie, welche das compacte Gebiet deutscher Zunge von den von Slovenen besetzten Landestheilen scheidet, bestehen unterschiedliche deutsche Sprachinseln.

Gleich in der Nähe des westlichen Beginnes dieser Grenzlinie bilden Raibl, Tarvis, Flitschl, Ober-Gereuth und Goggau in Kärnten mit Weissenfels in Krain eine zusammenhängende grössere deutsche Sprachgruppe.

Die Bevölkerung der bedeutenderen Orte Unter-Kärntens, der Süd-Steiermark und einiger Städte Krains ist zum Theil von deutscher Abstammung, bedient sich jedoch überwiegend der deutschen Sprache.

Dies gilt von Kappel, Bleiburg, Schönstein, Windisch-Feistritz, Windischgratz, Gonobitz, Cilli, Tüffer, Pettau, Rann,
Windisch-Landsberg u. A., in Krain von Lak, Stein, Gurkfeld, und insbesondere von Laibach. In letzterer Stadt überwiegt das deutsche Element, welches schon im 11. Jahrhundert dem slavischen das Gleichgewicht hielt, am Ende des 13. aber dasselbe überflügelt hatte. (01)


An den Quellen der Zeyer im krainischen Bezirk Bischoflak liegt die deutsche Enclave Zarz. (02)

Im Görzerischen besteht die nunmehr fast ganz slovenisirte deutsche Sprachinsel Deutschruth im Gebiete des Baèa-
flusses; (03) und die Bevölkerung der Städte Görz und Triest enthält einen ansehnlichen Stamm theils erbgesessener, theils zugewanderter deutscher Bewohnerschaft.

Zu Pola in Istrien überwiegt, seit es Hauptsitz der k. k. Kriegsmarine ist, von Jahr zu Jahr mehr die deutschsprechende Bevölkerung.

Im Osten endet die deutsch-slovenische Sprachgrenze in Ungarn; hier befinden sich die unbedeutenden deutschen Ortschaften Kaltenbrunn und Olsnitz zwischen den Slovenen.

Die umfangreichste deutsche Sprachinsel im Süden der deutsch-slovenischen Sprachgrenze ist jene von Gottschee. Sie umfasst beinahe den ganzen gleichnamigen Gerichtsbezirk und die untengenannten Parzellen der benachbarten Bezirke, im ganzen etwa 850 qkm und zählt 34 rein deutsche und mehrere gemischte Ortschaften.

Im gesammten Gerichtsbezirk Gottschee wurden am 31. December 1869 gezählt: 3473 Häuser mit 6835 männlichen
und 11597 weiblichen, zusammen 18432 Bewohnern.



Die deutsche Sprachinsel Gottschee, Carl Freiherr v. Czoernig, 23.11.1878.


Ein ähnliches Missverhältniss zwischen der Zahl der männlichen und jener der weiblichen Bevölkerung besteht in den
ausser dem Bezirk Gottschee liegenden Theilen der Sprachinsel. Es rührt davon her, dass ein gutes Drittel der Männer als Hausirer in die Welt zieht, daher bei Vornahme der Volkszählung ortsabwesend war.

Die Gottscheer Deutschen bewohnen heute folgende Theile Krains: (04)


 
1. Den Gerichtsbezirk Gottschee: Dieser zählte am 31. December 1869 wie bemerkt 3473 Häuser mit 18432
Einwohnern. Abzuziehen kommt die slovenische Ortsgemeinde Kostel mit 454 Häusern, 2800 Einwohnern, und die Ortschaft Ossiuniz 23 Häuser, 112 Einwohner.
  Häuser: Einwohner:
Somit verbleiben den Gottscheern 2996 Häuser mit 15520 Einwohnern 2996 15520
2. Im Gerichtsbezirk Tschernembl: die ganze Ortsgemeinde Stockendorf 86 Häuser, 468 Einw., und die Ortschaften Maierle 42 H., 196 E., Bresoviz 18 H., 83 E., Saderz 12 H., 55 E., Tscheplach 25 H., 128 E., und Winkel 76 H., 273 E., daher zusammen unter Tschernembl ... 259 1203
3. Im Gerichtsbezirk Möttling: die Steuergemeinden und Rotten Bresie 4 H., 24 E., Gaber 26 H., 38 E., Hrib 3 H., 22 E., Perbische 11 H., 73 E., Rosenthal 12 H., 79 E., Sela 4 H., 30 E., Wertschitsch 10 H., 66 E., Semitsch 132 H., 362 E., daher Summe der Gottscheer im Bezirk Möttling ... 202 694
4. Im Bezirk Rudolfswerth fast die ganzen Ortsgemeinden Tschermoschnitz 338 H., 1921 E. und Pöllandl 149 H., 810 E., somit im Bezirk Rudolfswerth zusammen ... 487 2731
5. Aus dem Gerichtsbezirk Seisenberg den bei weitem grössten Theil der Ortsgemeinde Langenthon 139 H., 875 Einw. ... 139 875
6. Im Gerichtsbezirk Reifnitz die Katast.-Gemeinde Masern mit ... 78 278
Summe des ganzen Gottscheer Landes 4161 21301


