3. Die Opposition der Bauern aus dem "Hinterlande"

Neben der oppositionellen Geistlichkeit auf dem Lande und den oppositionellen Bürgern in der Stadt Gottschee tritt Ende September/Anfang Oktober 1941 eine dritte Gruppierung in Erscheinung; trotz der Spaltung innerhalb der Pfarrerschaft hatte sich in einem Teilgebiet des Gottscheerlandes, dem "Hinterland", eine Art Widerstandsgruppe gegen die Umsiedlung gebildet:

"Mein Vater, GEORG MICHITSCH, Göttenitz, hatte Ende September/Anfang Oktober eine Gegencampagne gestartet. Es fanden sich mehrere Männer, unter anderem der bereits verstorbene Pfarrer JOSEPH GLIEBE bereit, der Umsiedlung Widerstand entgegenzusetzen. Es wurden in den Ortschaften Göttenitz, Rieg und Masern Unterschriften gesammelt und eine Eingabe an den deutschen Konsul in Laibach gerichtet. Dabei wurde darauf hingewiesen, daß

die Umsiedlung während des Krieges unterbleiben soll. Diese Eingabe hat dann eine mächtige Hetze gegen die Männer der Gegenströmung ausgelöst. Tatsächlich wurden die Leute so eingeschüchtert, daß die Aktion keinen Erfolg hatte .. .
Den Leuten wurde gedroht, man [die Italiener] würde sie nach Süditalien (27) oder gar Abessinien verbringen, wenn sie der Umsiedlung nicht Folge leisten usw." (28)

Offensichtlich hatten sich in dieser Teillandschaft der Gottschee besonders günstige Bedingungen für eine oppositionelle Gruppe ergeben: zwei bekannte Pfarrer dieses Gebietes, der oben erwähnte Pfarrer JOSEPH GLIEBE und der bereits im Juni 1941 von der Volksgruppenführung angegriffene Pfarrer J. KRAKER wirkten hier, die offen gegen die Volksgruppenführung agierten; die Bauern von Göttenitz galten als wohlhabend und hingen daher besonders stark an ihrem Boden. Aus diesem Grund wollten sie ruhigere Zeiten abwarten und sich dann erst entscheiden.

Da diese Einstellung der konservativen Bauern jedoch die Umsiedlungsbereitschaft der gesamten Volksgruppe gefährdete, ging die Volksgruppenführung dagegen mit politischem und psychologischem Druck vor, wobei sie sich geschickt der in der Gottschee allgemein verbreiteten Furcht vor den Italienern als Abschreckmittel bediente.

Der Schock wirkte: der größte Teil der Bauern des Hinterlandes stellte seinen Widerstand ein.

Ein Nachhall dieser Opposition war jedoch noch im November 1941 kurz vor Abschluß der Optionsfrist in Rieg deutlich festzustellen: "Einige ältere Umsiedler aus Rieg, die bereits durchschleust waren, zogen mit gerichtlich beglaubigten (!) Schreiben ihre Optionserklärungen zurück. Wie Mannschaftsführer LAMPETER, der am folgenden Tag die Angelegenheit untersuchte, feststellte, handelte es sich um Quertreibereien des Rieger Pfarrers KRAKER. Die Umsiedler selbst zogen sofort ihre Schreiben zurück." (29)

Auch dieses Mal konnte der noch einmal aufgeflackerte Widerstand von dem blitzschnell reagierenden Mannschaftsführer gebrochen werden. Doch mußte es die Volksgruppenführung eigentlich bedenklich stimmen, daß trotz aller Gegenmaßnahmen im "Hinterland" eine oppositionelle Bereitschaft latent weiterschwelte.

Die Volksgruppenführung maß der bäuerlichen Gruppe des Hinterlandes augenscheinlich keine eigene Bedeutung bei; denn diese wird im Gegensatz zu den Pfarrern und den Städtern weder in der "Gottscheer Zeitung" erwähnt noch taucht sie später in der "Liste der politisch unzuverlässigen Gottscheer" auf.

Für die junge nationalsozialistische Führungsequipe gelten als Opposition immer nur zwei Gruppen: die Pfarrer und ein Teil der wohlhabenden Gottscheer Städter.

Diese haben deshalb auch in den Vorstellungen der Volksgruppenführung ihren festen Platz; historisch betrachtet: beide gehörten in der Auseinandersetzung um die Führung in der Volksgruppe der alten Volksgruppenführung an, die ja erst 1938 von den jungen Nationalsozialisten ausgeschaltet werden konnte; ideologisch gesehen: beide werden als Anhänger "universalistischer Weltanschauungen" (30) verketzert.

