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     20.
            Jahrhundert / I.,
            Jahrhundertbuch der Gottscheer, Dr. Erich Petschauer, 1980.   
       
       
          Die 
      Feststellung, daß nun in unserer Gottscheer Geschichtsschreibung das 
      20. Jahrhundert beginnt, ist eigentlich nur eine kalendarische Pflichtübung, 
      kerne Zeitenwende, kein tiefer Einschnitt, die beiden Jahrhunderte liefen 
      in Gottschee ebenfalls glatt ineinander über. Die gravierenden Veränderungen 
      waren bereits im 19 Jahrhundert geschehen. Die ungehemmte Auswanderung lief 
      weiter - immer weniger Amerika-Fahrer kehrten zurück. Die Zahl der 
      Hausierer nimmt ab. Ihre Wandergewerbescheine sind doppelsprachig geworden, 
      Deutsch steht noch an erster Stelle. 
       
      Die Stadt Gottschee wächst und modernisiert sich weiter. In allen ihren 
      Lebensbereichen ist die energisch führende Hand des Bürgermeisters 
      Alois Loy zu spüren. Er lebte von 1860 bis 1923. Er war einer der bedeutendsten 
      Persönlichkeiten, die das Gottscheerland hervorgebracht hat. Seine 
      ungewöhnliche Begabung für die Kommunalpolitik und seine Überlegenheit 
      als Mensch und Charakter wurden frühzeitig erkannt. Bereits mit 21 
      Jahren gehörte er dem leitenden Ausschuß der Stadtsparkasse an 
      und mit 29 Jahren wurde er zum Bürgermeister gewählt. 33 Jahre 
      blieb er, von keiner Seite angefochten, erst nach 1918 von der neuen Staatsgewalt 
      aus dem Amt vertrieben, seiner Stadt treu. Die Gottscheer Zeitung vom September 
      1962 widmete ihm ein Gedenkblatt folgenden Inhalts: "Unter ihm wurde 
      aus dem dorf- und marktähnlichen Ort ein schmuckes Städtchen. 
      Überall hatte er seine ordnende und betriebsame Hand im Spiele. Daß 
      beim Bau der Unterkrainer Bahn die Interessen
      Gottschees ausreichend Berücksichtigung fanden, war mit sein Verdienst. 
      Unter seiner tatkräftigen Initiative entstand der imponierende Bau 
      der Volksschule, wurden das städtische Wasser- und Elektrizitätswerk 
      und die untere Brücke errichtet. 
       
       
        
Alois Loy, letzter deutscher Bürgermeister der Stadt Gottschee 
       
       
      Ein besonderes Verdienst Loys ist der Ausbau des Gymnasialgebäudes. 
      Er verstand es auch durchzusetzen, daß die Anstalt ein Obergymnasium 
      erhielt und daß die Holzfachschule vom Staat übernommen wurde. 
      Der Verein Studentenheim kam durch ihn zu Haus und Besitz. Als Obmann des 
      Kirchenbauausschusses verstand er es tatkraftig, den Bau der Stadtpfarrkirche 
      - noch heute eine Zierde der Stadt - voranzutreiben. Für seine Verdienste 
      erhielt Loy das "Goldene Verdienstkreuz mit der Krone und den Titel 
      eines kaiserlichen Rates." - Die Ausstrahlung seiner Persönlichkeit 
      befruchtete das ganze "Ländchen". 
       
      Zu Beginn des 20. Jahrhunderts tauchten in der Stadt Gottschee zum erstenmal 
      Presse-Erzeugnisse auf: Die "Gottscheer Nachrichten", der "Gottscheer 
      Bote" und Der Landwirt". Alle drei Blätter erschienen 14tägig 
      und wurden in der eben gegründeten Druckerei des J. Pavlicek gedruckt. 
      Sie wendeten sich in erster Linie an die Bauern. 1905 entstand der "Gottscheer 
      Bauernbund".  
       Eine lebhafte 
        Diskussion über Fragen der österreichisch-ungarischen Monarchie 
        und die eigenen politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Belange 
        beschäftigte die Gemüter. Die Abonnentenzahlen von Grazer und 
        Wiener Zeitungen stiegen im Gottscheerland. 
         
        1907 dürfen die Gottscheer - zum erstenmal als eigener Wahlkreis 
        organisiert - einen Abgeordneten zum Wiener "Reichsrat" wählen. 
        Zwei Parteien stellen ihren Kandidaten auf, die "Liberalen" 
        - von ihren politischen Gegnern als "die Roten" bezeichnet - 
        und die "Christlich-Sozialen", von der Gegenseite als "die 
        Schwarzen" abgestempelt. Der Kandidat der Liberalen heißt Fürst 
        Karl von Auersperg, Herzog von Gottschee (1859 bis 1927). 
         
         
      
       
         
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           Fürst
               Karl von Auersperg, 
      Herzog von Gottschee (1859-1927).  
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            Josef
               Obergföll 
            Schulrat, Gymnasiallehrer in 
          Gottschee | 
          
        
                                 Sein Gegenkandidat: Schulrat Josef Obergföll, Gymnasiallehrer in 
          Gottschee. Der Wahlkampf wurde mit einer bis dahin unbekannten Heftigkeit 
          geführt und artete vielfach zu Schlägereien aus. Einer der eifrigsten 
          Wahlredner war der Student Peter Jonke aus Obermösel, ein Liberaler. 
         
        Der Fürst gewann die Wahl. Er konnte kraft seiner vielseitigen Beziehungen 
          in Wien, die bis ins Kaiserhaus und in die Ministerien reichten, für 
          die Bewohner seines Wahlkreises natürlich mehr tun, als sein unterlegener
          Gegner. 
         
        1910 erhielten dann die Gottscheer gewissermaßen die Quittung für 
          das 19. Jahrhundert, das Ergebnis der letzten und damit authentischen 
          Volkszählung in der österreichisch-ungarischen Monarchie: Nur 
          noch 17.350 Menschen bekannten sich im Gottscheerland zur deutschen Muttersprache 
          (Grothe, Seite 80). Die Differenz von rund 8600 auf die geschätzte 
          Bevölkerung des Jahres 1875 (25.000-26.000) gibt nicht einmal den 
          wirklichen Wanderungsverlust wieder, er ist tatsächlich wesentlich 
          höher. Seit der Mitte der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts waren 
          ja 35 Jahrgänge zur Welt gekommen. Davon waren die ersten sieben 
          noch in voller Stärke geboren worden, weil in der Regel keine Ehepaare, 
          sondern nur ledige, aber heiratsfähige junge Leute fortzogen. Sie 
          heirateten erst in den USA. In der Bevölkerungsbilanz des "Ländchens" 
        fehlten daher nicht nur sie selbst, sondern auch ihre "drüben" 
        geborenen Nachkommen. Daheim wurde Jahrgang für Jahrgang schwächer. 
          Trotzdem gab es noch einen, wenn auch bescheidenen. Geburtenzuwachs. Setzen 
          wir ihn vorsichtigerweise für die Zeit von 1875 bis 1910 mit rund 
          3500 Köpfen an. 
         