Slaven wohnen unter den Deutschen in gleicher Anzahl wie diese in den Ortschaften Neu-Winkel, Alben und Alt-
Winkel, dann Wosail im Westen; die Slaven überwiegen in Tscheplach mit Bresovitz und Saderz, dann in den östlichen gemischten Gemeinden Wertschitsch, Perbische, Semitsch, Winkel und Maierle. Die auf der beigegebenen Karte gleichfalls als sprachlich gemischt bezeichnete Gemeinde Unterlag ist vorwiegend deutsch.

Zur Seelsorge bestehen 8 Pfarren: Gottschee, Altlag, Nesselthal, Tschermoschnitz, Rieg, Mösel und Ossiunitz, dann
Mitterdorf, ferner 8 Lokalien und zwar Ebenthal, von der Pfarre Altlag entstanden und ebenso Unterwarmberg, ferner Pöllandl und Stockendorf von Tschermoschnitz abgetrennt, dann Unterdeutschau von Mösel, Morobitz von Rieg, Göttenitz von Rieg und Suchen von Ossiunitz entstanden.

Schulen bestehen in jedem Pfarr- uud Lokalienorte und ausserdem in Stalzern.

In den Schulen zu Unterdeutschau und Morobitz wird deutsch und slavisch, in dem zwar zum Bezirk aber nicht
mehr zur Sprachinsel gehörigen Ossiunitz vorherrschend slavisch , in den übrigen Schulen aber nur deutsch unterrichtet, obwohl man die slavische Sprache nebenbei auch vornimmt. Ebenso wie die Schule wird auch die Predigt in den Kirchen Unterdeutschau, Morobitz, Ossiunitz und Suchen ausser deutsch auch slovenisch abgehalten.

Die Volkszählung vom 31. December 1869, der ich die Bevölkerungs-Daten entnehme, ergab für ganz Krain 220 009
Männer und 243 264 Weiber. Es ist ein kaum fehlgehender Schluss, wenn man das gleiche Zahlenverhältniss zwischen beiden Geschlechtern auch auf das Gottscheer Land anwendet. Nun wurden damals als Bewohner des Ländchens 8266 Männer und 13035 Weiber gezählt. Das Verhältniss Krains auf Gottschee angewendet, würden auf 13035 Weiber, diese als stabil und vollzählig anwesend angenommen, 11806 Männer entfallen. Da deren aber nur 8266 bei der Zählung ortsanwesend waren, ergibt sich, dass 3540 sich auswärts befanden. Diese Ziffer
zur anwesenden Bevölkerung hinzugerechnet, bringt die Gesammtzahl der Gottscheer Deutschen auf 24 841, und mit Rücksicht auf die seit 1869 stattgefundene natürliche Vermehrung der Bevölkerung auf rund 26 000.

Von dieser Ziffer mögen die unter den Deutschen der Sprachinsel in den gemischten Gemeinden wohnenden Slovenen, deren etwa 1000 sind, abgezogen werden; es erübrigt dann 25 000 für die Zahl der Deutschen, wobei, wie im gegenwärtigen Aufsatze stets, die ethnographischen und nicht die politischen Grenzen für die Bestimmung des Umfangs der Sprachinsel massgebend waren. Die beigegebene Karte zeigt indess auch die politische Eintheilung.

Wenden wir uns nun der Geschichte des Gottscheer Ländchens zu.

Um die Frage nach dem Ursprung von dessen deutscher Besiedlung zu beantworten, wird es angezeigt sein, die Mittheilungen der alten Autoren und die Ansichten der competenten neueren Schriftsteller, die sich mit diesem Gegenstande bisher beschäftigten, hier anzuführen.

