2. Der Umsiedlungsvertrag (12a)

Für die Modalitäten der Umsiedlung hatte man auf deutscher Seite ein Muster zur Verfügung: bereits während der Wiener Konferenz im April 1941 war in einem deutschen Unterausschuß, der an der vorbereitenden Planung der Konferenz beteiligt war, vorgeschlagen worden, die Gottscheeumsiedlung ähnlich wie die Südtirolumsiedlung durchzuführen (13).

Das Stabshauptamt hatte Mitte Juli seine internen Vorbereitungen abgeschlossen. Am 14. Juli 1941 hatte es die Anordnung 38/I erlassen, in der die Kompetenzen für die Zusammenarbeit der deutschen Dienststellen bei der Gottscheeumsiedlung geregelt wurden sowie die deutschen Grundsätze für die Ende Juli beginnenden Verhandlungen mit der italienischen Regierung präzisiert wurden (14). Doch schon bei den ersten Zusammenkünften der beiden Regierungsdelegationen in Rom zeigten sich beträchtliche Auffassungsunterschiede. Die Italiener nahmen den deutschen Entwurf zunächst einmal ohne Stellungnahme zur Kenntnis. In der zweiten Sitzung jedoch präsentierten sie einen Gesetzentwurf, der dem deutschen diametral widersprach:

"1. Zweiseitige Vereinbarung nämlich auch Regelung für Umsiedlung von Slowenen aus an Reich gefallenen     Gebieten, und zwar soweit bereits abgewandert oder zukünftig abwandernd.
2. Beschränkung Vertragsgebiets auf Gottscheer Gebiet mit Ausschluß Orte mit geringer deutscher Einwohnerzahl. 3. Beschränkung Personenkreis auf Volksdeutsche mit Residenz Vertragsgebiet.
4. Beschränkung der Mitnahme auf persönliche Gebrauchsgegenstände Möbel und Hausrat unter Ausschluß aller     Vorräte sowie lebenden und toten Inventars ferner sämtlichen staatlichen, kommunalen und kirchlichen     Verwaltungsmaterials sowie von Kunstwerken soweit unter Kunstschutz.
5. Liquidierung zurückgelassenen Vermögens durch Umsiedler selbst oder eigene Vertrauenspersonen. Ablehnung     Einschaltung öffentlicher Anstalt wie Ente Nazionale.
6. Regelung Verbindlichkeiten durch Umsiedler, aber Befugnis für Ortsbehörde zu Sicherungsmaßnahmen.
7. Transfer Nettoerlös zum Clearingkurs.
8. Genaue Fristen für Durchführung Umsiedlung.
9. Ausschaltung deutscher Behörden bei Durchführung Umsiedlung . . ." (15)

Läßt man die für die Gottscheer sehr ungünstigen wirtschaftlichen und finanziellen Klauseln einmal außer Betracht, dann mußten besonders die Punkte 1, 2, 3, 6 und 9 den Widerspruch der deutschen Delegation herausfordern (16).

Der erste Streitpunkt betraf die Auswirkungen der deutschen Volkstumspolitik in den annektierten Gebieten der Südsteiermark und Südkärntens. Dort hatten einige Tausend Slowenen nach der ersten großen Verhaftungswelle die nahegelegene deutsch-italienische Grenze in Richtung Italien überschritten, um sich der Verhaftung oder der Deportation zu entziehen. Diese Slowenen erbaten nun die italienische Staatsbürgerschaft. Die Italiener waren bereit, dieser Bitte nachzukommen und die Interessen der Flüchtlinge wahrzunehmen. Die Folge war, daß die italienischen Behörden Entschädigungsansprüche für die geflohenen Slowenen geltend machten, obwohl diese von den Deutschen oft als politisch Kriminelle betrachtet wurden.

Die Italiener versuchten nun, ein Junktim zwischen der Gottscheeumsiedlung und dem Slowenenproblem herzustellen. Die Deutschen lehnten jedoch diesen Versuch kategorisch ab.

Die Annahme des zweiten Punktes des italienischen Entwurfs hätte bedeutet, daß die deutsche Bevölkerung in den Randgebieten der Volkstumsinsel Gottschee wegen ihrer Zugehörigkeit zu Großgemeinden mit überwiegend slowenischer Bevölkerung nicht hätte optieren dürfen.

In eine ähnliche Richtung zielte die dritte Forderung: Die Deutschen wollten alle Deutschen im italienisch besetzten Slowenien umsiedeln, die Italiener versuchten das zu verhindern.

Das Mißtrauen der Italiener gegen die Gottscheer Volksgruppenführung, aber ebenso gegen die deutschen Dienststellen, zeigen die Punkte 6 und 9.

Die Italiener wollten sich einmal in der Gottschee "Sicherungsmaßnahmen" auf wirtschaftlichem und finanziellem Gebiet vorbehalten, zum anderen suchten sie zu vermeiden, daß deutsche Behörden auf italienischem Hoheitsgebiet während der Umsiedlungsvorbereitungen ihre Tätigkeit entfalten konnten.