        Diese Zahl überdeckt den Verlust durch die Auswanderer, sie muß 
        daher den rechnerisch ermittelten 8600 zugezählt werden. Dadurch 
          erhöht sich der wirkliche Bevölkerungsverlust auf 12.000 bis 
          12.500 Seelen. Soweit die nüchternen Zahlen, in denen auch die Angehörigen 
          von Intelligenzberufen, die außerhalb der engeren Heimat ein Unterkommen 
          suchen mußten, und deren Zahl auch nicht annähernd angegeben 
          werden kann, mit inbegriffen sind. Der Bedarf an Lehrern und Geistlichen 
          war begrenzt, die Stadt Gottschee bot nur ganz wenigen Juristen, Ärzten 
          und Beamten oder Unternehmern mit höherer Schulbildung berufliche 
          Chancen. Auf dem Lande bestand für die aufgezählten Berufsgruppen
          kein Bedarf. 
         
       Die natürliche Bevölkerungsbewegung innerhalb der Gottscheer 
          Bauern war durch den schweren Aderlaß seit den achtziger Jahren 
          empfindlich gestört. Der kleine Volkskörper hatte so viel biologische 
          Substanz abgegeben, daß es nicht nur nicht mehr möglich war, 
          sondern auch nicht mehr nötig war, die ein Menschenalter zuvor erforderliche 
          Kulturfläche weiterhin in vollem Umfange zu bewirtschaften. Die Folge 
          war eine Vernachlässigung des Weidelandes und der höher gelegenen
          Wiesen, die wiederum das Absinken des Viehbestandes nach sich zog.
          Der
        Wald aber trieb unverzüglich 
          sein niederes Fußvolk, Gestrüpp und Stauden, in das ihm überlassene 
          Gelände vor. 
           
           
        
        
          
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            Erzherzog
                Franz Ferdinand mit seiner 
            Frau 
            Sophie             
            von Hohenberg kurz vor dem Attentat. | 
            Attentäter
Gavrilo Princip wird
abgeführt. | 
           
       
                   
         
          Kulturell war die Sprachinsel Gottschee zu Beginn des 20. Jahrhunderts
           infolge des voll ausgebauten Schulwesens und der ausschließlichen
            Verwendung der deutschen Hochsprache in den Kirchen, im Umgang mit
           den 
        Ämtern, im Geschäftsleben, in der Presse und im Buch bis hinein
           in die privateste Sphäre des Gebetbuches und des Tischgebets ein
            Bestandteil jenes Lebensraumes in Mitteleuropa geworden, in dem alles
           
        Schriftliche deutsch ausgedrückt wurde. Als alltägliche Umgangssprache
           hatten die Gottscheer jedoch ihren mittelalterlichen bairisch-österreichischen
            Dialekt behalten. Freilich war noch ein anderer Gedanke in die Dörfer
             des Siedlungsgebiets eingezogen, die Sorge um das Gottscheerland.
            Sie 
          steigerte sich zur Befürchtung, als am 28. Juni 1914 der österreichisch-ungarische
           Thronfolger Franz Ferdinand einem Attentat zum Opfer fiel. Mit dem Instinkt
          
        der gefährdeten Kreatur ahnten die Gottscheer das kommende Unheil,
           den Zerfall der Donaumonarchie unter der Zentrifugalkraft des west-südslawischen
            Nationalismus. Das Völkchen im Karst hatte, wie auf das Jahr
            genau ein halbes Jahrtausend vorher, seine Schutzmacht verloren ..
            . 
              
              
               
             Kaiser Franz Josef I.
              
              
         
             Am 21. November 1916 starb "der alte Kaiser" Franz Josef I., 
          in seinem 86. Lebens- und 68. Regierungsjahr, schon zu Lebzeiten eine 
          legendäre Erscheinung, auch und besonders für die Gottscheer. 
          Gottschee war dem Monarchen ein fester Begriff, vor allem durch den Fürsten
          Karl von Auersperg. Wiederholt hatte der Kaiser Bittgesuche aus der
          Sprachinsel
          mit Geldspenden aus seiner Privatschatulle beantwortet. 
           
          Ganz Wien trug in jenen trüben Novembertagen nicht nur die sterbliche 
          Hülle des alten Kaisers zu Grabe, sondern auch die Staatsidee und 
          die Tradition des Hauses Habsburg. Der Zusammenbruch ihres geschichtlich 
          gewachsenen Nationalitätenstaates war nur noch eine Frage der Zeit. 
          Franz Josefs Nachfolger, Kaiser Karl I. von Habsburg-Lothringen, hatte 
          der vorandrängenden Katastrophe nichts entgegenzusetzen, auch Franz 
          Ferdinand hätte sie nicht aufhalten können. Ende November, Anfang 
          Dezember 1918 konstituierte sich das Königreich der Serben, Kroaten 
          und Slowenen (SHS) unter König Petar I. Karadjordjevic. Das frühere 
          Kronland Krain wurde mit der Untersteiermark zu der neuen Provinz Slowenien 
          zusammengelegt. Ihre Nachbarn waren im Westen Italien, im Norden die Republik 
        Österreich und im Osten das verkleinerte Ungarn. 
         
         
          
        König Petar I. Karadjordjevic 
        
         
         
        
        Die Gottscheer waren zunächst ratlos. An einen Widerstand wie zu 
          Zeiten Napoleons war nicht zu denken. Alles war plötzlich anders. 
          Bis auf jene in russischer Kriegsgefangenschaft kehrten die Krieger bald 
          heim. Zunächst zaghaft setzte eine Diskussion, wie der neuen Lage 
          zu begegnen wäre, ein. Eines Tages war ein faszinierender Plan aufgetaucht. 
          Es läßt sich nicht mehr rekonstruieren, wer als erster den 
          Gedanken aussprach, aus dem Gottscheerland eine kleine Republik, ähnlich 
          wie Andorra, zu machen und sie dem Protektorat der Vereinigten Staaten 
          anzuvertrauen. Man erhoffte sich für diesen Vorschlag eine wirksame 
          Unterstützung von selten der Amerika-Gottscheer. Vielleicht gelang 
          es ihnen, einen Machtspruch des Präsidenten Wilson herbeizuführen. 
          Wilson, damals der mächtigste Mann der Welt, hatte mit seinen 14 
          Punkten bei allen neu entstandenen Minderheiten Europas Hoffnungen auf 
          das Selbstbestimmungsrecht ausgelöst. Eine Denkschrift mit allen 
          wesentlichen Angaben über Land und Leute von Gottschee wurde erarbeitet
      und ein Flugblatt herausgegeben. 
          Eine Delegation für eine Vorsprache bei der Pariser Friedenskonferenz 
          wurde gebildet. 
           