Dass das deutsche Volk der Vandalen vor seinen verheerenden Zügen und seiner zeitweiligen Sesshaftigkeit in
Gallien, Spanien und Nordafrika Sitze in Dacien und Pannonien eingenommen habe, ergibt sich aus verschiedenen Stellen in Procopius de bello Vandalico.(05) Ludwig der Fromme empfing zu Anfang seiner Regierung (06) mit den Gesandten der Donau-Abodriten und Timocianer auch Abgeordnete des Volks der Guduscani. (Einhardi Ann. ad a. 818, Vita Hludovici Imp. - G. H. Pertz, Monumenta Germaniae historica I. 205. II. 624.)

Diese Guduscani standen damals in den Kämpfen zwischen Liudewit, den Slavenfürsten in Pannonia inferior (Slavonien) und Borna, dem Herrn von Dalmatien, auf des letzteren Seite: "Borna, dux Dalmatiae, cum magnis copiis ad Colapium fluvium (die Kulpa) Liudevito ad se venienti occurens, in prima congressione a Guduscanis deseritur; auxilio tamen praetorianorum suorum protectus, evasit ... Guduscani domum regressi, iterum a Borna subiguntur (Einhardi Annales ad a. 819, Pertz I. 206) - ferner: Liudevitus Bornae occurit Dalmatiae duci ad Colapium fluvium consistenti. Sed Borna Goduscanorum perfidia an timore desertus incertum, suorum tamen jutus auxilio domestico discrimen imminens tutus evasit, sed et desertores suos postea subegit. (Vita Hludov., ibid. IL 625.)

Sowohl Name als Lage würden hieher passen; insbesondere ist nicht zu entnehmen, dass die Goduscaner südlich der Kulpa wohnten, in welch' letzterem Falle sie freilich mit Gottschee nichts gemein hätten. Constantinos Porphyrogenetes nennt (de admin. imperii c. 30)



woraus Gottschee unschwer heraus zu hören ist.

Dass in den alten Sitzen der Vandalen ein Rest dieses Volkes zurückblieb, der noch an Geiserich in Karthago Gesandte schickte, sagt Procop de bello Vandal. I. 22; freilich erwähnt er nicht, wo dieser Rest sass, allein es erhellt aus dieser Stelle, dass nicht das ganze Vandalenvolk sich dem Zuge nach Westeuropa und Afrika anschloss.

Dimitz a. a. O. hält die Ansichten des Zeuss als durch spätere Arbeiten, von Th. Elze (im 3. Jahresheft des Krainer Landesmuseums, Laibach 1862) und K. J. Schröer (ein Ausflug nach Gottschee, Wien 1869, Gerold) widerlegt. Nur aus dem letzterwähnten Werke geht aber die Absicht einer directen Widerlegung hervor, Elze hat die bei Zeuss citirten alten Quellen entweder nicht gekannt oder wenigstens nicht erwähnt. Die Möglichkeit, dass ein Vandalenrest im Gottscheer Lande zurückblieb, wird übrigens auch von Schröer in seinem so trefflichen, bezüglich des Wörterverzeichnisses wohl erschöpfenden Buche nicht geleugnet.

Die neueren Schriftsteller vereinigen sich nun darin, dass sie die Regierung Karl IV. des Luxemburgers als jene Periode bezeichnen, in welcher die Grafen Otto und Friedrich von Ortenburg das Gottscheer Ländchen, das sie zum Theil vom Patriarchen von Aquileja zu Lehen trugen, mit deutschen Colonisten besetzten.

Elze und Dimitz glauben an die Angabe Valvasors (07): Der Laibacher Bischof Thomas Chrön habe im Jahre 1509
in seinem Kalender notirt, dass nach einem von ihm im Freisingischen Archive zu Lak gefundenen Document Kaiser
Karl IV. dem Grafen Friedrich von Ortenburg auf seine Bitten 300 Familien der überwundenen Franken und Thüringer
in die Leibeigenschaft schenkte, da sie wegen Aufstandes anderweitig hätten bestraft werden müssen. Von diesen Familien stamme die heutige deutsche Bevölkerung des Gottscheer Ländchens ab.

Ich kann der Sache nicht widersprechen, bemerke aber, dass ich trotz emsigen Suchens diese Urkunde in keiner der
ziemlich zahlreichen von mir eingesehenen Regesten und Urkundensammlungen fand, welche die Regierungszeit Karl IV. betreffen. Dies ist allerdings durchaus kein Beweis dagegen, dass sie existirt habe.

