Die
Aussiedlung der Slowenen Am 1. Oktober 1941 trat das Umsiedlungsabkommen zwischen Deutschland und Italien in Kraft. Damit waren die außenpolitischen Voraussetzungen für die Umsiedlung der Gottscheer so weit gediehen, daß mit den Vorbereitungen für die Option in der Gottschee begonnen werden konnte. Das Stabshauptamt hatte aber zu diesem Zeitpunkt noch ein anderes Problem praktisch zu lösen, das theoretisch bereits am 26. April 1941 von HITLER geklärt worden war: die Frage nach dem Ansiedlungsgebiet der Gottscheer. 1. Die verschiedenen Pläne für die Aussiedlung In den "Richtlinien für die Aussiedlung fremdvölkischer Elemente in dem Gebiet der Untersteiermark" (1) hatte auch HIMMLER schon am 18. April 1941 unter Punkt 3 und 4 die Ausweisung der Bewohner des Sawe-Streifens und der des sogenannten Sotla-Streifens verfügt, des Gebietes, das dann eine Woche später den Gottscheern als künftige Heimat zugewiesen wurde. Doch am 1. Oktober 1941 befanden sich dort noch die Slowenen, während zwischen den beteiligten deutschen Dienststellen, auf der einen Seite besonders dem Gau Steiermark und der deutschen Gesandtschaft Agram, andererseits der SS, ein heftiger Streit über die Zweckmäßigkeit der Slowenenaussiedlung zu diesem Zeitpunkt entbrannt war (1a). Das Sawe-Sotla-Gebiet war mit anderen Teilen Sloweniens auf der Wiener Konferenz von Deutschland beansprucht und annektiert worden. Für diesen Fall der "Eingliederung" hatten sich die entsprechenden Gaudienststellen der Steiermark - das Südostdeutsche Institut und das Gaugrenzlandamt - offenbar gut vorbereitet und detaillierte Pläne für die "Regermanisierung" der 1919 aus dem Erbe der Habsburgermonarchie an Jugoslawien gefallenen Südsteiermark ausgearbeitet (2). Dazu gehörten neben der Ausweisung der gesamten slowenischen Intelligenz und der nach 1914 Eingewanderten die Aussiedlung der Bewohner eines Grenzstreifens, um dort Deutsche anzusiedeln, die als "völkischer Schutzwall" die "Rückvolkung der Windischen" - wie man die "einzudeutschenden" Slowenen nannte - gegen die anderen slawischen Völker des Südostens abzuschirmen hatten. Für diese Aufgabe waren die Gottscheer Volksdeutschen ausersehen worden, nachdem deren Anschlußpläne gescheitert waren. Bereits am 6. Mai 1941 hatte HEYDRICH beim Gauleiter UIBERREITHER in Marburg a. Dr. - Hauptort der Südsteiermark - eine Sitzung anberaumt, auf der die technische Durchführung der Slowenenaussiedlung geklärt werden sollte. Vorgesehen war, etwa 260 000 Menschen nach Serbien auszusiedeln. Der Zeitpunkt der Umsiedlung fiel jedoch zwischen die gerade beendeten Balkanfeldzüge gegen Jugoslawien und Griechenland und den in aller Eile vorbereiteten Aufmarsch gegen die UdSSR. Die Transportkapazität war damit größtenteils für militärische Aufgaben festgelegt. Für die Aussiedlung erwuchsen daher Transportschwierigkeiten. Deshalb wurde der Termin der Aussiedlung auf Anfang Juli verschoben. Mitte Mai bot die Regierung des neugebildeten Ustascha-Staates Kroatien der deutschen Regierung an, die auszusiedelnden Slowenen aufzunehmen, falls die Kroaten im Austausch dafür eine entsprechende Zahl von Serben nach dem unter deutscher Militärverwaltung stehenden Restserbien abschieben