          Der Plan schlug fehl, wie jener im 16. Jahrhundert, als die Gottscheer 
          beschlossen, den Grafen von Blagay finanziell abzulösen und sich 
          selbst zu verwalten. Die Gottscheer fanden allenthalben verschlossene 
          Türen. Der Weg zur Beseitigung des Gottscheerlandes aber war nun 
          frei. 
           
          Es ist nicht Aufgabe zu untersuchen, auf
          welchen geschichtlichen Wegen die slowenischen Romantiker des 19. und
          20. Jahrhunderts im Rahmen
          ihrer Eigenbewertung zu der bei Dr. Pozar vorgefundenen Konfrontation
          gegenüber dem Deutschtum gekommen sind, die darin gipfelt, daß 
          der Deutsche stets und überall der Unterdrücker war, der sich 
          der Entwicklung des slowenischen Volkstums entgegenstellte. Der Habsburger 
          Monarchie warf man darüber hinaus vor, daß sie slowenische 
          Menschen unter politischem und wirtschaftlichem Druck germanisiert habe 
          und verstieg sich zeitweilig unter Ableugnung der geschichtlichen Tatbestände 
          zu der Behauptung, die Gottscheer seien germanisierte Slowenen. Der slowenischen 
          Führungsschicht wurde es schon im 19. Jahrhundert unerträglich, 
          daß sie, wollte sie sich politisch, kulturell und gesellschaftlich 
          durchsetzen, deutsch sprechen mußte. Vom Panslawismus gelenkt, übertrug 
          sie schließlich ihre Antipathie gegen alles, was deutsch war, auf 
          das deutsche Wesen, auf die gesamte deutsche Kultur, wo immer sie auch 
          in Erscheinung trat. 
           
          Wenn nun im folgenden Kapitel die staatlichen Maßnahmen zur Slawisierung 
          der Gottscheer aufgezeigt werden, so geschieht dies nicht, um alte Wunden 
          aufzureißen. Die Gottscheer haben sich mit dem Verlust ihrer alten 
          Heimat politisch abgefunden. Die Aufzählung der Unterdrückungsmaßnahmen 
          nach 1918 geschieht auch nicht, um beschwerdeführend vor die Geschichte 
          hinzutreten: Sie sind jedoch ebenfalls Gottscheer Geschichte und werden 
          ausgesprochen, weil sonst das Verhalten der Gottscheer in den dreißiger 
          Jahren unverständlich bliebe. Schließlich ging seit dem Ende 
          des Jahres 1918 eine Flut von Gesetzen des Staates, Verordnungen der Landesregierung, 
          Verfügungen der Bezirkshauptmannschaft und der Sicherheitsorgane 
          mit entsprechenden Strafandrohungen auf die wehrlosen Gottscheer nieder. 
           
          Zum slowenischen Führer hatte sich bereits bis 1918 Dr. Anton Korosec 
          kraft seiner politischen Erfahrung als Volkstumskämpfer und Parlamentarier 
          emporgearbeitet. Die Ironie des Schicksals: "Korosec" heißt 
          zu deutsch "der Kärntner". 
           
          Noch bevor der eben gegründete Staat der Serben, Kroaten und Slowenen 
          vollends zur Ruhe gekommen war, forderte ein Komitee in Laibach, das sich 
        "Narodna vlada" nannte, etwa gleichbedeutend mit "nationale 
          Regierung", die Schließung aller deutschen Schulen und die 
          Beschlagnahme aller Schulvereinshäuser in Gottschee. Daraus war bereits 
          die Hauptstoßrichtung gegen das Gottscheerland erkennbar. Im Gegensatz 
          zu den eigenen Erfahrungen im Volkstumskampf verweigerte die slowenische 
          Führung den Gottscheern die politische Selbstbestimmung, ja, sie 
          gewährte ihnen nicht einmal die kulturelle Selbstverwaltung. Ihre 
          Art der "Selbstbestimmung" sah so aus: Sie stellte den Deutschen 
          in Slowenien frei, sich um die Staatsbürgerschaft Österreichs 
          zu bewerben. Da jedoch nur die Intelligenz bezüglich des Wohnortes 
          beweglich genug war, um nach Österreich wirklich umzuziehen, zielte
          dieser Lockruf in erster Linie auf die Gottscheer Lehrer und die Beamtenschaft.
          Schon im Laufe des Jahres 1919 wurde erkennbar, daß das "Ländchen" 
          führungslos gemacht werden sollte, um dann nach dem Beispiel der 
          Sprachinsel Zarz in Oberkrain innerhalb von zwei, drei Menschenaltern 
          als deutsche Enklave verschwunden zu sein. Um bei diesem Vorhaben nicht 
          durch internationale Bindungen von außen gestört zu werden, 
          unterschrieb der SHS-Staat im Jahre 1919 zwar den Vertrag von St-Germain 
          mit Österreich sowie jenen von Trianon mit Ungarn. In beiden Verträgen 
          hat sich Jugoslawien zum Schütze seiner Minderheiten verpflichtet, 
          diesen jedoch nicht in seine Verfassung eingebaut. Der Völkerbund 
          hat ebenfalls den Minderheitenschutz in Jugoslawien garantiert, eingehalten 
          wurde er nie. 
           
           
       
           Karl Renner, Kanzler der Republik Österreich,        
           Saint Germain, 1919. 
            
            
          Außer dem deutschen Schulwesen sollten aber auch alle anderen tragenden 
          Elemente des Gottscheertums zu Fall gebracht werden. Diese waren das Hochdeutsche 
          als Verwaltungs- und Geschäftssprache, die Mundart als Umgangssprache 
          der Landbevölkerung und unverwechselbare Trägerin der Gottscheer 
          Traditionen. Zu brechen waren außerdem der Widerstandswille im Volkstumskampf 
          und die wirtschaftliche Standfestigkeit. Die deutsche Schriftsprache ließ 
          sich aus dem ländlichen Leben ohne Schwierigkeiten entfernen. Bei 
          der familiengebundenen Mundart war das schwieriger, aber auch da fand 
          man einen Weg. In seiner Dokumentation: "Warum sind die Gottscheer 
          umgesiedelt?" stellt der in Villach lebende Rechtsanwalt Dr. Viktor 
          Michitsch aus Göttenitz die wesentlichsten Maßnahmen zur Entvolkung 
          der alten Sprachinsel zusammen: 
           
          Die erste einschneidende Maßnahme war die Absetzung der deutschen
           Landbürgermeister zum 31. Dezember 1918. Wenige Monate später
            wurde der Bezirkshauptmann Otto Merk vom Dienst suspendiert. Das
           Slowenische 
          wurde an den Volksschulen als Pflichtfach eingeführt. Der Bezirksschulinspektor
           Mathias Primosch wurde seines Amtes, das seit 1891 bestand, enthoben.
          