Entschieden irrig, wahrscheinlich auf einer oberflächlichen Excerpirung der eben erwähnten Stelle Valvasors beruhend, ist Klun's Angabe (Archiv flir die Landesgeschichte Krain's, Laibach 1852 I S. 35), dass Kaiser Maximilian I. 1509 dem Grafen Friedrich von Ortenburg 300 kriegsgefangene Familien aus Thüringen und Franken zur Besiedlung Gottschee's überlassen habe. Die Ortenburger waren übrigens schon seit 1420 ausgestorben.

Eine unanzweifelbar glaubwürdige, im k. k. Staats-, Hof- und Hausarchiv in Wien erliegende Urkunde (08) Ludwigs delle Torre, Patriarchen von Aquileja, vom 1. Mai 1363 besagt: quod in quibusdam nemoribus seu siluis quae inhabitabiles erant et incultae, multae hominum habitationes factae sint et nemora huiusmodi ac siluae ad agriculturam reducta, et non modici populi congregatio ad habitandum conuenit in quibus
quidem locis ... de nouo quaedam ecclesiae constructae sunt videlicet in Gottsche (09), Pölan, Costel, Ossiwniz et Goteniz.

Im weiteren Verlaufe der Urkunde werden Priester für diese neuen Kirchen bestellt. Es sei hier bemerkt, dass Pöland,
Costel und Ossiunitz heute ausserhalb des deutschen Gebietes, doch nahe an dessen Rande liegen. Uebrigens ist die Gegend von Gottschee schon am 20. September 1277 von den Patriarchen an die Ortenburger verliehen worden (10). Im Jahre 1339 ward (nach Schröer) an der Capelle S. Bartelmä zu Moswald eine Seelsorgestation errichtet. Wenn dies die alte Bartholomäuskirche und das jetzige Dorf Moschwald bei Gottschee sind, so wäre der Beweis für das wenigstens theilweise Bewohntsein des Landes vor Karl IV. Regierung erbracht. Die Identität von Moswald
und Moschwald wäre aber doch nur anzuzweifeln, wenn ein anderer Ort Moswald auf den Ortenburgischen Besitzungen in Krain nachgewiesen wäre.

Ferner wurde mir gesagt, dass die Leute aus dem "Hinterland", insbesondere von Rieg, glauben, dass sie das Land länger als die Gottscheer bewohnen.

Mag nun immerhin der wesentlichste Theil der Ansiedler um die Mitte des 14. Jahrhunderts sich niedergelassen haben, so sind doch genug Spuren vorhanden, welche andeuten, dass diese nicht ein ganz menschenleeres Land antrafen. Wess Stammes jedoch die spärlichen früheren Siedler waren - dies festzustellen dürfte nunmehr sehr schwer sein.

Gottschee kam 1420 nach dem Aussterben der Ortenburger an die Grafen von Cilli, nach deren Erlöschen 1456 ward es landesfürstlich.


Hundertundein Jahr später gelangte es pfandweise an die Grafen Ursini, welche es 1619 an die Familie Khisel verkauften. Von diesen erwarben es 1641 die Auersperge, welche 1791 den Titel "Herzoge von Gottschee" erhielten und es noch heute besitzen.

Sechs Bauernaufstände in der Periode von 1515 bis 1662, zehn grössere Türkeneinfälle zwischen 1469-1584 hinderten nebst den auch andernorts vorkommenden Plagen: Seuche und Feuersbrunst den Aufschwung des Ländchens.

So wendeten sich die Männer Gottschees schon früh dem Hausirhandel zu, welcher noch heute ihren Namen in vieler Herren Länder bekannt macht. Schon im Jahre 1492 (11) bewilligte Friedrich III. den Gottscheern "in Ansehung des erlittenen Türken-Ruins die Freiheit, mit Vieh, Leinewand und anderen so sie erziehen und verarbeiten auf das Croatische und anderwärts hin" zu handeln. Decrete der Erzherzoge Karl vom 16. Juni 1571 und Ferdinand vom 12. Februar 1596 bestätigten diese Gerechtsame. Mit Südfrüchten, ihrem heutigen Hauptartikel, und Oel zu hausiren ward den Gottscheern am 4. November 1774 gestattet; ein Hausirpatent für sie erliess Kaiser Joseph II. am 27. April 1785.

Durch den Hausirhandel sollen früher 70 - 80 000 fl. jährlich ins Land geflossen sein.

