2.
Planungen des Ansiedlungsstabes Am 15. August 1941 hatte der Leiter des Ansiedlungsstabes Südmark, BLISS, seine Stellung in Marburg übernommen, wohin er von der Zentrale der RKFDV-Ansiedlungsarbeiten aus Posen abkommandiert worden war. Kurz danach trat auch der Leiter der Abteilung I - Planung -, A. DOLEZALEK, im Ansiedlungsstab seinen Dienst an. Dessen Arbeit stand von vornherein unter Zeitdruck; das wirkte sich nachhaltig aus, weil die Vorarbeiten im Ansiedlungsgebiet der Gottscheer wegen der bis Anfang Oktober 1941 ungeklärten Slowenenaussiedlung von den Planungsbehörden des Gaues nur unzulänglich betrieben worden waren. Die gesamte Planung gliederte sich in die drei Teile: "Vorplan, Grobplan, Generalsiedlungsplan" : "Der Vorplan geht davon aus, welche Anforderungen die anzusiedelnden Menschen stellen. Bei dem Grobplan dagegen stehen die Anforderungen des Raumes im Vordergrund. Der Generalsiedlungsplan bemüht sich in der jeweils besten Lösung unter den verschiedenen Lösungsmöglichkeiten beide Planungen zu vereinen und die Siedlergruppen gerecht zu verteilen." (21) Am 23. Oktober 1941 - in der Gottschee hatten bereits die deutschen Umsiedlungsbehörden mit der Arbeit begonnen - mußte der Leiter der Planungsabteilung feststellen, daß bis dahin nicht einmal der "Vorplan" abgeschlossen werden konnte, da die Erhebungen des Bodenamtes - der zuständigen Behörde des Gaues - noch liefen; der Vorplan mußte daher sukzessive mit dem Fortschreiten der Bodenamterhebungen fertiggestellt werden. Zwangsläufig mußte sich nun die Arbeit am Generalsiedlungsplen, der erst die Basis für die Ansiedlung der Gottscheer bildete, so verzögern, daß allein dadurch die ursprüngliche Absicht, "alle Bauern sofort endgültig auf den Hof einzusetzen" (22), kaum noch durchzuführen war. Angesichts dieser sich bereits im Oktober 1941 abzeichnenden Misere durfte es niemand verwundern, daß die Gottscheer Bauern den Leitsatz des Ansiedlungsstabes: "Die Grundeinstellung ist gekennzeichnet durch das Schlagwort: Umsiedeln - Umpflanzen" (23) später eben nur als Schlagwort empfanden. Der SS-Experte und Verfasser des Arbeitsberichtes, A. DOLEZALEK, interpretierte die Aufgabe des RKFDV extensiv, wenn er als "Festigungsplanung" definierte: "Die Aufgabe des Ansiedlungsstabes kann sich nicht allein darauf beschränken, die Siedler anzusetzen, sondern seine Aufgabe ist gleichzeitig, bei der Festigung des angesetzten Volkstums mitzuarbeiten. So gibt es auf dem Planungssektor nicht nur eine Arbeit vor der Ansiedlung, sondern auch eine solche nach der Ansiedlung. Es muß sowohl Unterbetreuung wie Überbetreuung verhindert werden und es muß ein reibungsloses Ineinanderspielen (,Zusammenwirken aller Waffen') aller eingesetzten Organisationen eingefädelt werden, bis diese Arbeit in der Durchführung von der Partei übernommen wird." (24) Diese mit einem Vergleich aus dem Bereich des Militärischen skizzierte Harmonie der Zusammenarbeit innerhalb der nationalsozialistischen Bürokratien spiegelt den Elan und Enthusiasmus des jungen SS-Planers wieder, der nach der Initialzündung durch die SS die Durchführung der Betreuung später der Partei überlassen sehen will. Eine formelhafte Wendung wie "Festigung des angesetzten Volkstums" ist fester Bestandteil einer Phraseologie, welche die Diktion des Verfassers prägt. Konkretere Vorstellungen entwickelte der Leiter der Planungsabteilung bei der Darlegung der "Fernaufgaben". Im künftigen Siedlungsbereich der Gottscheer, der Untersteiermark, sei schon deshalb