          Mit dem Schuljahr 1919/20 begann die vollständige Slowenisierung
           des Gymnasiums. Deutsch war nicht einmal mehr als Wahlfach zugelassen.
          
          Das dem Gymnasium angegliederte Studentenheim wurde entschädigungslos
           beschlagnahmt und einem slowenischen Verein übereignet. Das Waisenhaus
            mit der Mädchen-Bürgerschule wurde unter slowenische Leitung
             gestellt, der deutsche Schulunterricht verboten. Die Fachschule
            für 
          Holzbearbeitung wurde geschlossen. Die beiden deutschen Kindergärten
           in der Stadt mußten ihre Tätigkeit einstellen. Der Gottscheer
            Lehrerverein wurde nach 41 jährigem Bestehen verboten, sein
            Vermögen 
          eingezogen, seine Korrespondenz beschlagnahmt. 
            
          Parallel
          zur Zurückdrängung des deutschen Schulunterrichts wurde die
          Zahl der Lehrer dezimiert. Von den 71 im Jahre 1918 unterrichtenden
          deutschen Lehrpersonen wurden von 1919 bis 1922 nicht weniger als 33 über
          das zweifelhafte Optionsverfahren für Österreich aus dem
          Lande gedrängt. Sie hatten keine Möglichkeit zu bleiben,
          auch nicht, außerhalb ihres Berufs. Unter ihnen befanden sich
          geistig führende Männer, wie der Gymnasialprofessor Peter
          Jonke und sein Kollege Josef Obergföll, der bedeutende Volkstumsforscher
          Wilhelm Tschinkel, Bezirksschulinspektor Mathias Primosch u. a. ältere
          Lehrer, die des Slowenischen nicht mächtig waren, wurden vorzeitig
          pensioniert. 
           
           
            
Josef Perz and Wilhelm
Tschinkel  
           
           
          Die Dezimierung der bäuerlichen Bevölkerung der Sprachinsel 
        wurde in Etappen durchgeführt. Nach der weitgehenden Entfernung der 
        Lehrer wurde das Slowenische als Unterrichtssprache eingeführt. Gleichzeitig 
        wurden die "deutschen Abteilungen" erfunden. 1926 gab es davon 
        nur 16. Von einem zusammenhängenden deutschen Unterricht war dabei 
        keine Rede mehr, weil bestimmte Fächer nur in slowenischer Sprache 
        unterrichtet werden durften und weil kaum noch Lehrer, die den deutschen 
        Restunterricht hätten erteilen können, zur Verfügung standen. 
        - Die nächste Stufe waren die sogenannte Grundschule und die "National-Schule". 
        Die letztere umfaßte die 5. bis 8. Klasse. Der Besuch der "National-Schule" 
        wurde auch für die Schüler der deutschen Abteilungen verbindlich. 
         
        Die nächste Stufe: Um die Zahl der deutschen Schüler weiter 
        zurückzudrängen, führte die Schulverwaltung eine "Namensanalyse" 
        ein. Kinder, deren Familiengeschichte auch nur einen einzigen Großelternteil 
        mit einem slowenisch klingenden oder slowenischen Namen aufwies, wurden 
        in die slowenische Volksschule eingereiht. Auf Wünsche der Eltern 
        wurde keine Rücksicht genommen. Dazu berichtet Dr. Michitsch ein 
        eindrucksvolles Beispiel: Bereits 1922 ging die Schulleitung in Stockendorf 
        dazu über, die dortige Volksschule vollständig zu slowenisieren. 
        Sie behauptete, zum Schulbeginn würden 22 slowenische und nur 10 
        deutsche Schulpflichtige erscheinen. Die Nachprüfung dieser Angabe 
        durch Gottscheer Eltern ergab, daß die Schule von 46 deutschen und 
        nur von 6 slowenischen Kindern besucht wurde. Bei den letzteren sprachen 
        drei mit Vater und Mutter slowenisch und drei nur mit der Mutter. 
         
         
        
  
      | 
      | 
     
  
    | Gottscheer
        Lehrerschaft, 1905 | 
    Gottscheer
          Lehrerschaft, 1930 | 
     
 
 
 
        Dem flüchtigen Betrachter mögen die angeführten Schikanen 
        als eine leichtfertige Ausdeutung guter slowenischer Absichten erscheinen. 
        Wiederum drängt sich der Vergleich mit Kärnten auf. Dort verlangte 
        man für die eigene Minderheit Kulturautonomie, und mehr, die Gottscheer 
        aber wurden gleichzeitig im Eiltempo slawisiert. Man bediente sich dabei 
        raffinierter psychologischer Mittel: Man drängte zwischen Mutter 
        und Kind, die innigste Bindung zwischen Individuen, eine Sprache, die 
        die Mutter nicht verstand und zwang gleichzeitig das Kind, diese Sprache 
        zu erlernen und anzuwenden. Der Lehrer aber sah seine Hauptaufgabe nicht 
        darin, dem Gottscheer Kind Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen, 
        sondern ihm alles Deutsche, ja sogar das Denken in der Mundart, auszutreiben. 
        Schließlich verbot man den Kindern, auf dem Schulweg gottscheerisch 
        zu sprechen. Gleich einem dichtmaschigen Netz lag die slowenische Schulpolitik 
        über dem "Ländchen". Es gab kein Entrinnen. Blieb 
        man im Lande, und das war die Regel, mußte man slowenisch 
        lernen. 1924 wurde auch die letzte deutsche Ausbildungsmöglichkeit 
        so gut wie unterbunden. 1919/20 war es üblich geworden, daß 
        vielleicht zwei bis drei Dutzend schulentlassene Lehrer- und Bürgerkinder 
        bzw. Gymnasiasten, ihre Ausbildung an Gymnasien, Lehrerbildungsanstalten, 
        Handelsakademien, Staatsrealschulen und anderen Fachschulen in Österreich, 
        namentlich in Kärnten, fortsetzten oder vollendeten. Einige wenige 
        nahmen ihre Studien an Universitäten auf. 1924 erhielten die Eltern 
        dieser Schüler und Studenten die amtliche Mitteilung, daß sie 
        von 1925 an nicht mehr mit Reisepässen für die Ausbildung ihrer 
        Kinder im Ausland rechnen dürften. 
         
