Über die Pflanzen Gottschees, von Prof. Otto F. Fischer, Graz, 1930


"Wonnig ist´s, in Frühlingstagen
Nach dem Wanderstab zu greifen
Und, den Blumenstrauß am Hute,
Gottes Garten zu durchstreifen"


singt F. W. Weber in "Dreizehnlinden". Damals gab es noch keine Motorräder und die Automobile hüllten noch nicht die ganze Gegend in lang nachlastende Staubwolken. Wenn eine Kutsche vorüber fuhr und ein Staubwölkchen aufwirbelte, so waren die Anrainer und die Spaziergänger nichtsdestoweniger entrüstet. Damals wanderte man noch; heute fängt man es wieder an. Damals waren die Wanderer besinnlicher als heute, wo das Wandern mehr Sportzwecken dient oder aus gesundheitlichen Gründen vorgenommen wird, also in beiden Fällen aus Vernunftgründen, während es früher mehr Gefühlssache war, der Romantik nicht entbehrte. Damals erfreuten sich die Wanderer am Grün der Wiesen und Wälder und an den Blüten Farbengegensatz im Sommer, am Kontrast der farbigen Laubwälder im Herbst und es lag nahe, an den Farben der herbstlichen Blätter oder winterlichen Stämme die Baumarten zu unterscheiden. Der deutsche Wald war früher Mischwald und beginnt es wieder zu werden, seit man erkannt hat, daß die aus angeblichen Vernunftsgründen eingeführten reinen Bestände sich nicht bewährt haben.



Waldwiesen


Die Wälder im Gottscheer Lande sind von jeher Mischwald gewesen und setzten sich, so weit Bergwälder in Betracht kommen, entsprechend dem kalkigen Untergrund vorwiegend aus Rotbuchen (Fagus silvatica) [im Südwesten bei Skrill aus Weiß- oder Hainbuchen (Carpinus)], im Gemisch mit Weiß- oder Edeltannen (Abies alba), dann Fichte (Picea excelsa), Birke (Betula), Kirsche, Birne, Eberesche (Sorbus ancuparia), Weidenarten (Salix spec.), auffälligerweise auch vereinzelt Ulmen und Linde (Tilia parvifolia), darunter eingestreut bezw. an den Waldrändern Haselnuß (Corylus avellana), den mit der Eberesche verwandten rundblättrigen Sorbusarten, Schneeball (Viburnum), Cornusarten, Rainweide (Ligustrum) zusammen.

Im Nordwesten des Landes kommen vereinzelt schöne, regelmäßige Stücke der Stechpalme (Ilex aquifolia) vor, überall in höheren Lagen der Bergahorn (Acer pseudoplatanus). Ergibt sich hieraus schon eine Verschiedenheit nach der Höhenlage, so tritt diese auch bei strauchartigen bezw. krautigen Gewächsen zu Tage. Abgesehen von den überall in Süddeutschland und den angrenzenden Landstrichen erscheinenden Waldpflanzen treffen wir die Doldenpflanze (Hacquetia epipactis) (gemeinhin in wenig schöner Weise Kopfstrenze geheißen) sehr verbreitet, im Reich nur aus Schlesien bekannt, das giftige Nachtschattengewächs Glockenbilse (Scopolia atropoides), ferner den ebenfalls giftigen lorberblättrigen Seidelbast (Daphne laureola), im Reich nur im südlichen Baden und bei Metz, also sehr zerstreut und selten gefunden.



Kräuterwiesen


Die Waldwiesen weisen einen prächtigen, vielfarbigen Blütenflor auf, neben Storchschnabelarten (Geranium), verschiedenen Lilien, Bocksbart (Tragopogon), Diptan (Dictamnus), Habichtskräutern (Hieracium), Pippau (Crepis), wilder Möhre (Daucus carota), Spierstaude (Spiraea), Braunwurz (Scrophularia), Glockenblumen (Campanula), Hartheu (Hypericum), viele Klee- und Grasarten, ferner auf den über 1000 m Meereshöhe erreichenden Bergen, z. B. auf den Morobitzer Bergen, auf der Krempe und den Abstürzen gegen die Kulpa die schöne akeleiblättrige Wiesenraute (Thalictrum aquilegiifolium und andere), auch alpine und subalpine Arten, gelbe und andere Enziane (Gentiana), Alpen-Fettkraut (Pinguicula alpina), rauhe Alpenrose (Rhododendron hirsutum).

Die Wälder der Ebene sind nur zum Teil noch den Wäldern der Berge gleich; meist sind sie durch die Kultur stark verändert. An die Stelle der langsam wachsenden Eichen, welche früher im Lande sehr häufig gewesen sein sollen, sind vielfach Kiefern (Pinus silvestris) getreten; jedoch findet man hier auch anderes Nutzholz, an den Rändern der Gewässer Eschen (Traxinus) und besonders Erle (Alnus). Die verkarsteten Teile des Tieflandes zeigen krüppelhafte Strauchformen. Die Wiesen sind hier, so weit nicht verkarstete Stellen in Frage kommen, üppige Mahden mit einem Flor, welcher dem berschriebenen der mittleren Bergwiesen ähnlich ist, unter Fortfall der reinen Bergpflanzen.



Kräuterwiesen


Die zeitweise überschwemmten Wiesen an der Rinse zeigen typische Pflanzen, Gesellschaften, wie man sie an Niederungs- (Verlandungs-) Mooren findet, vorherrschend harte Schilfarten, die Ränder der Gewässer vielfach einen breiten Saum von Pestwurz (Petasites), während die Gewässer selbst Wasserpest (Elodea), Bachbunge (Veronica), Kresse (Nasturtium), Seerose (Nuphar) und Laichkraut (Potamogeton) beherbergen.

Wer in das Gottscheer Land kommt, dessen Augen erfreut sich an dem Gegensatz zwischen den lachenden Talwiesen und den ernsten, ausgedehnten Bergwäldern, in welche zu tauchen man sich innerlich gedrängt fühlt und welche in ihrer Stille und Einsamkeit uns doch fast das Fürchten lehren könnten.

Prof. Otto F. Fischer, "Jubiläums - Festbuch der Gottscheer 600 Jahrfeier 1930"

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