eine sorgfältige, umfassende "Volkstumsplanung" nötig, weil dieses Gebiet jahrzehntelang Schauplatz eines heftigen Nationalitätenkampfes zwischen Deutschen und Slowenen gewesen sei. Für dessen "endgültige Bereinigung" seien Voraussetzung: die Ansiedlung der Gottscheer aus Amerika und dem Altreich, die von Reichsdeutschen, "namentlich Frontsoldaten aus den Realteilungsgebieten Südwestdeutschlands" und weiterhin "wie die Slowenenfrage liquidiert werden soll". Es scheint ein bizarres Gemisch von utopischen Spielereien zu sein: Amerikanische Gottscheer aus New York; Frontsoldaten, nach Wesensart und Landschaft besonders geeignet; dazu der Anspruch, historisch begründet zu planen, in der Bezeichnung des Ansiedlungsstabes: "Südmark" deklariert. Was klingt in diesem Begriff nicht alles mit! Der Markengedanke des Mittelalters, die Idee der habsburgischen Militärgrenze und des Schutzvereins, und jetzt: das Wehrbauerntum nationalsozialistischer Provenienz - Visionen von wahrhaft "historischen" Ausmaßen. Bis hierher könnte man die Grundgedanken des Planens noch als Produkt eines Phantasten betrachten, doch dann folgen präzise Angaben über die Methoden der Planung, die es später ermöglichen sollen, den Grad der "Verdeutschung" in jedem Dorf festzustellen. Die anmaßende Haltung dringt vollends durch, wenn von der "Umgestaltung der Landschaft ... zu dem Bild eines deutschen Kulturlandes" gesprochen wird. Bezeichnend für das Vokabular der Darstellung scheinen die beiden Begriffe "Ansetzung" und "Verdeutschung" zu sein. Sie lassen sowohl blitzartig die Intentionen dieser Planung als auch ihre Art und Weise erkennen: Ansiedlung Volksdeutscher in Gebieten, die von Fremdrassigen oder "Einzudeutschenden" zu räumen sind; und das unter dem Vorzeichen des Manipulierens und der Willkür gegenüber den nach dem Schema der nationalsozialistischen Volkstumspolitik eingestuften Menschen. Für die Gottscheer entstand angesichts dieser weitgespannten Planungen die Frage, ob die Realitäten des Ansiedlungsgebietes die Einfügung der Gottscheer Forderungen in das Planungsmodell zuließen. Schon bei einem kurzen Vergleich zwischen den Zielen der Fernplanung und den drei Grundsatzforderungen der Gottscheer - genügend Raum, geschlossene Ansiedlung, Auslese - fällt auf, daß RKFDV- und Volksgruppenplanung zumindest für die beiden ersten Prinzipien nicht auf einen Nenner zu bringen sind; denn wie konnte man den Gottscheern bei der ohnehin knappen Bodenfläche des Ansiedlungsgebietes genügend Land verschaffen, wenn später zwischen ihnen noch andere Gottscheer und auch Reichsdeutsche angesiedelt werden sollten? Weiter: Wie konnte man den Gottscheern die geschlossene Ansiedlung garantieren, wenn man aus grundsätzlichen Erwägungen zwischen ihnen Reichsdeutsche "einstreuen" wollte? Daher kam die scharfe Auslese der Volksgruppenführung den Planungen des Ansiedlungsstabes sehr entgegen, da nur so die Bodenansprüche der Gottscheer einigermaßen angemessen befriedigt werden konnten. Die "Anlage zum Generalsiedlungsplan der Grenzsiedlungszone der Untersteiermark" (25) birgt Aufschlüsse über die konkrete Problematik bei der Ansiedlung der Gottscheer. In der Einleitung betont der Verfasser, wieder A. DOLEZALEK, die außergewöhnlichen Schwierigkeiten der planerischen Arbeit. Zu Beginn aller bisherigen Ansiedlungsplanungen im Rahmen des RKFDV-Programms seien stets zwei fundamentale Überlegungen angestellt worden: "Wie ist die biologische, soziale und wirtschaftliche Struktur der betreffenden Umsiedlergruppe? und