        Die Auswirkungen dieser Schulpolitik auf die Gottscheer Jugend zeigte 
        sich - in der ganzen Breite sichtbar - bereits nach einem Jahrzehnt. Die 
        Buben und Mädchen waren bei ihrem Schulabgang sozusagen zweieinhalbsprachig. 
        Als Mutter- und Haussprache verwendeten sie die Mundart, konnten leidlich 
        slowenisch lesen und schreiben, waren aber des Deutschen nur sehr mangelhaft 
        mächtig. Mit der Gottscheer Mundart konnten sie außerhalb der 
        Sprachinsel nichts anfangen, ihr Deutsch war so schlecht, daß sie 
        im Normalfall kaum einen Brief schreiben konnten, blieb also das Slowenische, 
        wollte man außerhalb des bäuerlichen Wirtschaftssektors eine 
        berufliche Laufbahn anstreben. Diese jungen Menschen standen gleichsam 
        im Niemandsland zwischen den beiden Völkern. Da ihnen aber das Deutsche 
        dennoch näher lag, die Wirtschaftslage sich zunehmend verschlechterte, 
        reifte auch bei ihnen der Entschluß zur Auswanderung, die in bescheidenem 
        Umfange 1920 wieder eingesetzt hatte. Dazu bekam man allerdings mühelos 
        einen Reisepaß. 
         
        So wie der Jugend der Zugang zum Deutschtum und seiner Schriftsprache
         verbaut wurde, so tat die Landesregierung in Laibach alles, um den erwachsenen
        
        Gottscheern die Organisationsformen, die das Gemeinschaftsgefühl
         stärkten, und in denen hochdeutsch die offizielle Sprache war,
         wegzunehmen  oder zumindest zu verleiden. Zuerst wurde der Bauernbund
         aufgelöst 
        und die beiden politischen Parteien des "Ländchens" aus
         dem Vereinsregister gestrichen. Von den drei oben genannten Blättern 
        überlebte nur der 1903 gegründete "Gottscheer Bote".
         Er durfte, ab 1919 in "Gottscheer Zeitung" umbenannt, weitergeführt
          werden. Selbstverständlich verschwanden sogleich nach der Gründung
           des neuen Staates die Schulvereinsortsgruppen. Die zu einem eigenen
          Gau 
        zusammengeschlossenen freiwilligen Feuerwehren mußten die slowenische
         Kommandosprache einführen. 1925 durfte der verbotene Gesangsverein,
          ein gemischter Chor, wiedergegründet werden. Da er sich aber rasch
           zu einem neuen Kulturzentrum entwickelte, suchte man abermals nach
          einem 
        Verbotsgrund. Man fand ihn in einer politisch harmlosen Sängerreise
         nach Kärnten. 
          
         17 Vereinsmitglieder, Frauen und Männer, besuchten
          am 5./6. Juni 1926 den von allen hoch verehrten Volkstumsforscher Wilhelm
         
        Tschinkel, um ihm zu seinem 50. Geburtstag die Grüße und Glückwünsche
         der alten Heimat zu überbringen. Der Gefeierte hatte in Rosegg
         eine  neue Heimat gefunden. Nach ihrer Heimkehr wurde die Sängergruppe
          wegen Hochverrats angezeigt. Wahrheitswidrige Begründung: Die
          Sänger 
        hätten in Kärnten an einem nationalen Sängerfest teilgenommen.
         Hier kann man nur noch von National-Hysterie sprechen. Zu einer Gerichtsverhandlung
        
        kam es jedoch nicht, weil ein einsichtiger Richter am zuständigen
         Amtsgericht in Rudolfswert (Novo mesto) das Verfahren wegen Nichtigkeit
        
        niederschlug. Die örtliche Sicherheitsbehörde in Gottschee/Stadt
         gab sich jedoch lieber der Lächerlichkeit preis, als einen deutschen
          Vogelschutzverein zu dulden. Ein Jahr nach der Gründung wurde
          er  unter dem Vorwand verboten, daß die im Freien aufgestellten
          Futterkästen 
        die Aufschrift "Vogelschutzverein" trugen. Dieselbe Behörde
         machte auch vor dem deutschen Leseverein nicht halt, er wurde verboten,
        
        seine 2500 Bücher beschlagnahmt und vernichtet. 
         
        Die Amtssprache bei den Behörden war selbstverständlich längst 
        das Slowenische. Wer diese Sprache nicht beherrschte, mußte auf 
        eigene Kosten einen Dolmetscher mitbringen. Die Ortstafeln durften nach 
        einer kurzen Übergangszeit auch in den rein deutschen Dörfern 
        nur slowenische Aufschrift tragen. Die oft willkürlich ins Slowenische 
        übersetzten Ortsnamen der Gottscheer durften in der Gottscheer Zeitung 
        nicht mehr deutsch gedruckt werden. Das 14tägig erscheinende Blatt 
        war im übrigen einer scharfen Zensur unterworfen, das heißt, 
        die fertig umbrochenen Seiten mußten der Bezirkshauptmannschaft 
        vor dem Druck vorgelegt werden. Anfänglich nahm die Redaktion die 
        gestrichenen Artikel und Notizen einfach heraus und ließ die weißen 
        Flächen offen. Dadurch war die Zensur für jedermann sichtbar. 
        Um dies zu verhindern, erhielt die Redaktion den Auftrag, für gestrichene 
        Artikel Stehsatz bereitzuhalten. 
         
        In aller Stille wurde die Ablösung der Geistlichkeit vollzogen. An 
        sich ließ das Ordinariat in Laibach die noch amtierenden Gottscheer 
        Geistlichen gewähren. Es versetzte auch keinen Geistlichen in rein 
        slowenisches Gebiet, wie die Schulbehörde dies mit einigen Lehrern 
        tat. Wenn jedoch ein Mitglied des Gottscheer Klerus durch Tod oder Pensionierung 
        ausfiel, trat an seine Stelle ein nationalbewußter Slowene im Priesterrock. 
         
        Verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit widmete man anfänglich 
        dem Bodenbesitz im "Ländchen", obwohl der slowenische Anteil 
        äußerst gering war. Herbert Otterstädt nennt in seinem 
        Bildband auf Seite 37 dazu folgende Zahlen: "Im Jahre 1940 waren 
        nach einer sehr gewissenhaften privaten Besitzzählung von den insgesamt 
        840 Quadratkilometern der Volksinsel 547 Quadratkilometer in den Händen 
        der Gottscheer Waldbauern, 63 Quadratkilometer waren Gottscheer Gemeindebesitz, 
        176 Quadratkilometer enteigneter deutscher Waldbesitz und lediglich 53 
        Quadratkilometer, also keine 8 der Gesamtfläche, waren slowenischer 
        Zwergbauernbesitz". 
         
         
          
        Deutscher
        Besitz in Krain,  Herbert Otterstädt,
        nationalsozialistisches
        Südostdeutsches Institut Graz, 1940. 
         