Allein dieses Einkommen hat abgenommen (wie behauptet wird, gleichzeitig mit der Solidität der Gottscheer Hausirer) und es bringt und brachte meist einen zweifelhaften Segen. Wegen Mangel an arbeitskräftigen Männern wird offenbar entsprechend weniger Boden bebaut; die Weiber müssen die schwersten Feldarbeiten verrichten und leiden darunter ebenso wie auch die Bodencultur selbst zurückgeht.

Kommt der Mann nach Hause, so sieht er sich nicht viel in der Wirtschaft um, sondern vergeudet oft seinen Handelserwerb im Wirthshause. Die längere Abwesenheit der Männer wirkt zuweilen ungünstig auf die Sittlichkeit ihrer Gattinen. Schwingt sich einer oder der andere im Auslande
wirklich zum Handelsherrn auf, so kehrt er mitunter gar nicht mehr heim, sondern siedelt sich draussen an. So kommt mancher Gewinn nicht ins Land, die Verluste entgehen diesem aber gewiss nicht. Wenn letzterer Fall eintritt, erwirken nämlich die auswärtigen Gläubiger auf die in Gottschee gelegenen Immobilien des Schuldners Intabulationen, deren Gesammthöhe Elze (12) 1861 auf 1 1/2 Millionen Gulden schätzte. Seither hat sich deren Summe wohl vermehrt. Bringen auch die Männer vom Auslandsgange manche neue Anschauungen heim, so sind diese nicht immer besser als das Alte; übrigens
steht deren Verbreitung die conservative Denkart der Weiber entgegen.

Die Landwirthschaft wird übrigens nicht nur durch die Abwesenheit der Männer sondern wohl auch in einigen Orten durch die zu geringe Ausdehnung des anbaufähigen Boden oder dessen Armuth behindert, und es reichen ihre Erträgnisse zur Ernährung der Bewohner nicht aus.



Die deutsche Sprachinsel Gottschee in Krain im Jahre 1878


Ein gutes Braunkohlenwerk besteht bei Schalkendorf in Verbindung mit einer daselbst befindlichen ziemlich ansehnlichen Glashütte. Die sonstige Gross-Industrie beschränkt sich auf die Bearbeitung und Verwerthung der Erzeugnisse der noch immer riesigen Forste des Landes, insbesondere jener des Hornwaldes. Das Fleisch des in guten Bucheckerjahren massenhaft vorkommenden Bilches (Myoxus Glis) wird zuweilen auch eingesalzen, sein Fellchen gibt ein gesuchtes Pelzwerk. Wolf und Bär sind nicht selten. -

Auf die Frage nach dem deutschen Volksstamme, dem die Gottscheer angehören, gibt wohl ihre Mundart die beste
Auskunft.

Im Hinterlande, dann in der Altlager Pfarre können heutzutage nur die Jungen durch die Schule, die Männer durch
die Wanderschaft hochdeutsch; deren Weiber können nur gottscheerisch, welches auch im übrigen Theile des Ländchens noch immer die allgemeine Umgangssprache der Leute untereinander ist.


Schröer, der genaueste Kenner und Verfasser des bisher bestehenden vollständigsten Vocabulars der Gottscheer
Mundart erklärt, (13) dass sie im Ganzen den Charakter der baierisch-österreichischen Ostlechmundarten, mit einem alten Zusatze von Schwaben und Franken her besitzt.

Ganz gehört sie aber keinem dieser Stämme an, und es gibt auch (mit Ausschluss der aus dem slavischen überkommenen nicht häufigen Ausdrücke) gewisse Formen, die aus keinem dieser Sprachstämme abzuleiten sind. Einige derselben wären: die scherzweise verspottende Endsilbe -ate, die z. B. aus Gero (Gertrud) Gerate bildet; atiden = unten, atinne = innen, ahant = dort; baulbartig = kindisch; pfaifalter = Schmetterling; pleassen = blöcken; plunzazen = stottern; pütrich = Fässchen; toude = Traube (wohl = Dolde); watache = fittig; giren = gaffen; guot, der Besitz, insbesondere das Vieh; halle = selbe ; hegel = Nacken; Kar = Gefäss; Koffe = Hüfte; Kone = Trauung; Kunken = mit Begier anglotzen; matat = fade; nanne = Wiege; Nužar (14) = Tasche; deu offe, (fem.) der Frosch; schuole = Fingernagel; žeap = Tasche; žeare = Wundheit; spreuzling = Zaunpfahl, oder Gestell für den Leuchtspahn; unebartig = strauchig; und manche andere.