in welchem Räume kann und muß diese Gruppe so angesiedelt werden, daß sie sich schnell heimisch fühlt und den wirtschaftlichen Anforderungen dieses Raumes gerecht werden kann?" In der Untersteiermark sei zum erstenmal eine Diskussion darüber überflüssig gewesen, weil für eine ganz bestimmte Umsiedlergruppe - die Gottscheer - ein festumrissenes Gebiet - das Ranner Dreieck - vorgesehen war. - Bereits am ersten Tage habe man einsehen müssen, erstens: daß der Raum zwar notdürftig ausreichte, aber nicht hinreichend Bewegungsspielraum ließ, um die Gottscheer nach den obigen Vorstellungen anzusiedeln - und zweitens: daß der Raum in seiner natürlichen Beschaffenheit nicht den Anforderungen der Gottscheer genügte. Diese beiden schon in der Anlage des Generalsiedlungsplanes liegenden Fehler" bewirkten, daß DOLEZALEK sich bei der Planung in einem grundsätzlichen Dilemma befand, das erhebliche Schwierigkeiten zeitigen mußte (26). Diese Situation wurde den ahnungslosen Gottscheern natürlich verheimlicht (27). Bei der Darstellung der für die Ansiedlung wesentlichen Züge des "Gottscheer Deutschtums" beruft sich DOLEZALEK in erster Linie auf das Ergebnis der Überprüfung der Gottscheer durch die EWZ. Er weist dabei hin auf die "rassische Zusammensetzung der Volksgruppe, die infolge jahrhundertelanger "Inzucht" die "dinarischen" Charaktereigenschaften nach der guten und schlechten Seite entwickelt habe, auf das "erbbiologische Bild", das man wegen der Erbkrankheiten bei der Planung besonders berücksichtigen müsse auf die "Umwelteinflüsse" - vor allem die etwa sechshundertjährige Abgeschlossenheit in der Einsamkeit eines waldreichen Hochlandes - und auf die damit verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Probleme. Im einzelnen betont er, daß infolge der Verschiedenartigkeit von alter und neuer Heimat "große Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit" (28) gestellt werden müßten, daß die Geburtenkurve" in den letzten Jahrzehnten steil abgefallen sei und die Auswanderung (29) und das Hausierertum, durch das ein gewisser Mangel an bäuerlicher Haltung eingetreten sei, schwerwiegende Folgen für den Volkskörper gezeitigt habe. Dagegen sei "ein besonders schöner Zug des Gottscheers" seine Heimatliebe: er werde unter Heimweh leiden und eventuell an eine Rückkehr denken, solange die Gottschee nicht mit anderen Siedlern besetzt sei. In einer Zusammenfassung der Beurteilung hält A. DOLEZALEK fest: "Trotz der in aller Eindeutigkeit herausgestellten negativen Entwicklung muß immer wieder betont werden, daß die völkische Substanz hierdurch nicht angegriffen ist. Dies wird von allen objektiven Beobachtern der Gottscheer stets wieder bestätigt. Hieran darf der Ansiedlungsstab auch nicht irre werden, wenn - wie bei jeder Umsiedlung seit Jahrhunderten - eine ganze Flut von Greuelmärchen über die Gottscheer herumspuken wird. Die Gottscheer sind eine im Kern durchaus gesunde Volksgruppe, die ihrer Aufgabe gerecht werden wird. Die ungeeignete Abgrenzung des Ansiedlungsgebietes erschwert jedoch die Ansiedlung sehr. Trotzdem muß alles getan werden, um die Ansiedlung so durchzuführen, daß sie gleichzeitig eine wirtschaftliche und biologische Fortentwicklung auf dem bereits von der Volksgruppe selbst beschrittenen Weg bedeutet. Durch die Umsiedlungsoperation kann der langwierige wirtschaftliche Genesungsprozeß der Volksgruppe ungeheuer abgekürzt werden, falls die Operation gelingt. ... Der Planung fällt hierbei eine besondere Aufgabe zu." Die Haltung