Dr. Erich Petschauer . (1907- 1977).
Dr. Erich Petschauer, ein Gottschee-Deutscher wurde in Lichtenbach, Gottschee, damals Teil der Österreichischen Monarchie, geboren. Er ist Autor vom "Das Jahrhundertbuch: Gottschee und seine Leute durch die Jahrhunderte“. Petschauer erhielt 1971 den Auftrag von der Arbeitsgemeinschaft der Gottscheer Landsmannschaften (AG) in Klagenfurt, Österreich, dieses Buch zu schreiben. Nach seinem Sterben 1977, wurde sein noch nicht beendetes Werk von Bruder Hermann erweitert, abgeschlossen und 1980 in deutscher Sprache veröffentlicht. Das Buch wurde ins Englische übersetzt und von der Gottscheer Relief Association Inc. in New York in 1984 veröffentlicht.
Im Vorwort, Dr. Viktor Michitsch Vorsitzender der AG, beschreibt das Petschauer Buch als: "Ein historischer Beitrag, welcher Licht über wichtige Probleme in der Gottschee seit Anfang bis zu dessen Ende bringt. Ich bin auch überzeugt, dass Jahrhundertbuch ist das umfassendste historische Dokument, das jemals über unsere kleine Gruppe geschrieben wurde".
Der Vorsitzende veröffentlicht keine persönliche Daten über Petschauer und verschweigt dass das Buch von einem ehemaligem SS-Offizier und Mitglied der Nazi Partei geschrieben wurde.
In den Jahren seit Veröffentlichung wurde das Buch eine geschichtliche Referenz für die Diaspora-Gottscheer an Gottschee Geschichte und eine Quelle von Daten für Amateurhistoriker. Doch abgesehen von seiner Abstammung als Gottschee-Deutscher, Daten an der Biographie des Autors sind dem Leser unbekannt, wenn nicht sogar ein Geheimnis, geblieben.
Dies änderte sich durch das Internet, welches jetzt reichliche Daten über die Vergangenheit von Petschauer zur Verfügung stellt. Zudem spricht Dr. Georg Marschnig in seiner 2009 Doktorarbeit an der Universität Wien in welcher er schreibt das Buch fördert die „vorherrschende Gottscheer Erinnerungskultur von Opfer und Verneinung“ welche eindeutig bestimmte Entwicklungen vorgestellt trägt, während andere unklar verbleiben oder sind vollständig verwischt. Ein Teil davon ist Petschauer persönliche Geschichte, die seine frühe Akzeptanz der NS-Ideologie offenbart.
Nach Auszug aus "Uncomforable Ralities“ (Unbequeme Realitäten) (Google.de):
"Petschauer trat in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter (NSDAP) nach seinem Studium und diente als SS- Leiter in einem Umsiedlungsbüro in Nordtirol. [Brixen, Sudtirol]. Obwohl er [Petschauer] vor Ende des Krieges seine eigene Rolle in Frage stellte, beurteilte ihn das Nürnberger Gericht als ‚Mitlaufer‘ und als einer welcher noch nicht Abstoß was er als junger Mann annahm“.