Verfasser dieses ist kein Linguist, kann also über die Gottscheer Mundart eine begründete eigene Meinung nicht
aussprechen, und will hier nur auf den Umstand hinweisen, dass wie oben dargestellt wurde, eine theilweise Bewohntheit des Landes schon vor der Mitte des 14. Jahrhundert zugegeben werden muss.

Es besteht die Möglichkeit, dass diesem Grundstock der Bevölkerung die ebenerwähnte Reihe von Worten angehörte, die weder aus dem baierisch-österreichischen, noch dem schwäbischen und fränkischen Dialekte sich leicht erklärt. Für definitiv entschieden halte ich die Frage der Herkunft der Gottscheer nicht, bis nicht die Abstammung der erwähnten
und mancher anderer Worte derselben Art nachgewiesen, oder aufgeklärt ist, dass sich diese Ausdrücke und Formen etwa in Folge eines eigenen und eigenthümlichen durch die Abgeschiedenheit bedingten Entwicklungsprocesses selbständig herangebildet haben. Immerhin spricht für Schröers oben dargelegte Ansicht ein sehr hoher Grad von Wahrscheinlichkeit.

Einige Sprachproben werde ich hier wiedergeben, wie ich sie bei einem kurzen Streifzug durch das Ländchen sammelte.

Das war ein herrlicher Pfingstmorgen 1878, als ich mit Freund Pazze von Reifnitz aus ins Land einfuhr! Mächtige
Linden und Eschen standen hie und da an der Strasse, die zunächst sichtbaren Felder waren gut bestellt; im Hintergrunde erhob sich die waldige Kuppe des Burgernocks 1009 m, welche den Friedrichsstein (gottsch.: Wridraichschtoin) trägt, ein zur Ruine gewordenes Schloss, in dessen Mauern 1422 das tragische Ende der Gattin Friedrichs von Cilli sich ereignete, welche auf Befehl ihres in eine Andere verliebten Gatten in ihrem Bette erstickt worden sein soll.

Auf vielen Bergkuppen stehen Kirchlein, die fast immer von einigen riesigen Linden umgeben sind.

Noch blühte der Weissdorn, Pseudacacien, selbst der Birnbaum - es war zu Anfang Juni - ein Beweis für das rauhe
Klima der im Winter sehr schneereichen Gegend. Ihr und Unterkrains höchster Punkt ist der Schneeberg bei Göttenitz 1266 m. Die Stadt Gottschee liegt 473 m ü. M.

Bald erblickten wir die Rinže, einen klaren Fluss, der kurz ober Gottschee entspringt, die Stadt einschliesst und dann
plötzlich versiegt.

Im Uebrigen herrscht ziemlicher Wassermangel; Grotten (von denen jene von Sele sehr sehenswerth) und Dolinen, sowie die ganze Formation des eigentlichen Gottscheer Bodens lassen erkennen, dass derselbe einem ausgetrockneten Zirknitzer See (15) entsprechen würde.


Wir begegnen Kirchengängerinnen, die freundlich grüssen. Sie tragen weisse in einem sehr langen Zipfel nach rückwärts fallende Kopftücher ("huderle"), ein gefälteltes weisses Hemd ("deu gerigoite pfoat") mit Aermeln, die bis an die Handwurzeln reichen, einen rothen oder grünen, in langen Fransen nach rückwärts hinabfallenden Woll-Gürtel; über dem Hemde eine weisse ärmellose Tuchjoppe. Hirten bliesen Schalmeien. Elze sagt, dass diese auch zuweilen selbstverfertigte Mäntel von Lindenbast tragen. Solche sahen wir nicht, dagegen trugen die Hirten meist schwere Holzschuhe ("Koschpen").

Die wenigen Männer, die wir auf der Strasse antrafen, waren städtisch gekleidet. Verwahrloste Häuser sahen wir
nur wenige auf der ganzen Route, die uns später über Stalzern und Mrauen nach Brod im tief eingeschnittenen Kulpathal, dann auf croatischem Boden nach Delnice, Station der Karlstadt-Fiumaner Eisenbahn führte.

Dagegen prangte mehr als ein stattliches Haus in den einzelneu Dörfern; mancher Handelsgewinn muss denn doch
auch zum Hausbau verwendet werden.