des Planungschefs gegenüber den Gottscheern ist zwar distanziert, aber wohlwollend. Sein Hinweis auf die vermutlich eintretende "Flut von Greuelmärchen", ein Phänomen, das bei allen Umsiedlungen zu beobachten gewesen sei, ist als Mahnung vor allem an die Adresse der Steirischen Gaubehörden gedacht, dem Urteil "von objektiven Beobachtern der Gottscheer" zu folgen und darauf planend aufzubauen. Seine kategorische Forderung, trotz der Ungunst der Verhältnisse nach Wegen zu suchen, um "die wirtschaftliche und biologische Fortentwicklung" der Gottscheer Volksgruppe zu fördern, weist seine Stellung zu den Maßnahmen der Volksgruppenführung in der alten Heimat, besonders sein "Ja" zur Auslese auf. Der Begriff "Umsiedlungsoperation" zeigt, wie er die Umsiedlung der Gottscheer interpretiert, nämlich als einen zwar schmerzlichen, aber letztlich doch der Volksgruppe und dem "Reich" heilbringenden "Genesungsprozeß". Warnend hebt er den Finger: "falls die Operation gelingt". Zur Ergänzung der Gottscheer seien aber unbedingt "Altreichssiedler" erforderlich. "Eine blutliche Auffrischung" müsse gerade bei jahrhundertelang abgeschlossenen Volksgruppen prinzipiell geschehen. Die Gottscheer Volksgruppenführung habe diese Problematik auch bereits erkannt. DOLEZALEK spricht von einer "langjährigen Selbsterziehungsarbeit", die auf diesem Sektor zu leisten sei. Ein Drittel der zukünftigen Ansiedler solle sich durchschnittlich aus "Altreichssiedlern" rekrutieren, um eine gesunde Blutmischung zu gewährleisten. Die Zahl der einzuplanenden "Gottscheer Rückwanderer" (30) aus den USA werde auf mehrere Tausend geschätzt. Diese seien deshalb als sehr erwünscht zu betrachten, weil sie die Lücken in der sozialen Struktur der Gottscheer ideal schließen könnten, da sie größtenteils aus Handwerk und Gewerbe stammten. Wegen des Mangels an Angehörigen solcher Berufe seien im Ansiedlungsgebiet "die eigentlichen und langandauernden volkspolitischen Gefahren . .. nicht auf dem bäuerlichen, sondern auf dem gewerblichen Sektor zu erwarten". DOLEZALEK plant auch hier weitsichtig und mit ungebrochenem Optimismus hinsichtlich des Wunsches der US-Gottscheer, "Heim ins Reich" zu wollen. Die Argumentation im Teilkapitel "Die Verteilung der Siedler im Raume" bietet eine Musterkollektion rassischen und erbbiologischen Denkens: So wird konstatiert, daß zwar das Weinbaugebiet von Wisel das Gottscheer Siedlungsgebiet zerreiße, doch habe die dadurch bedingte Trennung zweier Stürme von der Masse der Volksgruppe auch eine gute Seite; denn in beiden sei der "Anteil der ostischen Rasse verhältnismäßig groß". Die Planung mußte verhindern, daß die unerwünschten "ostischen" Blutsanteile der abgesonderten Gruppe das Bild der Gesamtheit weiter negativ "beeinflussen" konnten. Andererseits empfahl der Planungsleiter des Ansiedlungsstabes die "Verzahnung von zwei Stürmen, die bisher wenig Beziehung zueinander gehabt haben, ... weil in dieser Ebene verhältnismäßig dicht gesiedelt werden mußte und die notwendige Blutauffrischung aus den eigenen Reihen kommen mußte." In diesem Falle war er überzeugt, der sonst so gefürchteten Inzucht für die Zukunft gewehrt zu haben. Gerade diese "erbbiologische" Problematik aber glaubte DOLEZALEK besonders berücksichtigen zu müssen, da bei den Gottscheern in höherem Maße als bei bisherigen Umsiedlergruppen "auf bestehende Gemeinschaftsbedingungen" geachtet wurde. Merkwürdigerweise begründete er das mit der Erfahrung der letzten Jahre, "daß eine Umsiedlergruppe um so schwerer