Der italienische Gegenentwurf kann insgesamt nur als Maximalprogramm betrachtet werden. Daher gelangte man schließlich zu einem Kompromiß in dem für die Italiener wichtigsten Punkt: Die Italiener erreichten bei den Deutschen separate Verhandlungen über die Probleme der Slowenen mit italienischer Staatsangehörigkeit, während die Deutschen im wesentlichen ihre Forderungen hinsichtlich der Gottscheeumsiedlung durchsetzten. Zusätzlich hatte man sich deutscherseits bereitgefunden, dem
italienischen Mißtrauen Rechnung zu tragen, indem man sich beispielsweise bei der Charakterisierung der deutschen Umsiedlungsbehörden zu der Formel verstand:

"Die beiden Dienststellen in Laibach und Gottschee werden nur das für die Erfüllung ihrer Aufgaben unbedingt notwendige Personal halten." (17)

Das italienische Entgegenkommen ist vor allem wohl auf die Haltung MUSSOLINIS zurückzuführen, der sich unter dem Eindruck der deutschen Erfolge in Rußland um ein gutes Verhältnis zu HITLER bemühte (18).

So konnte am 6. August 1941 der Entwurf des Umsiedlungsabkommens wenigstens paraphiert werden. Die Durchführungsbestimmungen wurden aber erst am 31. August 1941 paraphiert, da die Verhandlungen über wirtschaftliche und finanzielle Fragen wegen der nur ungenügend vorliegenden Unterlagen aus der Gottschee sich als äußerst kompliziert erwiesen (19).

Damit war der politische Teil des Vertrages zwar erarbeitet und abgeschlossen. Das Umsiedlungsabkommen konnte jedoch erst in Kraft treten, wenn die "privatwirtschaftlichen Verträge zwischen der deutschen Umsiedlungs-Treuhand-Gesellschaft und den italienischen Gesellschaften ... abschlußreif sind. . . . Die Unterzeichnung der Abkommen erfolgt, sobald die Rahmenkaufverträge abgeschlossen sind" (20).

Der deutsche Delegationsleiter sah auch deutlich den Pferdefuß:

"Da die Italiener bei ihren Angeboten sehr zurückhaltend sind, ist zu erwarten, daß diese Besprechungen noch erhebliche Schwierigkeiten bieten werden." (21)

In der Tat sollte sich die Voraussage erfüllen: die Gottscheer warteten voll Ungeduld auf ihre Umsiedlung, aus "Vertragsgründen" wurde die Umsiedlung aber Woche für Woche hinausgeschoben.


Die Umsiedlung der Gottscheer Deutschen, Hans Hermann Frensing, 1970

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Anmerkungen :

12a  Der volle Wortlaut des Umsiedlungsvertrages s. Anhang S. 152 ff.

13
 Anlage "Italien" zum Schreiben des Reichsministers des Inneren an den Reichsminister des Auswärtigen, gez. Stukart, undatiert [zwischen dem 18. 4. und 21. 4. 19411; PA Inland Hg 251.

14  
s. o. S. 37.

15
 Telegramm des deutschen Botschafters MACKENSEN vom 29. 7. 41 an das Auswärtige Amt Berlin; PA Büro des Staatssekretärs, Akten betreffend Italien, Bd. 5, B 001113 f.

16
 Kommentar der deutschen Delegation zum italienischen Gegenentwurf: "Hiernach grund-sätzliche Meinungsverschiedenheit über fast alle wesentlichen Bestimmungen."

17
 Vereinbarungen zwischen der Deutschen Reichsregierung und der Italienischen Regierung vom 31. August 1941 über die Umsiedlung der deutschen Staatsangehörigen und Volksdeutschen aus der Provinz Laibach; in: Dok. d. Vertreibg. Bd. V, S. 142E.

18
 Dazu die Aufzeichnung des deutschen Delegationsleiters und Gesandten CLODIUS vom 13. 8. 1941 für RIBBENTROP: "Die sachlichen Verhandlungen verliefen ohne Schwierigkeiten. In zwei Fällen .. . hat der Duce persönlich eingegriffen und entschieden, daß den deutschen Wünschen in den wesentlichen Punkten zu entsprechen sei. Über die Umsiedlung der 15 000 Deutschen aus dem Gottscheer Ländchen wurde einevereinbarung getroffen, die in allen wesent-lichen Punkten den deutschen Forderungen entspricht!" PA Büro des Staatssekretärs, Akten betreffend Italien, Bd. 5, B 001210.

19
 Bericht über die Tätigkeit der Kulturkommission . . ., erstattet durch Prof. Dr. HANS SCHWALM; NAW, Roll 306, frame 2434277: "Die im Vertrag enthaltenen Fristen, die in der Erwartung eines früheren Vertragsabschlusses aufgestellt worden waren, wurden sogleich nach Vertragsabschluß verlängert, und zwar wurde die Optionsfrist bis zum 20. 11. 41 verschoben, die Ansiedlung der Umsiedler bis zum 20. l. 42 befristet und als äußerster Umsiedlungstermin für Nachoptanten der 20. 2. 42 bestimmt."

20  
Drahtbericht von CLODIUS und MACKENSEN vom l. 9. 1941 an das Auswärtige Amt Ber-lin; PA, Ha.-Pol. Clodius, Akten betreffend: Deutsch-Italienische Drahtberichte aus Rom vom 31. 8. 41 bis 24. 10. 41.

21  
ebda.

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