könnten. Nachdem HITLER am 18. Mai 1941 diesem kroatischen Vorschlag zugestimmt hatte, fanden am 4. Juni 1941 in Agram unter Leitung des Gesandten KASCHE Besprechungen statt, in denen die Pläne für die kombinierte Aussiedlung von Slowenen und Serben im großen Rahmen abgesteckt wurden (3). Danach sollte die Umsiedlung der Slowenen in drei Wellen abgewickelt werden, von denen sich jedoch die beiden ersten Wellen auf das gesamte Gebiet der Untersteiermark bezogen und nicht mit der Aussiedlung der Gottscheer in Zusammenhang stehen. Es war vorgesehen: 5000 politisch Belastete und Intellektuelle bis zum 5. Juli 1941 nach Serbien, 25 000 slowenische Einwanderer - die nach 1914 ins Land gekommen waren - vom 10. Juli bis Ende August und 65 000 bäuerliche Slowenen vom 15. September bis 31. Oktober nach Kroatien zu transportieren. Hinzu kamen noch 4000 slowenische Intellektuelle aus dem an den Gau Kärnten gefallenen Teil Sloweniens, die nach Serbien und weitere 80 000 Slowenen aus demselben Gebiet, die nach Kroatien umgesiedelt werden sollten (4). Aufgrund der sorgfältigen Vorbereitung konnte die Aussiedlung der "Welle I" im wesentlichen durchgeführt werden; denn "Die Erfassung der slowenischen Intelligenz und der deutschfeindlich ausgerichteten Kreise der Untersteiermark wurde bereits vor dem Einmarsch weitgehend durch den SD-Abschnitt Graz auf Grund des nochmalig dort erfaßten Materials durchgeführt. Ergänzungen wurden nach der Wiedereingliederung durch die Außenstellen des Kommandeurs der Sicherheitspolizei und des SD und durch die Dienststellen des Steirischen Heimatbundes vorgenommen. Insgesamt wurde für die Welle I eine Aussiedlung von 5487 Personen vorbereitet. Ausgesiedelt wurden bis zum 5. 7. 1941 4864 Personen. Der Rest ist zum allergrößten Teil vor oder nach der Besetzung der Untersteiermark geflüchtet. . . . (5)" Den ausgeklügelten Methoden der SS hatte sich die Mehrzahl der slowenischen Intelligenz nicht entziehen können. Die SS griff zu, bevor die meisten fliehen konnten. Dagegen mußte die Planung für die Welle II ganz umgeworfen werden. Zunächst einmal hatte man mit der Zahl von 25 000 einfach zu hoch gegriffen. "Abgesehen davon ging ein Teil der Auszusiedelnden über die grüne Grenze, ein weiterer mußte wegen Deutschstämmigkeit entlassen werden. Hinzu kam, daß die von den Erfassungskommissionen (des Rasse- und Siedlungshauptamtes) als "Tschitschen" bezeichneten Personen von der kroatischen Delegation beim Umsiedlungsstab als kroatische Staatsbürger anerkannt wurden und somit von der Aussiedlung ausgenommen werden mußten. Darüber hinaus ergab sich die Notwendigkeit, verschiedentlich Personen aus wirtschaftlichen Gründen ... zurückzustellen. Alle diese Erwägungen drückten die Zahl der tatsächlich Ausgesiedelten auf 9713 Personen herab (6). Nicht unerwähnt soll bleiben, daß die seitens des Steirischen Heimatbundes geplante Aussiedlungsaktion wegen äußerst ungenauer Arbeit auf Wunsch des Bundesführers abgebrochen und auf Befehl des Gauleiters restlos eingestellt wurde." (7) Rassische, außenpolitische, aber auch wirtschaftspolitische Überlegungen waren ohne ausreichende Koordination und so ungenau angestellt worden, daß Welle II auf zwei Fünftel der