Von Moschwald führt eine stattliche Allee nach dem reinlichen und freundlichen Städtchen Gottschee, im Volksmunde kurzweg "deu Stadt" (16) genannt, das von der Rinze, die auch Mühlen treibt, umspült und von dem mächtigen fürstlichen Auersperg'schen Amtsschloss überragt wird. Gottschee zählte 1869 137 Häuser, 455 männliche und 593 weibliche Einwohner. Im Posthotel fanden wir prächtige Einkehr; in Herrn Knapp, dem Director des dortigen k. k. Gymnasiums einen zuvorkommenden Begleiter.

Ein Nachmittagsspaziergang brachte uns nach Moschwald. Wir besichtigten die dortige Tropfsteingrotte, die übrigens einen Besuch nicht lohnt, besahen bei Schalkendorf die Glasfabrik und die Braunkohlengrube (theilweise Tagbau) und liessen uns endlich im Schalkendorfer Wirthshaus nieder. Die Conversation der Gäste unter sich war im besten Gange, die
Leute freundlich und zu Auskünften gern bereit, und da begann nun das Notiren.

Einer der Glasfabriksarbeiter erzählte aus seinen Jugendjahren: "Mit zwölf Jor hat mi mein Atte (Vater, alemannisch; Ate = Vater, übrigens auch in der Sprache der piemontesischen Deutschen in Gressoney, Issime u. s. f. (Vgl. "die
deutschen Colonien in Piemont" von Albert Schott, Cotta, 1842, S. 142)
auf der Kroine (nach Krain. Sein eigenes Ländchen heisst der Gottscheer "das Lant") gegaben, weil's ihm deu Amo (Mutter) žo hat gežoit (gesagt). Gaud (Geld) hat er mi et a Kroizer gaben, lei zwoi Par gefarbate Kniehožen, lei oanei Pfoidle, otta (dann) a Kroinerisch Röckle, hat nisch a Kollar (hatte keinen Kragen) gehott; otta a Stroahüetle, ischt et wart gewan (werth gewesen) fünf Kroizare - otta hat er mir a Stückle Broat gaben in an Zekkar (Umhängtasche; niederösterreichisch "Zöger").

Der Bauer hat mir gaben hoidene Ganzelein zan wormais (Haidesterz zum Frühstück); zur Jaižen (Vesperbrot, österr.: "Jause") hat er mir gaben hiržebreie; auf kloan jaižen (Mittag) a Stückle hoidain Broat; zum Nachmohl Muež, Millich drauf.

Geschlofen han i im Stodl atinnen, mei kroinerisch Röckle auf mir statt da Deckn.

Bei der Nacht ischt mir kaut (kalt) geworn, otta bin i's Morensch wiedere gean hüetn die Küe und die wrisching (Schafe (nicht etwa Borstenvieh).

Ein anderer Landessohn hatte neben uns ganz still gezecht. Immerhin holte ihn die Gattin wegen überschrittener
hora legalis ab. Er begann zwar: "Mein deu liabe (Meine Geliebte), wir tuen mit die Herrn ausreden (berathen), allein sie koste ihn: "bischt baldlein (bald wieder) rauschi, bischt a rachte weinerne Metten" (Trunkenbold) und zog ihn fort. Sie muss recht gehabt haben, denn seine Genossen sagten dann: "der hallige (Derselbe) tuet sich gern kriagn (raufen) am žuntog habens geraafet wie zwoa Hun (Hähne), dass's Bluet vom Kopfe weg ischt geschprungen."

Wir gingen zur Tagesordnung über, und ich notirte mir noch ein Abschiedslied der das Elternhaus verlassenden Braut.

Es wurde gesungen und dem Umstande, dass es sich an die Melodie angepasst hatte, schreibe ich es zu, dass es mir nicht gelang ein stabiles Metrum darin zu erkennen.

Es lautet: So behüet Eu Gott mueter liebeu mein - I möcht von Eu gern Urlaub nam - Han i Eu was loids getan, bitt Eu verzeichet mir. - Liebeu Mueter, lasst mi in Euren Kaschten gean, - I han vergassen meine Bindbandlein (Strumpfbändlein). - In mein Kaschten berscht (wirst kommen) du nimmermehr, - Hascht vergassen was du willscht.-