         
        Der einzelne Gottscheer Bauernhof interessierte die slowenische Führung 
        noch in den zwanziger Jahren kaum. Erheblich störte es sie jedoch, 
        daß der aller Titel entkleidete Fürst Auersperg bei der Staatsgründung 
        noch 229 Quadratkilometer herrlichen Mischwaldes besaß und nach 
        modernen forstwirtschaftlichen Methoden nutzte. Die Beschlagnahme dieses 
        Rests der ursprünglichen Herrschaft Ortenburg begann 1921 mit einer 
        schlichten "Agrarverordnung". Zehn Jahre später wurde diese 
        zum Gesetz ausgestattet und damit endgültig gemacht. 176 Quadratkilometer 
        wurden damals der Familie Auersperg genommen. Der konfiszierte Waldbesitz 
        wurde jedoch nicht etwa den Gottscheern zugeteilt, die als uralt eingesessene 
        Bewohner des Gottscheerlandes wohl als erste Anspruch hätten erheben 
        können. Die Nutzung des Baumbestandes wurde vielmehr slowenischen 
        Dörfern außerhalb der Sprachinsel überlassen. Die Gottscheer
        Mitarbeiter der Auerspergschen Forstverwaltung wurden entlassen. 
         
        Wie wenig die abseits liegenden neuen Nutzungsberechtigten bzw. die Landesforstbehörde 
        mit den beschlagnahmten Wäldern anfingen, bewies unter anderem der 
        Verfall des größten Auerspergischen Sägewerks samt den 
        Arbeiterwohnhäusern im Revier 
        Hornwald. Was der vordringende Urwald sowie Wind und Wetter übriggelassen 
        hatten, wurde 1938 gesprengt. Nicht einmal die 50 Kilometer lange Waldschmalspurbahn 
        durfte bestehen bleiben. Sie wurde im gleichen Jahr verschrottet. 
         
         
        
        
          
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            Auerspergsche 
            Sägewerk, 1931 
             | 
            1943 | 
              | 
            Merkantilna
            Banka / Merkantil
            Bank, 1925 | 
           
       
       
       
        Der Gottscheer Landwirtschaft rückte man als Ganzes dergestalt zu
         Leibe, daß man alles beseitigte, was geeignet war, sie zu fördern
          und zu befruchten. So wurde gleich nach dem Kriege die aus der Zeit
         Kaiser 
        Joseph II. stammende Filiale der "landwirtschaftlichen Gesellschaft
         von Krain" verboten, der Bauernbund eingestellt, 12 ländliche
          Raiffeisenkassen erlitten dasselbe Schicksal. Die Stadtsparkasse wurde
         
        finanziell ruiniert, und die Einleger verloren ihr Geld. Sie sollten
         auf  diese Weise gezwungen werden, mit der Filiale der Laibacher "Merkantil
         Bank" 
        zusammenzuarbeiten. Auf Anordnung ihres Chefs durfte in den Geschäftsräumen
        nur slowenisch gesprochen werden. 
       
        Die Geschäftsleute und Handwerker in Stadt und Land, aber auch die 
        Bauern, ruhten nicht eher, bis sie wieder über ein eigenes Geldinstitut 
        verfügten: 1926 wurde die "Spar- und Darlehenskasse", eine 
        Gesellschaft mit unbeschränkter Haftung, ins Leben gerufen. Zum Obmann 
        wählten die Mitglieder den Mitbegründer Alois Kresse, angesehener 
        Kaufmann in Gottschee/Stadt. Kresse besaß große wirtschaftliche 
        Erfahrung und war im ganzen "Ländchen" bekannt. Von 1912 
        bis 1925 war er Obmann des Gottscheer Handelsgremiums. Von 1928 bis 1930 
        war er als Vizebürgermeister Obmann der Städtischen Vermögensverwaltung. 
        Nach 1930 durften die Bewohner des Städtchens keine Vertreter mehr
        in den Stadtrat entsenden. 1945 gelang es Alois Kresse nicht mehr, rechtzeitig
        aus der Untersteiermark, wo er sich in Cilli eine neue Existenz geschaffen
        hatte, zu fliehen. Er wurde mit seiner Gattin von Partisanen umgebracht. 
         
        All diese kulturellen und wirtschaftlichen Maßnahmen zur Beseitigung 
        der Sprachinsel Gottschee zeigten in den ersten dreißiger Jahren 
        die beabsichtigte Wirkung - nicht bei den vor 1914 geborenen Jahrgängen, 
        wohl aber bei den im Jahre 1933 etwa Sieben- bis Siebzehnjährigen. 
        Slowenische Worte mischten sich in den heimatlichen Dialekt, slowenische 
        Lieder klangen da und dort außerhalb der Schule auf, die eigenen 
        Mundartlieder traten noch stärker in den Hintergrund. Das Fundament 
        des nationalen Selbstverständnisses als Deutsche stand bei diesen
        jungen Leuten nicht mehr auf sicherem Boden. 
         
        Gleichgeblieben war indessen das Interesse von Wissenschaftlern für 
        die Sprachinsel Gottschee. Namentlich aus Österreich, immer öfter 
        aber aus dem Deutschen Reich, erschienen um die Wende der zwanziger zu 
        den dreißiger Jahren Sprachforscher, Historiker, Volkskundler, Volskliedforscher 
        sowie landschaftsbegeisterte Touristen, einzeln und in Gruppen. Die Besucher 
        fanden in den abgelegenen Dörfern im großen und ganzen noch 
        das urwüchsige Gottscheer Bauernleben, wie es Sepp König in 
        seinem Beitrag: "Das Dorf in der Einschicht" (Gottscheer Zeitung, 
        März 1973) etwa für die Zeit der Jahrhundertwende schildert: 
         
"Jedes Dorf hatte seine Eigentümlichkeiten in seiner schaffenden 
        Arbeit. Die Menschen in der Einschicht waren daher Alleskönner: Korbflechter, 
        Schaufelmacher, Faßbinder und Schnapsbrenner, sie besorgten Zimmermannsarbeiten 
        ebenso mit Geschick wie bäuerliche Verrichtungen. Ihre Geschicklichkeit 
        reichte über die bescheidene Heimat hinaus und war als nachbarliche 
      Hilfe bei einem Unglück im Stall geschätzt. 
        Der Bau eines Kalkofens war ihnen nicht unbekannt, und daß das Weib 
        in der Einschicht im Krankheitsfalle Hilfe zu geben wußte, war keine 
        Seltenheit." 
         
        Den Besuchern aus dem geschlossenen, deutschen Lebensraum entging allerdings 
        auch nicht der wirtschaftliche Zusammenbruch der Gottscheer und ihre Mutlosigkeit. 
        Helfen konnten sie ihnen nicht. - Unter den Gästen aus dem Deutschen 
        Reich befand sich der Leipziger Orientologe und Volkstumsexperte Prof. 
        Dr. jur. et. phil. Hugo Grothe. Seine wiederholten Aufenthalte im "Ländchen" 
        führten in der Monografie "Die deutsche Sprachinsel Gottschee 
        in Slowenien" zu einem freudig begrüßten Erfolg, waren 
        doch seit dem Erscheinen des letzten repräsentativen Werks über 
        das Gottscheerland (Hauffen 1895) immerhin 35 Jahre verstrichen. Man sagte 
        ihm nach, er habe der damaligen Gottscheer Führung geraten, mit einer 
        weithin wirkenden 600-Jahr-Feier der deutschen Kolonisation ihres Siedlungsgebiets 
        die breite Öffentlichkeit auf die aktuelle, nationale Bedrängnis 
        und die schier ausweglose wirtschaftliche Notlage der Gottscheer zu lenken. 
        Mit diesem Ereignis sollte ihr Selbstbewußtsein gestärkt, neuer 
        Lebensmut geweckt werden. 
         