ursprünglichen Planzahl zusammengeschrumpft war. Ganz besonders aber wird in diesem SS-Bericht auf das Versagen des vom Gau eingerichteten und kontrollierten "Steirischen Heimatbundes" hingewiesen, wogegen die sorgfältige Planung und der Erfolg bei der Welle I absteche; ein klarer Erfolg der SS. Hatte schon die Welle II erhebliche Schwierigkeiten verursacht, so erwiesen sich diese bei der Welle III als unüberbrückbar. Ende Juli/Anfang August begannen die slowenischen Partisanen in Oberkrain und in der Untersteiermark mit ihren ersten größeren Aktionen gegen die Besatzungsmächte. Diese Sabotageakte und Überfälle nahmen einen solchen Umfang an, daß sich HIMMLER entschloß, in der zweiten Augusthälfte die Aussiedlung zu stoppen (8). Vom 22. August bis zum 8. September wurde die Umsiedlung unterbrochen. Danach liefen nur noch die restlichen Transporte der "II. Welle" aus. - Von der dritten Welle sollten jetzt noch 65 000 slowenische Bauern evakuiert werden. Doch nun trat ein neues Problem auf. In Kroatien hatte inzwischen die Partisanentätigkeit - besonders wegen der Serbenaustreibung, die man den Kroaten als Gegenleistung für die Aufnahme von Slowenen gestattet hatte - ein solches Ausmaß erreicht, daß auch nach Ansicht des deutschen Gesandten in Agram eine weitere Einsiedlung von Slowenen, die wiederum Vertreibung von Serben aus Kroatien nach Altserbien nach sich ziehen mußte, nicht mehr vertretbar erschien. Daraufhin kam es am 22. September 1941 zur zweiten Agramer Umsiedlungskonferenz, auf der nun die Interessengegensätze hart aufeinanderprallten. In Punkt 4 des Protokolls dieser Konferenz werden die Konfliktmöglichkeiten deutlich: "Die dritte Welle der aus dem Reich nach Kroatien auszusiedelnden Slowenen wird errechnet mit aus der Untersteiermark bis 45 000 Personen aus Kärnten bis 20 000 Personen. Die Untersteiermark [gemeint ist der Gau Steiermark] macht geltend, daß sie noch in diesem Herbst die Deutschen aus der Gottschee bis zu 20 000 Personen einsiedeln müsse. Deshalb müsse sie entsprechende Aussiedlungen vornehmen. Wegen der damit verbundenen Beunruhigung könne aber nicht die geringere Zahl allein, sondern müsse dann die Gesamtzahl der in Frage kommenden Personen ausgesiedelt werden. Die Kroatische Regierung wendet ein, daß die derzeitige politische Lage eine Aufnahme dieser Zahl nicht möglich mache. ... Der Vertreter des Stabshauptamtes des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums [Dr. STIER] machte die Gesichtspunkte seiner Dienststelle geltend (9). Er war bei der gegebenen Lage der Auffassung, daß bei dieser Sachlage die Entscheidung in dieser Besprechung nicht fallen könne. Gesandter KASCHE stellte damit fest, daß er dies berichten und zur Entscheidung durch die Reichsregierung bzw. den Führer weiterleiten werde. Zagreb, 22. 9. 