auseinanderzunehmen ist, je älter sie ist. ... Würden diese Gemeinschaften zerrissen werden, so würde auch dieses Volkstum in seiner Eigenart untergehen und das Gesamtvolk um eins seiner Glieder ärmer geworden sein." Mit keiner Silbe wird erwähnt, daß den Gottscheern die "geschlossene Ansiedlung" von HIMMLER und HITLER versprochen worden war. In beachtenswertem Gegensatz zur offiziellen Stabshauptamt-Sprachregelung steht die letzte Aussage; hatte doch der Ideologe des Stabshaupamtes, Dr. FÄHNDRICH, deutlich postuliert, daß Traditionen, Begriffe und Inhalte ehemaliger Volksgruppen nach der Ansiedlung im Reich auszumerzen seien (31). Angesichts der Konzessionen gegenüber den Gottscheern wird noch einmal hervorgehoben die "blutliche Auffrischung": "Ähnlich wie in einem Mauerwerk die einzelnen Ziegelsteine durch den Mörtel verbunden und zusammengehalten werden, wird in allen Teilen des Neusiedlungsgebietes ein allerdings schwankender Prozentsatz von Altreichsdeutschen nachgesiedelt werden müssen. ... Es entsteht dann in einer neuen Legierung ein Grenzvolkstum, das das Gottscheertum zwar aufhebt, aber nicht vernichtet." Es kann gemutmaßt werden: der Verfasser wollte mit dem "Mörtel-" und "Legierungsvergleich" andeuten, daß in der "Grenzsiedlungszone" ein neuer Mensch entstehen werde, in dem die guten Eigenschaften des Gottscheers und des "Altreichlers" zu einem vitalen Typ zusammengeschmolzen seien, dessen Konstitution dem Ideal des Wehrbauern entsprechen würde. - Daß dieses Prinzip vom Reichsführer SS "zum Befehl" erhoben worden war (32), gab dem Grundsatz erst die rechte Weihe und den nötigen Nachdruck. Der Gottscheer Bauer allerdings hätte angesichts dieser verschleiernden Umschreibungen wohl auf sein Recht gepocht und die schönen Worte zurückgewiesen, wenn er von einer derartigen Umdeutung der "geschlossenen Ansiedlung" vorher erfahren hätte. Im abschließenden Unterkapitel "Die Probleme der Fernplanung" weist DOLEZALEK noch einmal auf die Umsiedlungsschwierigkeiten hin, denen alle umgesiedelten Volksgruppen grundsätzlich ausgesetzt seien. In diesem Zusammenhang plädiert er: "Entgegen der Mehrheit der Meinungen glaube ich, daß die politische Entwicklung dann am erfolgversprechendsten sein wird, wenn die Organisation der Gottscheer Volksgruppe einstweilen erhalten bleibt." DOLEZALEK gibt also hier in einer wichtigen Frage Differenzen zwischen den mit der Ansiedlung betrauten Dienststellen zu (33) und darüber hinaus: daß er mit seiner Ansicht in der Minderheit ist. Die vorsichtige Formulierung "glaube ich" zeigt an, in welcher Position sich der Leiter der Planungsabteilung bei der Beurteilung der Frage befand; er konnte hier höchstens unverbindlich, aber nicht entscheidend beraten. In einem anderen Punkt weist DOLEZALEK auf den Teil der Gottscheer hin, der zur Landflucht neigen werde, auf diejenigen, "die im Zuge der Umsiedlung durch die sogenannte Abmeierung ihren Hof verloren haben". Um diese Gruppe müsse man sich besonders bemühen. Eine weitere Gefährdung liege in der Unterwanderungsmöglichkeit durch "fremdvölkische Arbeitermassen". Da die Bevölkerungsdichte früher 76 Personen pro Quadratkilometer betragen habe, nach der Ansiedlung aber auf 25-30 Personen pro Quadratkilometer sinke, werde die Unterwanderung "geradezu naturgesetzlich" eintreten, wenn man nicht vorbeuge. Die entscheidenden Gedanken äußert der Leiter der Planungsabteilung am Schluß seines umfangreichen Memorandums: "Schließlich muß davor gewarnt werden, die volkspolitische