„Nach Abschluss des Studium in 1933, wurde er Schriftsteller an der "Deutsche Zeitung" in Celje, Slowenien und dessen Schriftleiter von August 1933 bis Februar 1935. Die Zeitung war das Mundstück vom SDKB [Kulturbund], eine von Hitlers Drittem Reich finanzierte Organisation, dessen Aufgabe es war die NS-Propaganda in Jugoslawien, einschließlich Slowenien, zu fördern. Am 28. Juli 1935 versuchte die SDKB Dr. Erich Petschauer sogar als Jugendführer des Kulturbundes zu installieren". (Google.de)
Nach Valdis O. Lumans: "Himmlers Mitwirkungsorgane: die Volksdeutsche Mittelstelle und die Deutsch-nationalen Minderheiten Europas, 1933-1945". Er schreibt: "Der Kulterbund wurde von der Volksdeutschen Mittel Stelle (VDM), eine NS-Organisation verantwortlich für Angelegenheiten aller national Deutschen außerhalb der Grenzen des damaligen Reiches, unterstützt. (Google)
Zu dem berichtet Historiker Mitja Ferenc in "Spurensuche in der Gottschee". Er schreibt: "Die nationalsozialistischen Ideen fanden unter den [Gottschee] Deutschen in Jugoslawien schnell Anhänger, größtenteils unter jungen Intellectuellen, die mit diesen Ideen während deren Studium in Deutschland in Berührung kamen und sie übernahmen.“ Im selben Buch schreibt Historiker Joachim A. Hosler: "Es ist auffallend bemerkenswert, wie viele Männer aus dem Gottscheergebiet im Dienst der SS oder in anderer Repressionsorganen standen." (Google)
"Zu Beginn des Krieges [1939] wurde SS-Oberleutnant Petschauer als Vertreter von Himmler in Brixen, Südtirol, eingesetzt. Sein Auftrag dort war die national-deutsche Bevölkerung zu überzeugen deren Heimat dort zu verlassen und sich zur Umsiedlung in neu eroberte Gebieten Polens zu entscheiden. [Sein Äquivalent in der Gottschee Enklave war SS-Sturmbannführer Wilhelm Lampeter]. Petschauer kam auch öfters an verschiedene Fronten, um dort die Moral der deutschen Truppen zu heben“. (Google)
Nach seiner Aufgabe in Südtirol wurde Petschauer 1943 in Himmler‘s SS-Hauptquartier in Berlin zurückgezogen.
Petschauer wurde am 8. Mai 1945 von US Truppen gefangen und verbrachte die nächsten 3 ½ Jahre in 13 verschiedenen Gefängnisslagern.
"Erich Petschauer erwartete sein Urteil vom Nürnberg Gericht im SS-Internierungslager Langwasser, Deutschland“. (Dr. Peter W. Petschauer „Der Vater und die SS“. Das Gericht beurteilte ihn als Mitläufer, Gruppe IV).
Aus Wikipedia:
"Der Begriff ‚Mitläufer‘ wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von der Entnazifizierungsbehörde in der Bundesrepublik Deutschland verwendet, um Menschen zu bezeichnen, die nicht mit Nazi-Verbrechen angeklagt wurden, aber deren Beteiligung mit den Nazis als signifikant angesehen wurde und daher nicht entlastet werden konnten“.
„Im Amerikanischen Sektor des von Alliierten besetzten Deutschlands, ein Mitläufer war vierter in der Liste des Nürnberger Gerichtes".
I. Hauptschuldige
II. Belastete
III. Minderbelastete
IV. Mitläufer
V. Entlastete
Im von Allierten besetzten Österreich ‚ Mitläufer‘ wurden als ‚Entlastete‘ bezeichnet und sofort entlassen“.
Von Interesse ist die Zeugenaussage von Rudolf Creutz, SS-Oberführer (Oberst) vom 27 Februar, 1948:
"In Himmlers Berlin Hauptquartier wurde 1941 beschlossen Dr. Erich Petschauer [damals SS-Obersturmführer] als Leiter der Gottscheer Umsiedlung zu ernennen. Diese Entscheidung wurde durch Ersuch von der Lampeter Gruppe direkt an Himmler, rückgängig negiert. Der Ersuch behauptete, Petschauer wäre unfähig und ihm mangelte eine ausreichende Verpflichtung an der National-Sozialistische [NS] Ideologie. "
Kurz danach, der damals 25 Jährige Lampeter wurde, direkt von Himmler, zum SS-Sturmbannführer befördert und mit der Gottschee-Deutschen Umsiedlung, in die vom Reich angeschlossene Teile von Slowenien, aus welchen die ansässiger Slowenische Bevölkerung vertrieben wurden, beauftragt.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs Lampeter fand Unterkunft in der DDR, wo er Professor an einer Kommunistischen Universität wurde. (Dessen Dossier wurde von der CIA 2007 de-klassifiziert und veröffentlicht). Als solcher war er außerhalb der Reichweite des Nürnberger Gerichts, wo er weit schwerer belastet worden wäre, als seine SS-Kollege Petschauer.