1941." (10) Merkwürdig ist, daß der Vertreter des Gaues Kärnten keine Stellung nahm zu der Frage der noch aus Oberkrain nach Kroatien auszusiedelnden Bevölkerung. Erklären läßt sich diese Haltung mit der noch immer andauernden Partisanentätigkeit in Oberkrain, die eine Aussiedlung im Herbst 1941 nicht als opportun erscheinen ließ. Angesichts der prekären Situation der Kroatischen Regierung, die den Deutschen bereits vor der Konferenz bekannt war, läßt die Argumentation der Steiermärker, es "müsse dann die Gesamtzahl der in Frage kommenden Personen [65 000] ausgesiedelt werden", den Schluß zu, daß man die bereits bestehenden Schwierigkeiten weiter hochspielen wollte, um dadurch die Gesamtumsiedlung - Gottscheer - Slowenen - Serben - als gänzlich unmöglich in dieser Situation hinzustellen. Dr. STIER vom Stabshauptamt erkannte sofort diese Gefahr für die Umsiedlung der Gottscheer. Er setzte daher zum Schluß seine Auffassung durch, die Gegensätze über die anstehenden Fragen seien so schwerwiegend, daß bei dieser Besprechung ein Kompromiß nicht gefunden werden könne und daher die Entscheidung auf höherer Ebene getroffen werden müsse. Dem Gesandten KASCHE als Verhandlungsleiter blieb nichts anderes übrig, als eben dieses zu konstatieren und die Konferenz ohne greifbares Ergebnis abzubrechen. Daraufhin unternahmen in den nächsten Wochen die mit dem Problem befaßten deutschen Stellen fieberhafte Versuche, ihren Standpunkt bei der Entscheidung durchzusetzen. Die Umsiedlung der Gottscheer Deutschen, Hans Hermann Frensing, 1970 www.gottschee.de Inhaltsverzeichnis Anmerkungen : 1 Im Rahmen unseres Themas können nur die wichtigsten Aspekte der "Slowenenabsiedlung" beleuchtet werden; deshalb sollen im Zeitraffer die Hauptstationen der Entwicklung dargestellt werden; im zweiten Teil wird der Akzent gesetzt auf die Verquickung von Umsiedlung der Gottscheer und Aussiedlung der Slowenen. Über die Slowenenaussiedlungen aus der Untersteiermark gibt es von slowenischer Seite eine ausführliche Darstellung: FRANCE SKERL, Nacisticne deportacije Slovencev v letu 1941 (Die nazistischen Deportationen der Slowenen im J. 1941), in: Zgodovinski casopis VI-VII 1952-53, S. 768-797. SKERLS Ausführungen beruhen z. T. auf Dokumenten, deren Einsicht dem Verf. nicht möglich war, sind jedoch mit Vorsicht zu benutzen. 1a im Besitz d. Verf. 2 dazu im einzelnen: T. FERENC, Systeme d'occupation, a.a.O. S. 47-133. 3 vgl. Telegramm KASCHES vom 4. A. 1941; DGFP XII, Nr. 589. 4 Statt der vorgesehenen 260 000 ging man jetzt von 179 000 Umzusiedelnden aus. Die Gründe dafür sind nicht ganz klar: man hatte wohl kurz nach dem jugoslawischen Zusammenbruch nur pauschale Zahlen genannt, die nun aber - seitdem das Rasse- und Siedlungshauptamt eine rassische Wertung der Slowenen vorgenommen hatte - modifiziert wurden. 5 Lageberichte des RKFDV-Marburg, Oktober bis Dezember 1941; im Bes. d. Verfassers. 6 Der Abtransport dieser "Welle II" lief vom 1. 8. bis zum 27. 9. 1941. 7 Lageberichte des RKFDV-Marburg, Okt. bis Dez. 1941; im Besitz d. Verf. 8 Abschließender Bericht des Gesandten KASCHE vom 20. 11. 1941 über die Umsiedlung; im Besitz d. Verf. 9 Dr. STIER machte deutlich, daß die Gottscheer noch in diesem Herbst umgesiedelt werden müßten. Niederschrift Dr. STIERS über die am 22. Sept. 1941 in der Deutschen Gesandtschaft in Zagreb .. . stattgefundene Besprechung über die Umsiedlung aus dem Reich nach Kroatien und aus Kroatien nach Serbien; i. Bes. d. Verf.; Niederschrift Dr. Stier, Antw. 4. 10 Abschließender Bericht des Gesandten KASCHE vom 20. 11. 41; im Besitz des Verf. www.gottschee.de Inhaltsverzeichnis |