Wirkung dieses Grenzstreifens zu überschätzen. Wenn man ein Volkstum von einem ähnlich gearteten (34) abschirmen will, so bedarf es eines Trennungswalles, der etwa so breit ist wie der deutsche Streifen zwischen den Lausitzer Wenden und den Tschechen." Das Ansiedlungsgebiet sei aber an vielen Stellen in einstündigem Marsch zu durchmessen. Um eine ähnliche Wirkung wie in dem angeführten ethnologischen Beispiel erreichen zu können, hätte man wahrscheinlich in einer breiteren Zone die Slowenen aussiedeln müssen. Mit einem zweiten Vergleich - dieses Mal aus der Nationalitätengeschichte Ungarns - setzt DOLEZALEK einen seltsamen melancholischen Schlußpunkt: "Bis auf absehbare Zeit wird die Lage des Deutschtums in diesem Grenzstreifen der Situation der Szekler im alten Ungarn vergleichbar sein: In der Heimat zwar und doch fern von der Heimat." Diese in epigrammatischer Kürze zugespitzte Prognose sagt den Gottscheern ein wenig glückliches Schicksal voraus, dem sie gerade durch die Umsiedlung zu entrinnen trachteten; denn vor dem Ersten Weltkrieg hatten sie sich bereits in einer ähnlichen Situation wie der oben beschriebenen befunden. - Die späteren elementaren Enttäuschungen vieler Gottscheer hatten ihre Hauptursache gerade in dem Gefühl und Bewußtsein, in der "neuen Heimat" gar nicht das ersehnte Deutschland gefunden zu haben. Insgesamt betrachtet ist bei dieser Planung die Tendenz zu erkennen, die durch "Vorplan" und "Grobplan" gewonnenen Erkenntnisse im "Generalsiedlungsplan" dergestalt zu vereinen, daß die Synthese nicht zu Lasten der Gottscheer Pläne ging. Letztlich - mit einigen Einschränkungen - ist der Generalsiedlungsplan als die von der Ansiedlungsstabsplanung her noch mögliche Konsequenz der ursprünglichen Intentionen anzusehen, welche die jungen Gottscheer Nationalsozialisten erreichen wollten. Die entscheidende Frage war allerdings noch nicht beantwortet: ob der Generalsiedlungsplan in dieser Form vom Gauleiter akzeptiert würde und ob er überhaupt durchzuführen wäre. Die Umsiedlung der Gottscheer Deutschen, Hans Hermann Frensing, 1970 www.gottschee.de Inhaltsverzeichnis Anmerkungen : 21 ebda. 22 Gedächtnisschrift von LAMPETER am 9. 2. 1942; BA NS 21/160. 23 Arbeitsbericht der Planungsabteilung des Ansiedlungsstabes Südmark von DOLEZALEK 23. 10. 41; im Besitz d. Verf. 24 ebda. (Die gesperrt gedruckten Wörter im Zitat sind im Original unterstrichen). 25 Anlage zu dem Generalsiedlungsplan der Grenzsiedlungszone der Untersteiermark, Posen, den 11. Januar 1942, gez. DOLEZALEK (im folgenden "Anlage Generalsiedlungsplan"); NAW Roll 306 frame 2434133-2434155. 26 ebda. Man habe aber "vom agrarpolitisch übergeordneten Standpunkt" aus so sorgfältig planen müssen, da gerade dieses Gebiet als Saatgutspender für Ölfrüchte, Medizinal- und Textilpflanzen in Südeuropa von Wichtigkeit sei, was auch der Leiter des Südost-Agrarinstitutes Wien festgestellt habe. 27 s. o. S. 100 f.: LAMPETERS Befürchtungen. 28 Anlage Generalsiedlungsplan ... a.a.O. S. 3: "Die Kulturarten verteilen sich wie folgt:
In der alten Heimat wurde nur in der Moschnitz Weinbau betrieben. 29 Die katastrophal hohe Auswanderung sei nur noch mit der in der baltendeutschen Volksgruppe zu vergleichen. 30 s. o. S. 104. 31 Einleitung zu "Der Menscheneinsatz, Grundsätze, Anordnungen und Richtlinien" des RKFDV, Dezember 1940; BA R 49/3000, s. u. S. 145 ff. 32 Anlage Generalsiedlungsplan a.a.O. 33 s. u. S. 136 f. 34 Es sind hier die Kroaten und Slowenen gemeint. www.gottschee.de Inhaltsverzeichnis |