1.
Die Entstehung und Kompetenzen des Reichskommissars für die Festigung
deutschen Volkstums (RKFDV) Der Führererlaß vom 7. Oktober 1939 übertrug die Neuordnung der ethnographischen Verhältnisse, die HITLER einen Tag vorher in seiner Reichtstagsrede gefordert hatte, dem Reichsührer-SS (1). In einer für derartige Erlasse charakteristischen Weise war die Aufgabenstellung nur höchst summarisch umrissen. Es hing also weitgehend von HIMMLER ab, wie er den vage abgesteckten Rahmen füllen würde. So ist es nicht erstaunlich, daß der komplexe und vielfach gegliederte Apparat von Ämtern und Dienststellen, der unter dem Titel "Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums" firmierte, erst allmählich im Laufe der Entwicklung entstand. Der Reichsführer-SS errichtete Mitte Oktober 1939 die "Dienststelle des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums", die "für die Leitung und Herausgabe der allgemeinen Anordnungen und Richtlinien und für die Durchführung bestimmter nur zentral zu erledigender Aufgaben" (2) vorgesehen war. Dieser "Führungsstab" brauchte nicht völlig neu organisiert zu werden, da sein Kern bereits als "Leitstelle für Ein- und Rückwanderung" bestand, die im Juni 1939 für die Umsiedlung der Südtiroler gebildet worden war. Der Führungsstab des RKFDV wurde Mitte Juni 1941 unter der neuen Bezeichnung "Stabshauptamt" zum Hauptamt der SS aufgewertet. Der Verwaltungsapparat, den es darüber hinaus aufzubauen galt, mußte sich naturgemäß nach den Teilproblemen ausrichten, die der Pauschalauftrag umfaßte. Im Frühjahr 1940 schien sich folgendes Programm abzuzeichnen: Aus den an das Reich angeschlossenen Gebieten war die als nicht deutsch eingestufte Bevölkerung auszusiedeln und als "fremdvölkisch" entweder zur Arbeit ins "Altreich" zu verbringen oder ins "Generalgouvernement" abzuschieben. Volksdeutsche, deren kulturelle Autonomie nicht gesichert werden konnte, waren aus ihrer Heimat in die eingegliederten Ostgaue umzusiedeln. Die Bewältigung dieser Aufgabe mit Hilfe bestehender Reichsbehörden erwies sich schnell als unmöglich und aus HIMMLERS Sicht auch als inopportun. Es entstand daher in rascher Folge eine Zahl neuer Dienststellen, die der "Dienststelle des RKFDV" unterstellt waren. Die beiden wichtigsten dieser "angeschlossenen Dienststellen" waren die Deutsche Umsiedlungs-Treuhand GmbH (DUT) mit dem Auftrag, die Umsiedler vermögensrechtlich zu betreuen, und die Deutsche Ansiedlungsgesellschaft (DAG) - ursprünglich eine Gründung des Rasse- und Siedlungshauptamtes -, die den enteigneten Besitz übernahm und für die Neusiedler bereithielt. Infolge der Personalunion von RKFDV und RFSS war selbstverständlich auch die Mitarbeit aller Dienststellen der SS und der Polizei gewährleistet, ohne daß sie jedoch dem Kreis der Dienststellen zuzurechnen sind, die ausschließlich Kompetenzen des RKFDV wahrnahmen. Die anderen SS-Hauptämter waren daher auch nicht dem Stabshauptamt unterstellt, sondern galten als Dienststellen des RKFDV, soweit sie entsprechende Aufgaben erfüllten. Diese Regelung betraf: 1. das Hauptamt Volksdeutsche Mittelstelle (im folgenden Text VoMi), das mit seinem Amt XI "Menschensiedlung" die eigentliche Umsiedlungsarbeit übernahm; 2. das Reichssicherheitshauptamt, das zuständig war für alle Fragen der nichtdeutschen Bevölkerung und für die politische Beurteilung von Volksdeutschen. Als Sonderaufgabe kam die Einbürgerung der Umsiedler mit Hilfe der Einwandererzentralstelle (im folgenden Text EWZ) hinzu (3); 3. das Rasse- und Siedlungshauptamt (im folgenden Text RuSHA), das die rassischen Überprüfungen durchführte. Zusammenfassend ergibt sich somit folgendes Ordnungsschema: eine einheitliche Führung in der RKFDV-Politik war nur in der Person HIMMLERS durch die Personalunion von RKFDV und RFSS gegeben. Bereits auf der nächst tieferen Ebene standen die vier SS-Hauptämter VoMi, RSHA, RuSHA und Stabshauptamt grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander, wobei das Stabshauptamt als eigentlicher RKFDV-Führungsstab fungierte. Diesem nachgeordnet waren die "angeschlossenen Dienststellen" DUT und DAG sowie die Beauftragten des RKFDV mit ihren RKDFV-Dienststellen und Ansiedlungsstäben. Die Umsiedlung der Gottscheer Deutschen, Hans Hermann Frensing, 1970 www.gottschee.de Inhaltsverzeichnis Anmerkungen : 1 HANS BUCHHEIM, Anatomie des SS-Staates, a.a.O. S. 183; ebda: "Erlaß des Führers und Reichskanzlers zur Festigung deutschen Volkstums vom 7. Oktober 1939. . .. Dem Reichsführer-SS obliegt nach meinen Richtlinien: 1. Die Zurückführung der für die endgültige Heimkehr in das Reich in Betracht kommenden Reichs- und Volksdeutschen im Ausland, 2. die Ausschaltung des schädigenden Einflusses von solchen volksfremden Bevölkerungsteilen, die eine Gefahr für das Reich und die deutsche Volksgemeinschaft bedeuten, 3. die Gestaltung neuer deutscher Siedlungsgebiete durch Umsiedlung, im besonderen durch Seßhaftmachung der aus dem Ausland heimkehrenden Reichs- und Volksdeutschen . . ." 2 zitiert nach H. BUCHHEIM, Anatomie des SS- Staates, a.a.O. S. 187 3 ebda. S. 195: "Der RFSS/RKF hatte den Chef der Sipo und SD persönlich mit der Einbürgerung beauftragt, und dieser richtete zu diesem Zweck Mitte Oktober 1939 die EWZ ein. Es handelte sich um eine Sammeldienststelle: Unter einem Stab, der im wesentlichen aus Mitarbeitern des Chefs Sipo und SD bestand, waren Abgeordnete aller derjenigen Behörden und Dienststellen zusammengefaßt, die am Prozeß der Einbürgerung beteiligt waren." www.gottschee.de Inhaltsverzeichnis |