        Der Grothesche Gedanke wurde mit Freuden und sofort aufgegriffen. 1929 
        bildete sich unter dem Vorsitz des Rechtsanwaltes Dr. Hans Arko ein Festausschuß, 
        der die 600-Jahr-Feier auf den 1. bis 4. August 1930 festsetzte. Dr. Arko, 
        ein vielseitig begabter Mann, war in den zwanziger Jahren in die Rolle 
        des Sprechers der Gottscheer hineingewachsen. Unter anderem dirigierte 
        er den gemischten Chor und führte als Gauhauptmann die Feuerwehr. 
        Seit 1917 unterhielt er in der Stadt eine Rechtsanwaltskanzlei. 
         
         
          
        Dr. Hans Arko, Gottscheer
          Sängerschaft, 1928  
               
         
        Die organisatorisch wohl vorbereitete 600-Jahr-Feier wurde zum größten
        Fest, das die Gottscheer jemals auf ihrem Heimatboden veranstalteten. 
         
        Seit dem Bestehen des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen, 
        das sich nunmehr als "Jugoslawien" bezeichnete, hatten die Gottscheer 
        keinen Zweifel über ihre - von der Vernunft diktierte - loyale Einstellung 
        zum Staat, aber auch ihre innere Bindung an ihr Volk gelassen. Konsequent 
        und mutig lud der Festausschuß daher den König, damals Alexander 
        I., die Staatsregierung in Belgrad, die Landesregierung in Laibach, künftig 
        "Banschaftsverwaltung" genannt, mit dem "Banus" an 
        der Spitze, sowie die Republik Österreich und das Deutsche Reich 
        offiziell ein. Der König entsandte einen Minister und hohe Militärs 
        als seine Vertreter. Von der Banschaftsverwaltung in Laibach erschien 
        der Banus, das Deutsche Reich und die Republik Österreich ließen 
        sich durch ihre Missionschefs bei der jugoslawischen Regierung vertreten. 
        Deutscher Gesandter in Belgrad war dazumal Ulrich von Hassel. Erschienen 
        waren unter anderem auch die beiden Spitzenpolitiker der deutschen Gesamtvolksgruppe 
        in Jugoslawien, der Abgeordnete in der Skupstina, Dr. Stefan Kraft, und 
        der Senator Dr. Georg Graßl, ferner der Präsident des "Schwäbisch-deutschen 
        Kulturbundes" in Neusatz, Johann Keks, und der Hauptschriftleiter 
        des "Deutschen Volksblattes", ebenfalls in Neusatz, ein gebürtiger 
        Gottscheer aus Mitterndorf, Dr. Franz Perz. Viele Gottscheer in Österreich 
        und in den USA benutzten das große Fest zu einem Besuch der alten
        Heimat. 
         
        Erster Höhepunkt der Feierlichkeiten war der Festgottesdienst in
        der Stadtpfarrkirche. Nur ein Bruchteil der riesigen Menschenmasse fand
        im Dekanatsgotteshaus Platz. Selbst tiefergriffen, hielt der geistliche
        Rat August Schauer, Nesseltal, eine politisch wie menschlich und historisch
        ausgewogene Predigt von imponierender Sprachgewalt.
         - Die hohen Gäste vereinigte ein offizielles Bankett, auf dem Ulrich
          von Hassel diplomatisch geschickt und geistvoll die Beziehung zwischen
         
        dem Stadtwappen der Stadt Gottschee aus dem Jahre 1471 und dem aktuellen
          Anlaß herstellte. - Der öffentliche Festakt zur Erinnerung
           an die Besiedlung des Gottscheerlandes vor 600 Jahren fand in einem
          Großzelt 
        statt, das an der Allee für diesen Zweck aufgestellt worden war.
         - Durch ein staunendes, glückseliges Spalier ritt und fuhr und
         schritt  der selbst Geschichte gewordene historische Festzug von einem
         Ende der 
        Stadt zum anderen. Es schien, als ob außer den Ältesten und
         den Jüngsten kein Gottscheer daheimgeblieben war, um sein Bekenntnis
          zu den sechs Jahrhunderten der Geschichte des "Ländchens" 
        abzulegen. - Ein Festbuch mit Beiträgen zur Vergangenheit, Landes-
         und Volkskunde des Gottscheerlandes war Bestandteil der bewegten Woche.
        
        - 
         
         
          
        Gottschee
        600-Jahr-Feier, 1.-4. August 1930 
         
         
        Presse, Rundfunk und Wochenschauen berichteten über die festlichen
         Tage von Gottschee. Der politische Erfolg blieb jedoch aus. Die Hochstimmung
        
        der Gottscheer klang wieder ab. Nur allzubald stellte sich der Alltag
         des Volkstumskampfes und der zermürbenden, wirtschaftlichen Erfolglosigkeit
          wieder ein. Nichts hatte es den Gottscheern genützt, ihre Staatstreue
           in den Vordergrund zu stellen. 1931 wurde beispielsweise das Minderheitenschulwesen
          
        in Jugoslawien "neu geordnet". Es richtete sich vor allem gegen
         die deutsche Minderheit und verfügte, daß in Orten, in denen 
        "Staatsbürger mit anderer Muttersprache" lebten, Schulabteilungen
         mit 30, in Ausnahmefällen 25 Schulkindern errichtet werden durften.
          Die Entscheidung darüber behielt sich der Unterrichtsminister
          vor.  Woher der Schuß kam, ließ sich leicht daran ermitteln,
          daß 
        der Innenminister in der damaligen Regierung Dr. Milan Stojadinovic 
        Dr. Anton Korocec hieß. Als Kabinettsmitglied hatte er keine Schwierigkeit,
          seinen Kollegen, den Unterrichtsminister, zu diesem Erlaß zu
          bewegen.  Er traf die Gottscheer doppelt hart. Die "deutschen
          Abteilungen" 
        waren nun zahlenmäßig nach oben begrenzt. In den größeren
         Dörfern war es trotz der Namensanalyse noch möglich, 30 Kinder
          für eine deutsche Abteilung aufzubringen. Die kleineren Schulsprengel
           aber brachten als Folge der Auswanderung und der Namensanalyse vielfach
          
        nicht einmal die 25 Schulkinder auf. 
         