Und benn du a vergassen hascht lei die Bindbandlein, - In mein Kaschten berscht du nimmermehr. (Bis hieher etwas abweichend von Elze und Schröer mitgetheilt, hauptsächlichste Variante: "heuer žind žeu meine Strumpfpantlein - ins jur (übers Jahr) bernt žeu meine biegenpantlein" (Wiegenbänder). Beide Autoren schliessen das Lied nach Anmerkung (wie die Braut sich zu Pferde setzt), mit den Worten "žeu ischt aufgežassen, šeu hat gežnupfaizet (geschluchzt) - žeu ischt ahin geritten, žeu hat gejuchaizet." - Den nachfolgenden Schluss des Liedes, der eine gute Moral enthält, kennen weder Schröer noch Elze.) — Amo, verzeichet mir, was ich et racht han getan - benns mir ahort (Einmal) lei schlacht werd gean, kimm i leibar (Gleichwohl) wieder hinterži (zurück). - Liebeu Amo! wo werd i denne hingean, benn mi mein Mann werd schlugen (schlagen) ? - Gea hin wo du willst, zue mir derfest du et kam; - kamest du denne wenn du brauchst Korn, Urbaisen (Erbsen, Bohnen), Mahl, (Mehl) Žauz (Salz), denne konnest du kam. - Benn di dein Mann schluget, denn derfest du mir et kam. - Benn di dein Mann nausjaget, liebeu Tochter, wo geahst du dennor (dennoch) hin? - Zu mir derfest du et ingean (eingehen), gea zum Gemoinar (Nachbar) - dass et der Mann auf mi zorni ischt, dass i di aufhaut (Aufhalte, behalte); - otta muesst da hoimgean, otta den Mann baten (bitten) - dass er dir verzeichet, was du ung'rachts hascht getan! -

Und mit diesem Abschiedsliede nehme auch ich von den geehrten Lesern Urlaub; mögen sie meine Ueberzeugung theilen, dass auch abgesehen von streng wissenschaftlicher Forschung ein Streifzug im Gottscheer Ländchen des Anregenden und Interessanten in Fülle bietet.



Anmerkungen:
01 S. hierüber das ausgezeichnete Werk: Geschichte Krains von August Dimitz, Laibach 1874, Kleinmayr & Bamberg Bd. I. S. 154 und 214. Zeitschrift 1878. "
02 Zeitschrift des D. u. 0. A.-V. Bd. VII. S. 16:3.
03 Zeitschrift des D. u. Ö. A.-V. Bd. VI. S. 250.
04 Nach den Erhebungen, welche behufs Entwerfung der „Ethnographischen Karte der österr. Monarchie" von Carl Frciherrn v. Czoernig' (des Verfassers Vater), Wien 1856, gemacht wurden, verglichen mit gefälligen Mittheilun^en des fiirstl. Auerspergischen Forstmeisters Herrn Ernst Fah er in Gottschee.
05 Citirt in „Die Deutschen und die Nachbarstämme" von Kaspar Zeuss, München 1837, S. 443 ff.
06 Ich folge in den nächsten Zeilen Zeuss, a. a. 0. S. 590—591.
07 Ehre Krains XI S. 194.
08 Der Originaltext bei Schröer a. a. 0. S. 13.
09 Hier kommt der Name Gottschee zum erstenmal urkundlich vor. Seine Ableitung ist controvers; manche leiten ihn von slov.: Koca, Blockhaus ab, also Gottscheer = Blockhausbewohner, Hinterwäldler.
10 S. darüber die Citate aus Tangel, die Grafen v. Ortenburg bei Schröer a. a. 0. S. 12 u. 13,—Klun a. a. 0. S. 20 erwähnt hingegen, dass die Verleihung erst 1347 durch den Patriarchen Bertraud de St. Ginnes
geschehen sei. Diese Angabe erscheint mir weniger wahrscheinlich als die obige, denn Bertraud zog vielmehr alle erledigten Lehen wieder an sich, als dass er neue vergeben hätte.
11 Notiz von P. v. Radios in der Triester Zeitung vom 7. August 1878.
12 A. a. 0. S. 22.
13 a. a. 0. S. 17. Schröer s Buch bietet auch sonst die ausgiebigste Belehrung über Gottschee.
14 Der aus der slov-enischen Sprache von mir entlehnte Zischlaut i ist auszusprechen wie j im französischen jour.
15 Dass diese Bodenbildung in Inner- und Cnterkrain sich wiederholt, sagt Professor Urbas in „Die Gewässer von Krain", Zeitschrift des D. u. Ö. A.-V. 1877, S. 153.
16 Die Thaiweitung um die Stadt herum heisst „das Länt" im engeren Sinne; das „Hinteriänf ist der westliche Theil der Sprachinsel; im Osten, längs des Hornwaldes werden die Bewohner: „Bäudnero" (Wäldler) genannt.

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