5. Die düsteren Perspektiven

In seinen abschließenden Bemerkungen zum "Generalsiedlungsplan" hatte A. DOLEZALEK eindringlich darauf verwiesen, daß wegen seiner Terminnöte ein Drittel der Hofzuweisungen vom "grünen Tisch" erfolgt sei und daher eventuelle Änderungen nötig seien. Diese dürften jedoch nicht dazu führen, daß die endgültige Ansiedlung der zufälligen vorläufigen Quartierzuweisung angepaßt würden. In der ihm eigenen Diktion prägte er dafür die einleuchtende Formulierung: "Umsiedlung ist kein Umzug". Ein dreiviertel Jahr nach der Fertigstellung des Generalsiedlungsplanes skizzierte der ehemalige Planungschef nach einem Besuch des Gottscheer Siedlungsgebietes die "Grundfragen der volkspolitischen Lage" in den drei "Kernproblemen": "Slowenenfrage, Arbeiterfrage, Bodenfrage" (62).

Der Zweck der Gottscheer Ansiedlung im Ranner Dreieck sei bekanntlich gewesen, durch einen deutschen Grenzstreifen die "windisch-steirische" Wohnbevölkerung der Untersteiermark gegen "nationalslawische Einflüsse abzuschirmen", um dadurch die "Eindeutschung" sicherzustellen. Aus diesem Grunde habe man die Gottscheer nicht in dem für sie viel besser geeigneten Oberkrain angesiedelt. Die Voraussetzungen für das Erreichen dieses Zieles seien jedoch, daß der Grenzstreifen "rein deutsch" sei und bleibe und daß er ringartig geschlossen sei. Beide Bedingungen lägen nicht mehr vor. Einerseits sei festzustellen: Die Untersteiermark sei nach der "völkisch gefährlichsten Seite" offen; denn aus dem "national-slowenischen Krain" könnten alle "Einflüsse über das panslawisch-kommunistische Zentrum des Industriegebietes Trifail-Tüffer ungehindert eindringen". Andererseits höre man bei den Gottscheern immer wieder, in der Fremde seien ihre Dörfer deutsch gewesen, in Deutschland seien sie in slowenische Dörfer gekommen. Man schätze das Verhältnis von Deutschen zu Slowenen im Ansiedlungsgebiet auf 1:1. Selbst nach der Planung würden etwa 8000 Slowenen 14 000 Deutschen gegenüberstehen. Angesichts dieser
Zustände könne man natürlich nicht mehr von einer "geschlossenen Ansiedlung" sprechen.

Bei der Bodenfrage könne man geradezu eine "Bodennot" konstatieren. Entgegen seinen Vorschlägen vom Januar 1942 habe man erhebliche Flächen für Gauselbstverwaltungsbetriebe reserviert und die "Abmeierungen" der ehemaligen Volksgruppenführung nicht anerkannt. Durch die Anlegung eines milderen Maßstabes sei die Zahl der Siedler um 20% gestiegen. Hinzu komme noch, daß der obere Savestreifen mit 118 Höfen ausscheide, da dieses Gebiet von den Gottscheern aus Sicherheitsgründen prinzipiell abgelehnt werde (63). Daher würden nun einige hundert Familien ausscheiden müssen, auch für die rückkehrwilligen "Amerika-Gottscheer" sei kein Platz mehr vorhanden. DOLEZALEK resümierte kritisch: "Es wird sich jetzt eine Vivisektion der Volksgruppe nicht mehr vermeiden lassen, die für die Volksgruppe sehr schmerzlich sein wird und auch aus anderen Gründen sehr bedauerlich ist, zumal sie nicht nötig gewesen wäre."

Zwar wußte DOLEZALEK auch hier aus der Not eine Tugend zu machen, indem er darauf hinwies, daß die übrigbleibende Gruppe groß genug sei, als geschlossener Block im Osten angesiedelt zu werden (64). Doch das konnte im Grunde nicht über die Konsequenzen für die Gottscheer Volksgruppe hinwegtäuschen.

DOLEZALEK sprach zwar nicht expressis verbis von falscher Durchführung der Planung, ließ sein Urteil über die Unfähigkeit der Ansiedlungsstellen jedoch durchscheinen; denn die "Vivisektion" bedeutete für einen großen Teil der Gottscheer: erneute Aussiedlung, Umsiedlung und Ansiedlung in einem fremden Gebiet und damit Trennung von der Mehrheit der Landsleute. Konsequenterweise hätte DOLEZALEK dieses aufgrund der Verwässerung seiner Planung negative Fazit eigentlich darlegen müssen als mißglückten "Umzug", als dessen Folge schon bald darauf ein Teil der Familie gezwungen wurde, wieder umzuziehen und sich vom Kern der Familie zu trennen. Von der Gottscheer Volksgruppe aus gesehen, bedeuteten diese Ergebnisse der Planung den Bruch des von HIMMLER und HITLER im April gegebenen Versprechens: die "geschlossene Ansiedlung" hatte sich als Utopie erwiesen. Das Ranner Dreieck war nicht rein gottscheerisch, sondern nur noch zur Hälfte mit Gottscheern besiedelt; und was die Gottscheer noch mehr schmerzen mußte: einige hundert Familien mußten damit rechnen, weit von der "neuen Heimat" in einer "Tochterkolonie" angesiedelt zu werden.

Die Umsiedlung der Gottscheer Deutschen, Hans Hermann Frensing, 1970

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Anmerkungen :

62
 "Der Stand der Umsiedlung in der Untersteiermark" von A. Dolezalek, Oktober 1942; Handakte Dr. Stier.

63
 vgl. dazu die Berichte über die Sitzungen des Ansiedlungsstabes Juli / August 1942; NAW Roll 285, frame 2407847

64  
DOLEZALEKS Vorschlag: Als neues Ansiedlungsgebiet der Gottscheer Teilgruppe solle man das Beskidenvorland um Neu-Sandetz in Betracht ziehen. So könne man dort die sehr geschwächte deutsche Volksinsel stärken; gleichzeitig schaffe man den nachwachsenden Söhnen der untersteirischen Gottscheer und den rückkehrwilligen Amerika-Gottscheern eine Siedlungsmöglichkeit.

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