         
        
        
          
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            | König
            Peter II. v. Jugoslawien - | 
            in
                Sokoluniform und
Ministerpräsident Dr. Stojadinovic, Mai 1937 | 
           
       
               
       
        Zu der entmutigenden und entwürdigenden nationalen Unterdrückung 
        kommt die fortschreitende wirtschaftliche Not. Die Weltwirtschaftskrise 
        von 1929/30 trug direkt und indirekt wesentlich dazu bei. Nicht nur sanken 
        die ohnehin geringer gewordenen eigenen Umsätze weiter, sondern auch 
        der Dollarsegen ebbte ab. - Der Wald ergriff vom weiteren Kulturland Besitz. 
        Der Viehbestand sank katastrophal. Selbst die stark zurückgegangene 
        Milchproduktion war nicht mehr verwertbar. Die Milch wurde an die Schweine 
        verfüttert. Die Obsternten blieben liegen. Der Holzhandel stockte. 
        Nur noch wenige Männer gingen hausieren. Kleinhöfe und Keuschler
        unterschritten vielfach das Existenzminimum. 
         
        Der kleinste, deutsche Stamm, wie sich die Gottscheer gerne nannten,
        fand sich nicht mehr im Gleichgewicht. Manche Anzeichen schienen darauf
        hinzuweisen,
        daß er sich selbst aufzugeben begann. Einer der damals Jungen, Richard 
        Lackner aus der Stadt, hat das bitterste Wort jener Tage nicht vergessen: 
        "Hier zahlt sichs nicht mehr aus!" 
         
      Dr. Josef Krauland erinnert sich in seinem Beitrag "Ein Arzt erzählt..." 
      (Gottscheer Zeitung, August 1970) noch gut an ein Gespräch mit einem 
        Gottscheer Bauern über die Auswanderung: "Ich befand mich auf 
        der Rückfahrt von Ebental. Mein Kutscher, 
        ein intelligenter Bauer, mit dem man sich über alles Mögliche 
        unterhalten konnte. Endlich kamen wir auf seine Familienverhältnisse 
        und seinen Besitz zu sprechen. Auf meine Frage, welches von seinen Kindern 
        einmal den Hof übernehmen werde, antwortete er: Keines, alle wollen 
        nach Amerika, und ich will es ihnen nicht verwehren. Als ich dagegen einwandte, 
        daß doch wenigstens eines in der Heimat bleiben sollte, meinte er: 
        Ich kann es von keinem verlangen. Sie sehen doch selbst, wie man sich 
        hier auf einem Bauernhof abrackern muß und dabei kann man nicht 
        einmal die Substanz erhalten. Wenn die Kinder in Amerika fleißig 
        sind und etwas Glück haben, bringen sie es in einigen Jahren weiter 
        als hier ihr ganzes Leben." 
         
        Die Gottscheerin hat es verlernt, zu singen und zu fabulieren. Die Lebensschule, 
        in der sie die Lehrerin ihrer Kinder und in der die Unterrichtssprache 
        das Gottscheerische war, entgleitet ihr ... 
        
         
        30. Januar 1933, Berlin. Hitler ist an der Macht. 
         
         
        
        
          
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            Der
                Anfang der Diktatur. 
            Hitler und Göring am Abend
                des 
            30. Januar 1933 
            am Fenster der 
            Neuen Reichskanzlei
                während  
            des Fackelszuges. | 
            Größenwahn
                und  Gleichschaltung. 
            Der Fackelzug der NSDAP-Verbände            und 
            des 
            "Stahlhelm" am Brandenburger 
            Tor, 30.01.1933. | 
           
       
         
         
        Wie alle deutschen Volksgruppen in Südosteuropa und in der deutsch-slawischen 
        Mischzone zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer blickten auch die 
        Gottscheer nach Berlin. Wer will ihnen dies angesichts der geschilderten 
        Lebensumstände verdenken?! Sie blieben ruhig, wurden jedoch von den 
        jugoslawischen Sicherheitsorganen noch mißtrauischer beobachtet 
        als zuvor. Nicht minder mißtrauisch - aufmerksam registrierte die 
        slowenische Führung alle Vorgänge in der Reichshauptstadt. Die 
        Machtergreifung Hitlers löste bei ihr etwa folgenden Gedankengang 
        aus: Hitler war Altösterreicher. Sein politischer Werdegang wies 
        ihn als extremen Nationalisten aus. Zu seinen obersten erklärten 
        Zielen gehörte der Anschluß der Republik Österreich an 
        das Deutsche Reich. Krain war jahrhundertelang ein Kronland der Habsburger 
        gewesen. Konnte man sicher sein, daß er beim "Anschluß" 
        nicht auch ganz Slowenien dem Reich einverleibte? Wer konnte ein hochgerüstetes 
        Deutschland daran hindern, darüber hinaus in den Donauraum - oder 
        und - an die Adria vorzustoßen? In beiden Fällen bot sich Gottschee 
        als machtpolitischer Brückenpfeiler an. Schon aus diesen Gründen 
        mußte Gottschee nun erst recht verschwinden .. . 
         
        Dieses völkische Eiland aber wollte weiterleben, aus eigener Kraft, 
        nur für sich selbst, ohne Machtanspruch, ohne politische Ambitionen. 
        Die Slowenen standen dem in ihrem Nationalstolz entgegen. Sie bedachten 
        allerdings dabei nicht, daß es bereits im 6. Jahrhundert nach Christi 
        eine Art italienische Ostpolitik gab, dargestellt durch die Patriarchen 
        von Aquileja und später durch die Republik Venedig. In Rom erinnerten 
        sich die Nationalisten indessen seit längerer Zeit der Tatsache, 
        daß der Patriarch von Aquileja die Mark Krain viele Jahrhunderte 
        lang zu seiner Kirchenprovinz zählte und von 1077 an bis 1420 ausgedehnte 
        Reichslehenschaften besaß. 
         
        Das Völkchen im Karst aber geriet wiederum, diesmal endgültig, 
        zwischen die Mühlsteine der "großen Politik". Mit 
        dem Urwald wäre es durch Modernisierung der Land- und Forstwirtschaft 
        fertiggeworden, auch dem Wassermangel wäre durch noch sorgsamere 
        Pflege und Nutzung der natürlichen Bestände beizukommen gewesen. 
        Vielleicht hätten sich die Bauern unter dem Druck der Wirtschaftslage 
        zu einer Neuordnung der Bodenverfassung, einer Flurbereinigung bewegen 
        lassen. Das alles hätte dazu beigetragen, das "Ländchen" attraktiver
        zu gestalten. Gegen die Diktaturen in Berlin, Rom und Laibach wuchs im
        Gottscheerland jedoch kein Kraut. 
         
        ("Jahrhundertbuch
        der Gottscheer", Dr. Erich Petschauer, 1980) 
         
www.gottschee.de 
         
          
        Inhaltsverzeichnis 
         
          
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