Und als die Berliner Mauer 1989 fiel, wurde Lampeter von Leitern der Arbeitsgemeinschaft jubelnd begrüßt (siehe GZ, Januar 1990) und als "Ehrenmitglied” und “Kulturreferent" in die Arbeitsgemeinschaft eingereiht. Richard Lackner, (sein Stellvertreter 1941), wie auch Erich Petschauer, Hermann Petschauer, Eberhard Kranzmayer, Maria Hornung und viele andere "Mitläufer" mit ähnlichen Hintergrund waren damals schon jahrelang solche Mitglieder.
Petschauer war im Gefängnis bis April 1948. Bis Juli 1949 er war arbeitslos und danach hatte er eine Reihe kleiner Posten. Im Sommer 1959 wurde er als Diabetiker diagnostiziert und wurde fortschreitend blinder. Aus diesem Grund musste er 1971 in den Ruhestand und begann seine Version von Gottscheer Geschichte auf Tonbänder zu diktieren. In 1977 war er völlig blind und sein Bruder Hermann transkribierte, erweiterte und erfüllte den Auftrag der Arbeitsgemeinschaft. All dies kommt aus dem Buch "Der Vater und der SS", geschrieben von Sohn Dr. Peter W Petschauer, jetzt emeritierter Professor für Geschichte an der Appalachian State University in Boone, North Carolina.
Erich Petschauer benützte häufig den Gottscheer Richard Lackner, Leiter der damaligen Gottscheer Hitlerjugend, als Referenzquelle für das "Jahrhundertbuch". (Lackner, Mitglied der berüchtigten SS-Totenkopf-Division, war auch im SS-Internierungslager, beurteilt als Angehöriger von Gruppe V aber erst nach fast zwei Jahre freigelassen). Petschauer berichtet, obwohl nicht ausführlich, über die Rolle von "Willi" Lampeter in der Umsiedlung der Gottschee-Deutschen.
Im Vorwort, Viktor Michitsch häuft Lob an Dr. Eberhard Kranzmayer 1897- 1975) und Prof. Maria Hornung (1920- 2010) für deren Beitrag zum Petschauer Buch. Von besonderem Interesse als Mitarbeiter an diesem Buch ist der politische Hintergrund diesen Beiden. Folgendes aus Google:
"In 1945 wurde Kranzmayer’s Zutritt zur Österreichischen Akademie der Wissenschaften, wegen seiner Arbeit in der NSDAP und der SS, für vier Jahre verboten. Aber in 1949 wurde er zum Mitglied der Wörterbuch Kommission ernannt, welche in dieser Frist ein Teil der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geworden war. Während seiner Abwesenheit 1945-1949 war die Führung des Instituts in Händen seiner Schülerin, - Maria Hornung."
Beide, Kranzmayer und Hornung waren eifrige Unterstützer und “Ehrenmitglieder” in der Arbeitsgemeinschaft der Gottscheer-Deutschen.
Die AG hält ihr jährliches Treffen in Klagenfurt, Österreich. Auch Gottscheer Organisationen aus der USA, nehmen an diesen Treffen teil. Eine von diesen ist die „Gottscheer Heritage und Genealogie Association“ (GHGA), seit 2000 Mitglied der AG. Einen deren Direktoren, ein pensionierter Oberst der US-Armee, kann man dort in verschiedenen Ausgaben der Gottscheer Zeitung, unter den „Ehemaligen“, sehen.
John Tschinkel, 10 Juli, 2016
Ein Gottschee-Deutscher, die SS und die NS Partei
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