Die Kampfmethoden der Volksgruppenführung gegen diese beiden Gruppierungen
sind verschieden. Die Städter greift man in der Zeitung und auf den Versammlungen offen als "Spießbürger liberal-kapitalistischer Prägung" an und versucht, sie durch diese und ähnliche Diffamierungen in der vorwiegend bäuerlichen Volksgruppe zu isolieren. Gegenüber der Geistlichkeit bedient man sich feinerer Methoden: Der "Katholizismus" wird nur im inneren Führungskreis als "universalistische Weltanschauung" behandelt, die ausgerottet werden muß; denn die auch von der Volksgruppenführung eingestandene relativ starke Anhängerschaft der Geistlichkeit auf dem Lande läßt es geraten erscheinen, vor der Option Zurückhaltung und Rücksichtnahme zu üben. In der Öffentlichkeit jedoch sucht man die innere Gespaltenheit der Gottscheer Geistlichkeit nach dem Prinzip: Divide et impera noch zu vertiefen und dadurch die Einwirkungsmöglichkeiten der Pfarrerschaft auf die Bauern zu paralysieren.

Für die Volksgruppenführung ist die Bekämpfung der beiden oppositionellen Kreise notwendig, weil diese die Umsiedlungsbereitschaft der Gottscheer beeinträchtigen, und logisch, weil sie als junge Nationalsozialisten in den "Bürgern" und in der Geistlichkeit die ideologischen Gegner sehen.

Demgegenüber ist festzustellen, daß sich zumindest die "Bürger" nicht ausdrücklich als ideologische Gegner der nationalsozialistischen Weltanschauung betrachten, im Gegenteil: Dr. ARKO bezeichnet sich in seiner Schrift an die EWZ ausdrücklich als Nationalsozialist (31) seit 1927.

Beide Gruppen wurden vielmehr erst entweder durch das Faktum der Umsiedlung - so ein Teil der Pfarrer - oder durch die Begleiterscheinungen der Umsiedlungsvorbereitungen seitens der Volksgruppenführung - so die Städter - in eine Oppositionshaltung getrieben. Beide handelten aus konservativen Motiven: die Pfarrer, weil sie der alten Heimat treu bleiben wollten, vielleicht auch, weil sie glaubten, hier eher den "Väterglauben" sich bewahren zu können, die Städter, weil sie sich mit den radikalen politischen Führungsmethoden der jungen Volksgruppenführung nicht abfinden wollten.

Dem Stabshauptamt blieben diese Vorgänge unter den Gottscheern nicht verborgen. Anfang Oktober 1941 sah sich die zentrale RKFDV-Stelle in Berlin genötigt, den DUB in Laibach auf die Mißstimmung der Gottscheer Bevölkerung aufmerksam zu machen: "Gleichzeitig weise ich darauf hin, daß offenbar die Stimmung in der Gottschee infolge ungenügender Aurklärung zunehmend schlechter zu werden scheint." (32)

Die im gleichen Schreiben enthaltene Aufforderung, dem Präsidenten der Handwerkskammer in Niederdonau, einem gebürtigen Gottscheer, "eine Mitarbeit zu ermöglichen und sich mit ihm in Verbindung zu setzen" (33), deutet darauf hin, welches Gewicht die RKFDV-Zentrale den Spannungen innerhalb der Volksgruppe beimaß, zu deren Beseitigung der Präsident beitragen wollte; denn zwei Faktoren - die Gerüchte um eine eventuelle Verschiebung der Umsiedlung auf das kommende Frühjahr und die sich immr mehr zuspitzende Krise zwischen alter und junger Volksgruppenführung - konnten die Umsiedlungsbereitschaft der Gottscheer in einem dem RKFDV unangenehmen Sinne beeinträchtigen.

Die Umsiedlung der Gottscheer Deutschen, Hans Hermann Frensing, 1970

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Anmerkungen :

27
 Vgl. dazu: Bericht des Landwirts K. R. aus Windischdorf in der Gottschee in: Dok. d. Vertreibung, Bd. V, Nr. 3, S. 32.

28
 Bericht des Dr. V. MICHITSCH, Vorsitzenden der Gottscheer Landsmannschaft in Österreich, Villach, 15. 7. 1965; im Besitz d. Verfassers.

29
 Bericht über die "Tätigkeit des Informationsreferenten vom 8.-15. 11. 41" bei der EWZ-Kommission Sonderzug vom 16. 11. 41 an die EWZ-Zentrale Litzmannstadt; NAW Roll 306, frame 2433884 f.

30
 s. o. S. 71.

31
 Gedächtnisschrift des Dr. ARKO a.a.O.

32
 Brief Dr. STIERS vom 2. 10. 1941 an Dr. WOLLERT; Handakte Dr. Stier.

33
 ebda.: "Herr J. ELLMER, Präsident der Handwerkskammer in Niederdonau, hat hier [im Stabshauptamt Berlin] vorgesprochen und erklärt, daß er bereit und in der Lage wäre, als gebürtiger Gottscheer bei der Umsiedlung der Gottscheer wirksame Hilfe zu leisten."

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